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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 29.1919

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Heft 1/2
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Pfister, Kurt: Der Bildhauer Theodor Caspar Pilartz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26487#0025

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dem Blut llnserer Ieit, die den Ausdruck will, und mit
der Erregung der eigenen Seele erfüllt hat.

Jn diesem Sinn svll weniges zu dem Werk des
Bildhauers Pilartz angcmcrkt werden, der, Rheinlander
vvn Abstammung, 1887 in Köln gebvren wurde und
seit 1908 fast ununterbrvchen in München lebt. Ab-
gesehen vvn einigen mvnumentalen Arbeiten —
Grabmalplastikcn, eine Brunnenanlage in Weinheim,
^rvßplastikeir für Münchcner Künstlerfcste und die
Kvlner Werkbundauöstcllung — hat er nur Bildnis-
skulpturen geschaffen. Sein Material ist Marmvr,
Tvn, Brvnze und Stein.

* *

Um Pilartz' Art umschreiben zu kvnnen, nmß man
auf die Tat Ädvlf Hildebrands hinweisen, dcr — vvr
zwanzig, dreißig Jahren — entgegen einer imitativ
naturalistischcn Plastik das Gefühl für reliefmaßige,
flächenhafte Fvrm geweckt hat. Unmöglich, svlche Ge-
sinnung mit dem Begriff Neuklassik oder Neuklassizis-
nms erledigen zu wvllcn. Denn ebenso wie für gewisse
Generativnen der Antike ist sic im kubisch ruhenden,
kantig begrenzten Umriß des romanischcn Doms und
in dcm klaren symmetrischen Aufbau eines Bildes vvn
Marees lebendig. Die schaffende Kraft hat ein zu tiefst
gcmcinsames Erlebcn dcr Sichtbarkcit jedesmal zu
höchst eigenartigem Fvrmempfinden entwickelt und
differenziert.

Man kann Pilartz in dic
Nahe Hildebrands stellen,
indem beide auf grundsätz-
lich gleicher Grundlage, die
nian als antik nur ini all-
gemcinsten Sinn eincs art-
verwandten FvrmerlebenS
bezcichncn kann, das Gesicht
der Dinge empfinden. Es
gibt freilich im Werk des
Jüngercn Ströumnge», Be-
rührungen, die sich solcher
Festlegung zu vcrweigern
scheinen. Die Erscheinung
der aus dem Stein wachsen-
den „Trauerndcn Frau"

(Abb. 1) ist durchaus auf
Äusdrucksgebarde hin an-
gelcgt. Und wiederum: der
Kopf Gevrg Pfeil (Abb. 2)
rechnet unmittclbar mit
dem Spiel vvn Licht und
Schatten, mit der Bcricsc-
lung im Regen vibricrender
Atvme.

Aber solcher Tricb blcibt
vereinzelt. Das Werk, in
seiner Gesamthcit betrachtct.

Der Bildhnuer Theodor Caspar Pilnrtz.

sucht mit Bewußtheit die ruhige Klarheit der Form
in der scharfen Begrenzung des Umrisses, in der tast-
baren Körperlichkeit der Erschcinung, im flächenhaften
Relief. Daran nnrd man festhaltcn, auch ivenn man,
vvn Hildebrand herkvnimend, crkennt, daß in Pilartz'
Fvrm schr häufig cin Rest an zufalliger und plvtz-
licher Firierung bleibt.

Hat vielleicht diescr ungelöste, ungeläutcrte Rest
scincn Grund in einem Auvicl an psychvlogischer Be-
lastung? Es fällt innner wieder auf, wie sehr alle diese
Köpfe auf den Auödruck psychologischer Bedeutsam-
keit hin gearbeitet sind. So daß bisweilcn dcr Trieb,
psychische Werte zu geben, die sinnliche Forni über-
wuchcrt. So etwa in den Köpfen Mar Butting (Abb. 3)
und Karl Aug. Krvth (Abb. 4). Um so überzeugender
ist dann anderwärts dieses Gleichgewichtsverhältniü
hergestellt, am schönsten wohl in dem „Kvpf einer
Malaiin" und dcm „Mädchen im Pelz" (Abb. 5).
Wundervoll, wie hier die sanfte Form mit dem sinnlich
heiteren und weichen Ausdruck zusammcngeht. Oder
auch in der strengen, fast hartcn Rhythmik des Kopfes
der Frau P. R. (Abb. 6), wv iviederum Wesenheit
und Fvrm einer Gesetzlichkeit zu cntströmcn scheinen.

* *

Jn der Werkstatt des Künstlers steht, soeben zur
Vvllendung gekvmnien, die überlebenSgrvße Terra-

kvttabüste eines Jünglings,
der den Kopf niit jäher
Wendung zum Prosil zur
Seite dreht. Mit fast kärg-
licher Beschränkung verzich-
tet die Erscheinung auf
allen sinnlichen Reiz und
jegliche Belebung und be-
gnügt sich mit der Wirkung
ciner scharfgerisscnen Sil-
hvuette. Stellt das Werk
svmit cine fast unerwünscht
strengc Bestätigung des hier
angedeuteten fvrmalen Tat-
bestandes dar, sv scheint es
anderseits darauf hinzuwei-
sen, daß dieser Stiliville
mit allzu abstraktcr Bewußt-
heit seine außersten Fvlge-
rungen zu ziehen geneigt
ist. Der Künstler, der hcute
erst im Ansang dcr dreißiger
Jahre steht und dessen Art
in rheinischem Lebensgefühl
wurzelt, wird auch über
dicse — vielleicht nur dem
Beschaucr bedenklich er-
scheinende — Krise hinaus-
wachsen. Kurt Pfister.

f825ss

Abb. 6.

Caspar Pilartz: Frau P. N. (1917).
 
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