Schloßherrin von Tamsel gleitcn wie sic, mit dem Teint von
Rosen und Lilien, in rosenfarbenem Gewande, mit weit ent-
blLßtem Busen, von der Wand des Festsaales, wunderbarerweise
ganz unzerstLrt, zu ihm herablächelte. „Das waren auch Wunden
zum Verbluten," sagte er, und winkte der gemalten schönen Kusine
mit der Hand „äd, gusllo obionns clo vis!"
f889f Lili du Bois-Reymond.
aö lctzte Prosaftück.
Von Robert Walser.
Wahrscheinlich ist dics mein lehtes Prosastück. Allerlei Er-
wägungen lassen mich glauben, es sei für mich Hirtenknaben höchste
Zeit, mit Abfassen und Fortschicken von Prosastücken aufzuhören
und von offenbar zu schwieriger Beschäftigung zurückzutreten.
Mit Freuden will ich mich nach anderer Arbeit umschauen, damit
ich mein Brot in Frieden essen kann.
Was tat ich zehn Jahre lang? Um diese Frage beantworten
zu können, muß ich erstens seufzen, zweitens schluchzen und drittens
ein neues Kapitel oder frischen Abschnitt beginnen.
§ehn Jahre lang schrieb ich fortgeseht kleine Prosastücke, die
sich selten als nühlich erwiesen. Was habe ich dulden müssen!
Hundertmal rief ich aus: „Nie mehr wieder schreibe und sende
ich", schrieb und sandte aber jeweilen schon am selben oder folgenden
Tag neue Ware, derart, daß ich meine Handlungsweise heute kaum
noch begreife.
Was ich an Cinsenden leistete, macht mir kein Zweiter nach,
Dies steht einzig da und gehört um seiner Possierlichkeit willen
an die Plakatsäule geheftet, damit jedermann über meine Treu-
herzigkeit staunen kann. Etwas Ahnliches kommt nie wieder vor.
Jn bezug auf Herstellen und Fortfliegenlassen von passenden Prosa-
stücken legte ich einen unsagbaren Eifer und eine unbeschreibliche
Geduld an den Tag. Das flog aus meinem Uhrmacheratelier oder
Schneider- und Schusterwerkstatt nach allen Windrichtungen wie
Tauben aus einem Taubenschlag oder Bienen aus einem Bienen-
häuschen. Mücken und Fliegen sunnnen und schwimmen nicht
emsiger hin und her, wie die Prosastücke hin- und herflogen, di«
ich an allerlei Redaktionen sandte.
Was taten die Herren Bibliothekare mit den Skizzen, Studien,
Aufsähen, womit ich sie überhäufte? Sie lasen sie, benäselten,
beaugapfelten sie, zogen sie in Erwägung und legten sie säuberlich
in ihre Behälter oder Schubladen, wo sie aufbewahrt und für eine
passende Gelegenheit liegen blieben.
Kam dieselbe jeweilen rasch herbei? Absolut nicht! Sie hatte
cs nie sehr eilig. Cs ging mitunter jahrelang, bis sie sich zeigte,
und unterdessen raufte sich ein Unglücksmensch in seiner Dachstube
das Haar aus.
Was ich freudig schrieb und fortjagte, wurde in die Verborgen-
heit geworfcn, wo es langsam zusammenschrumpfte. Zeilen, Sähe,
Blätter gingen in der Schubladenluft jämmerlich zugrunde, inden,
sie eintrockneten und welkten. Was ich flott hervorbrachte, ließ ich
alt, matt, blaß und bleich werden.
Einmal blieb ein jugendlich grünendes, rotbackiges, hübsches
rundes Prosastück volle sechs Jahre lang an öder Stelle liegen,
wo es mit der §eit ganz dürr wurde. Als es endlich zum Vorschein
kani, d. h. im Druck auftauchte, so weinte ich vor Freude, indem
ich mich wie ein armer Dater gebärdete, den dis Iärtlichkeit über-
mannt.
Was erlebt nicht ein Mensch, der sich in den Kopf seht, Prosa-
stücke zu schreiben und an allerlei Redaktionen in der Hoffnung
abzusendcn, daß die Stücke den Wünschen entsprcchen und hübsch
in den Rahmen passen würden. Sollte mich jemand, der sich
aufs Stückeschreiben werfen will, um Rat fragen, so rate ich
ihm ab, indem ich ihm sage, daß ich seine Absicht für unglück-
lich halte,
Die Tag- und Nacht-, Land- und Wasser-, Lust- und Trauer-,
Rühr- und Zier-, Türen- und Treppen-, Schmuck- und Kunst-
stücke, die ich fortwährend hoffnungsvoll fortschickte, erwiesen sich
meistens als unbrauchbar, paßten selten oder nie in den Rahmen
und entsprachen den Wünschen vielmals keineswegs.
Ließ ich mich durch trügerische Hoffnungen abschrecken? Keinc
Spur! Jmmer wieder fand ich den Mut, herzustellen und weg-
zugeben, anzufertigen und fortzuschicken. §ehn Jahre lang stopfte
ich unermüdlich anderer Lcute Fächer, Löcher, Lagerhäuser mit
Stoffen und Vorräten voll, worüber sich die Herren Dirigenten
krumm und krank lachten.
Ich füllte anderer Leute Lücken mit Prosastücken. Der Ver-
stand will mir stocken, wenn ich daran denke. Die Minister schüttelten
sich vor Lachen, wenn sie meine Wagsnladungen anlangen sahen.
Jch brachte ganze Güterzüge zum Versand. WaS ich fortfliegen
ließ, wurde gnädig in Cmpfang genommen.
Wo andere hell im Kopf und klug bis in die Fingerspihen
waren, blieb ich dumm bis oben hinaus und noch einen Meter
dazu. Wo ich nackt ging, herrschte bei zweifellos netten Leuten
Luxus und Reichtum. Jndem ich meine eigenen Schubladen
sauber und platt leerte, so füllte ich fremde. Wo ich für gähnende
Leere bei mir selber sorgte, war ich für Hülle und Fülle bei sonst
netten und reizenden Leuten eifrig besorgt. O wie.sich die Götter
und Halbgötter über des Einsenders Einfalt lustig machten! Sie
fürchteten oft, vor Lachen zu zerbrechen. Auf der einen Seite
Übermut, auf der andern Seite Tränen. Einerseits Riesen, ander-
seits Iwerge. Hier Herren, dort Knechte.
Wenn ich mich schüchtern erkundigte, ob die Kinder gut auf-
gehoben und hübsch gesund oder überhaupt noch am Leben seien,
so erhielt ich den niederschmetternden Bescheid: „Das geht Sie
nichts an." So gingen einen Vater die eigenen Kinder nichts
mehr an, und die Sachen und Sächelchen, die ich im Schweiß
meines Antlihes hergestellt hatte, waren Dinge, wozu ich nicht
das mindeste sagen durfte.
Einmal wurde mir mitgeteilt: „Jhre Prosastücke sind im
Tumult und Wirrwarr verloren gegangen. Nehmen Sie uns das
nicht übel und schicken uns Neues. Wir wollen es wieder ver-
lieren, worauf Sie uns wiederum Neues einsenden können. Seien
Sie recht sehr fleißig. Verbeißen Sie jeden überflüssigen Miß-
mut. Sie tun uns immerhin leid."
Was nühte es mir, daß ich ausrief: „Nie mehr wieder schreibe
und sende ich." Verlieh ich doch meinem Ruhm, der sanftmütigste
Mensch zu sein, dadurch neuen Glanz, daß ich schon am selben oder
folgenden Tag neue schöne Stücke wegwarf. Cin Esel wird in
Gottesnamen mit Ladungen beladen, und so lange es Schafe auf
der Welt gibt, haben die Wölfe gute Tage; doch ich will demütig
sein und den Mund halten; fleißig weiter nette kleine Prosastücke
schreiben. Sollte mich jemand, der sich aufs Prosastückeabschicken
stürzen will, um Rat fragen, so rate ich ihm ab, indem ich ihm
sage, daß ich seine Absicht komisch finde.
„Sie sollen etwas erleben! An Jhnen will ich mich rächen,
daß Sie zittern und um Verzeihung betteln lernen werden,"
schrieb mir eines Tages einer der Derwische, die über Wohl-
ergehen und Unwohlbefinden gebieten, als wenn das Leben ein
Kartenspiel wäre.
Wird eine Sache mit Müh und Not perfekt, und erscheint
dann solch ein mageres, armes, um Nachsicht bittendes, kleines
zartes Prosastück im Druck, so steht der Autor vor neuer Schwierig-
keit, nämlich vor dem nie hoch genug geschähten Publikum. Jch
will es lieber'mit weiß nicht was als mitLeuten zu tun haben, die sich
für die Crzeugnisse meiner Feder interessieren. Iemand sagte
mir: „Schämen Sie sich nicht, mit solchem Gesudel vor die Offent-
lichkeit zu treten?" So sieht der Dank aus, den diejenigen ernten,
die sich mit Abliefern von Prosastücken ihr Brot verdienen wollen
In alles will ich mich fröhlich schicken, wenn ich nur nicht auf
trügerische Hoffnungen mehr zu bauen brauche. Cndlich bin ich
befreit, ich juble, und wenn ich nicht juble, so lache ich, und wenn
ich nicht lache, so atme ich auf, und wenn ich nicht aufatme, so
reibe ich mir die Hände, und wenn mich jemand, der gewisse Ab-
sichten hat, um Rat fragen sollte, so rate ich ihm ab, indem ich ihm
sage, was ich jedem sagen werde, der mich um diesbezügliche
Auskunft ersucht.
Von selbst versteht sich, daß ich jeweilen auf lichte Frühlings-
zeit ein fröhliches Frühlings-, auf die Herbstsaison ein bräunliches
Herbst- und auf Weihnachten ein Weihnachts- oder Schneegestöber-
stück schrieb. Jch will derartiges zukünftig unterlassen und nie
wieder tun, was ich zehn Jahre lang getan habe. Endlich habe
ich unter die nachgerade erstaunlich große Rechnung den Abschluß-
strich gezogen und bin mit einer Ausübung fertig gewordcn, wofür
ich nicht schlau genug bin.
Crfrechte ich mich, Wahrheiten, Ungebärdigkeiten einzusenden,
so wurde mir mit den Worten heimgeleuchtet: „Wissen Sie nicht,
daß hüben und drüben herzlich wenig Freiheit herrscht? Daß
jeder auf jeden verflucht gut aufpaßt? Schreiben Sie sich das
hinters Ohr, und seien Sie froh, wenn Sie ungeschoren sind."
Mit mir steht's bös. Hierüber ist kein Iweifel möglich. Früher
war's einfach, daa nnoncierte ich jeweilen: „Iunger Mann sucht
Beschäftigung." Heute muß ich annoncieren: „Leider nicht mehr
junger, sondern bereits etwas ältlicher, abgenutzter Mann fleht
um Erbarmen und Unterschlupf." Die Ieiten ändern sich, und
die Jährchen vergehen wie Schnee im April. Ich bin ein armer,
Rosen und Lilien, in rosenfarbenem Gewande, mit weit ent-
blLßtem Busen, von der Wand des Festsaales, wunderbarerweise
ganz unzerstLrt, zu ihm herablächelte. „Das waren auch Wunden
zum Verbluten," sagte er, und winkte der gemalten schönen Kusine
mit der Hand „äd, gusllo obionns clo vis!"
f889f Lili du Bois-Reymond.
aö lctzte Prosaftück.
Von Robert Walser.
Wahrscheinlich ist dics mein lehtes Prosastück. Allerlei Er-
wägungen lassen mich glauben, es sei für mich Hirtenknaben höchste
Zeit, mit Abfassen und Fortschicken von Prosastücken aufzuhören
und von offenbar zu schwieriger Beschäftigung zurückzutreten.
Mit Freuden will ich mich nach anderer Arbeit umschauen, damit
ich mein Brot in Frieden essen kann.
Was tat ich zehn Jahre lang? Um diese Frage beantworten
zu können, muß ich erstens seufzen, zweitens schluchzen und drittens
ein neues Kapitel oder frischen Abschnitt beginnen.
§ehn Jahre lang schrieb ich fortgeseht kleine Prosastücke, die
sich selten als nühlich erwiesen. Was habe ich dulden müssen!
Hundertmal rief ich aus: „Nie mehr wieder schreibe und sende
ich", schrieb und sandte aber jeweilen schon am selben oder folgenden
Tag neue Ware, derart, daß ich meine Handlungsweise heute kaum
noch begreife.
Was ich an Cinsenden leistete, macht mir kein Zweiter nach,
Dies steht einzig da und gehört um seiner Possierlichkeit willen
an die Plakatsäule geheftet, damit jedermann über meine Treu-
herzigkeit staunen kann. Etwas Ahnliches kommt nie wieder vor.
Jn bezug auf Herstellen und Fortfliegenlassen von passenden Prosa-
stücken legte ich einen unsagbaren Eifer und eine unbeschreibliche
Geduld an den Tag. Das flog aus meinem Uhrmacheratelier oder
Schneider- und Schusterwerkstatt nach allen Windrichtungen wie
Tauben aus einem Taubenschlag oder Bienen aus einem Bienen-
häuschen. Mücken und Fliegen sunnnen und schwimmen nicht
emsiger hin und her, wie die Prosastücke hin- und herflogen, di«
ich an allerlei Redaktionen sandte.
Was taten die Herren Bibliothekare mit den Skizzen, Studien,
Aufsähen, womit ich sie überhäufte? Sie lasen sie, benäselten,
beaugapfelten sie, zogen sie in Erwägung und legten sie säuberlich
in ihre Behälter oder Schubladen, wo sie aufbewahrt und für eine
passende Gelegenheit liegen blieben.
Kam dieselbe jeweilen rasch herbei? Absolut nicht! Sie hatte
cs nie sehr eilig. Cs ging mitunter jahrelang, bis sie sich zeigte,
und unterdessen raufte sich ein Unglücksmensch in seiner Dachstube
das Haar aus.
Was ich freudig schrieb und fortjagte, wurde in die Verborgen-
heit geworfcn, wo es langsam zusammenschrumpfte. Zeilen, Sähe,
Blätter gingen in der Schubladenluft jämmerlich zugrunde, inden,
sie eintrockneten und welkten. Was ich flott hervorbrachte, ließ ich
alt, matt, blaß und bleich werden.
Einmal blieb ein jugendlich grünendes, rotbackiges, hübsches
rundes Prosastück volle sechs Jahre lang an öder Stelle liegen,
wo es mit der §eit ganz dürr wurde. Als es endlich zum Vorschein
kani, d. h. im Druck auftauchte, so weinte ich vor Freude, indem
ich mich wie ein armer Dater gebärdete, den dis Iärtlichkeit über-
mannt.
Was erlebt nicht ein Mensch, der sich in den Kopf seht, Prosa-
stücke zu schreiben und an allerlei Redaktionen in der Hoffnung
abzusendcn, daß die Stücke den Wünschen entsprcchen und hübsch
in den Rahmen passen würden. Sollte mich jemand, der sich
aufs Stückeschreiben werfen will, um Rat fragen, so rate ich
ihm ab, indem ich ihm sage, daß ich seine Absicht für unglück-
lich halte,
Die Tag- und Nacht-, Land- und Wasser-, Lust- und Trauer-,
Rühr- und Zier-, Türen- und Treppen-, Schmuck- und Kunst-
stücke, die ich fortwährend hoffnungsvoll fortschickte, erwiesen sich
meistens als unbrauchbar, paßten selten oder nie in den Rahmen
und entsprachen den Wünschen vielmals keineswegs.
Ließ ich mich durch trügerische Hoffnungen abschrecken? Keinc
Spur! Jmmer wieder fand ich den Mut, herzustellen und weg-
zugeben, anzufertigen und fortzuschicken. §ehn Jahre lang stopfte
ich unermüdlich anderer Lcute Fächer, Löcher, Lagerhäuser mit
Stoffen und Vorräten voll, worüber sich die Herren Dirigenten
krumm und krank lachten.
Ich füllte anderer Leute Lücken mit Prosastücken. Der Ver-
stand will mir stocken, wenn ich daran denke. Die Minister schüttelten
sich vor Lachen, wenn sie meine Wagsnladungen anlangen sahen.
Jch brachte ganze Güterzüge zum Versand. WaS ich fortfliegen
ließ, wurde gnädig in Cmpfang genommen.
Wo andere hell im Kopf und klug bis in die Fingerspihen
waren, blieb ich dumm bis oben hinaus und noch einen Meter
dazu. Wo ich nackt ging, herrschte bei zweifellos netten Leuten
Luxus und Reichtum. Jndem ich meine eigenen Schubladen
sauber und platt leerte, so füllte ich fremde. Wo ich für gähnende
Leere bei mir selber sorgte, war ich für Hülle und Fülle bei sonst
netten und reizenden Leuten eifrig besorgt. O wie.sich die Götter
und Halbgötter über des Einsenders Einfalt lustig machten! Sie
fürchteten oft, vor Lachen zu zerbrechen. Auf der einen Seite
Übermut, auf der andern Seite Tränen. Einerseits Riesen, ander-
seits Iwerge. Hier Herren, dort Knechte.
Wenn ich mich schüchtern erkundigte, ob die Kinder gut auf-
gehoben und hübsch gesund oder überhaupt noch am Leben seien,
so erhielt ich den niederschmetternden Bescheid: „Das geht Sie
nichts an." So gingen einen Vater die eigenen Kinder nichts
mehr an, und die Sachen und Sächelchen, die ich im Schweiß
meines Antlihes hergestellt hatte, waren Dinge, wozu ich nicht
das mindeste sagen durfte.
Einmal wurde mir mitgeteilt: „Jhre Prosastücke sind im
Tumult und Wirrwarr verloren gegangen. Nehmen Sie uns das
nicht übel und schicken uns Neues. Wir wollen es wieder ver-
lieren, worauf Sie uns wiederum Neues einsenden können. Seien
Sie recht sehr fleißig. Verbeißen Sie jeden überflüssigen Miß-
mut. Sie tun uns immerhin leid."
Was nühte es mir, daß ich ausrief: „Nie mehr wieder schreibe
und sende ich." Verlieh ich doch meinem Ruhm, der sanftmütigste
Mensch zu sein, dadurch neuen Glanz, daß ich schon am selben oder
folgenden Tag neue schöne Stücke wegwarf. Cin Esel wird in
Gottesnamen mit Ladungen beladen, und so lange es Schafe auf
der Welt gibt, haben die Wölfe gute Tage; doch ich will demütig
sein und den Mund halten; fleißig weiter nette kleine Prosastücke
schreiben. Sollte mich jemand, der sich aufs Prosastückeabschicken
stürzen will, um Rat fragen, so rate ich ihm ab, indem ich ihm
sage, daß ich seine Absicht komisch finde.
„Sie sollen etwas erleben! An Jhnen will ich mich rächen,
daß Sie zittern und um Verzeihung betteln lernen werden,"
schrieb mir eines Tages einer der Derwische, die über Wohl-
ergehen und Unwohlbefinden gebieten, als wenn das Leben ein
Kartenspiel wäre.
Wird eine Sache mit Müh und Not perfekt, und erscheint
dann solch ein mageres, armes, um Nachsicht bittendes, kleines
zartes Prosastück im Druck, so steht der Autor vor neuer Schwierig-
keit, nämlich vor dem nie hoch genug geschähten Publikum. Jch
will es lieber'mit weiß nicht was als mitLeuten zu tun haben, die sich
für die Crzeugnisse meiner Feder interessieren. Iemand sagte
mir: „Schämen Sie sich nicht, mit solchem Gesudel vor die Offent-
lichkeit zu treten?" So sieht der Dank aus, den diejenigen ernten,
die sich mit Abliefern von Prosastücken ihr Brot verdienen wollen
In alles will ich mich fröhlich schicken, wenn ich nur nicht auf
trügerische Hoffnungen mehr zu bauen brauche. Cndlich bin ich
befreit, ich juble, und wenn ich nicht juble, so lache ich, und wenn
ich nicht lache, so atme ich auf, und wenn ich nicht aufatme, so
reibe ich mir die Hände, und wenn mich jemand, der gewisse Ab-
sichten hat, um Rat fragen sollte, so rate ich ihm ab, indem ich ihm
sage, was ich jedem sagen werde, der mich um diesbezügliche
Auskunft ersucht.
Von selbst versteht sich, daß ich jeweilen auf lichte Frühlings-
zeit ein fröhliches Frühlings-, auf die Herbstsaison ein bräunliches
Herbst- und auf Weihnachten ein Weihnachts- oder Schneegestöber-
stück schrieb. Jch will derartiges zukünftig unterlassen und nie
wieder tun, was ich zehn Jahre lang getan habe. Endlich habe
ich unter die nachgerade erstaunlich große Rechnung den Abschluß-
strich gezogen und bin mit einer Ausübung fertig gewordcn, wofür
ich nicht schlau genug bin.
Crfrechte ich mich, Wahrheiten, Ungebärdigkeiten einzusenden,
so wurde mir mit den Worten heimgeleuchtet: „Wissen Sie nicht,
daß hüben und drüben herzlich wenig Freiheit herrscht? Daß
jeder auf jeden verflucht gut aufpaßt? Schreiben Sie sich das
hinters Ohr, und seien Sie froh, wenn Sie ungeschoren sind."
Mit mir steht's bös. Hierüber ist kein Iweifel möglich. Früher
war's einfach, daa nnoncierte ich jeweilen: „Iunger Mann sucht
Beschäftigung." Heute muß ich annoncieren: „Leider nicht mehr
junger, sondern bereits etwas ältlicher, abgenutzter Mann fleht
um Erbarmen und Unterschlupf." Die Ieiten ändern sich, und
die Jährchen vergehen wie Schnee im April. Ich bin ein armer,