Abb. 2.
Opfermahl (Steinrelief).
vorstellenden Kraften bestimmt; ans der Entfernung
vom Mutterboden erwachst sein Gefühl fnr Totalitat,
für die monumentale Gesamtheit, gegliedert durch ver-
feinerte Nerven und einer aus der Qual der Umgebung
herauswachsenden Hellsichtigkeit; dcn sensualistischen Bor-
gangen verbleibt nur noch der Wert von Schlaglichtcrn.
Gleichzeitig treibt ihn die Banalität der Menschcn- >md
Steinmassen, die ihn umschließen, zu einer eiuzigartigen
Jntensitat der Sehnsucht. Alles das bedeutet eine
Steigerung der geistigen Kräfte, durch Henunungcn ge-
nahrt, deren Erlebnisreich das der freien Phantasie ist,
hinter der ein indwiduell gesteigerter Wille steht. So
wird das künstlerische Aiel durch eine neue, in der Un-
begrenztheit von Traumen sich auswirfende und ganz
aus dem inneren Willen geschöpfte Gesetzmäßigkeit be-
stimnlt. Au diesen psychischen Momenten, zu denen die
Gegenwart gelangt ist, kommt nun noch cin wesentliches
Awcites hinzu, gewifsermaßen ein historisches Moment.
Die Großstadt bedeutet nicht nur den Bruch mit der
umgebenden Natur, sondern auch den mit aller rein
lokal bedingten Tradition; eine Großstadt. ist wie ein
Museum der ganzen Erde; die allerverschiedensten Diuge
und Menschen sind darin eingeschlosscn; deni höchsten
Wert steht unmittelbar der tiefste Ekel gegenüber. Diese
Lebensordnung ist im Grunde das Produkt unserer
mysteriösen Technik und der Weltstellung Westeuropas.
Noch niemals in der Weltgeschichte hat ein geographisch
so restloses Umfassen der Erde stattgefunden wie in der
Jetztzeit. Wie unser tägliches Leben schon in tausend
Kleinigkeiten mit den Ländern des Erdballes in Be-
ziehung steht, so noch viel tausendfältiger das geistige.
Dem modernen Menschen, der an keine Tradition, Aunst
oder lokale Gemeinschaft mehr gebunden ist, stehen alle
Dokumente und Werte des Lebens der Vergangenheit
und der Erde offen. Hicr stehen wir sicherlich noch am
Anfang einer Entwicklung; als ob alle Schatzhäuser
der Erde sich langsam öffneten, wir auszögen, um diese
Welt neu zu erschließen, nicht nach Dingen, sondern
nach Werten suchend. Der Erweiterung des geogra-
phischen Horizontes entspricht die des geistigen; wir
erkennen erst im Banne der Gesamtheit, was geistig-
gesetzmäßig und was nur bedingte Ausdrucksnorm ist.
Alles das drängt wiederum zu einem Berknüpfen aller
primarcn Moniente und dazu, die Anschauung der
Einzelheit durch Einreihen zur Ergründung des Wesens
zu steigern. Der moderne Mensch fühlt in einer tiefen
Bcschämung sich und scine Aeit nicht mehr als den hohen
Gipfel aller Entwicklung, aber er bezieht alle Werte
mit eincr neuen Kraft der Hingabe auf sich und seine
Eristenz. Was daraus werden mag, weiß niemand;
aber so viel mag gesagt sein, daß es das Wesen dieser
neuen Totalitat im Empfinden und Denken verkennen
hieße, wenn man als Ergebnis nur einen Eklektizismus
erwarten würde. Doch davon soll hier nicht die Rede
scin. Nur das sei noch einmal betont, daß es unserer
Ieit vorbehalten geblieben ist, aus einer nationalen
.Kultur zu einer menschheitlichen überzugehen. So groß
auch die Schäden des Krieges sein mögen, so dürfen
wir doch nicht übersehen, wie stark der Krieg mit seinen
Folgen in dieser Richtung hin gewaltsam fördernd ge-
wirkt hat. Der Gedanke des Völkerbundes mag davon
auf politischem Gebiete als ein Beispiel gelten.
Noch mogen die Erscheinungen, die wir unter dem
Typus des modernen Menschen kurz angedeutet haben,
nur vereinzelt auftreten, und eine lange Entwick-
lung wird noch nötig sein, diese zu wirklich positiven
Kräften zusammenzufassen; aber das muß doch klar-
bleiben, daß das Phanomen als solches besteht und dem-
nach als solches wirksam werden muß. Man muß dabei
in der Summe all dieser geistigen Ereignisse denken,
um das weite Ausmaß dieser Kräfte richtig abschätzen
zu können; man muß erkennen und spüren, wie jeder
einzelne hier, oft bhne sein Wissen und Autun, mit-
empfindet und daran teil hat. Und dann erscheint auch
das Museum Folkwang nicht mehr fremd, wenn auch
vielen noch unverständlich, sondern mit Notwendigkeit
erstanden und als ein Spiegel dieser Aeit.
So .gibt das Bild des Werdens und der Ausgestaltung
des Museum Folkwang noch einmal im kleinen und ein-
zclnen ein Abbild jener geschilderten Verhältnisse. Die
eine Bedeutsamkeit liegt darin, daß es brüderlich die
künstlerischen Objekte aller Völker und Aeiten zusammen-
?8
Opfermahl (Steinrelief).
vorstellenden Kraften bestimmt; ans der Entfernung
vom Mutterboden erwachst sein Gefühl fnr Totalitat,
für die monumentale Gesamtheit, gegliedert durch ver-
feinerte Nerven und einer aus der Qual der Umgebung
herauswachsenden Hellsichtigkeit; dcn sensualistischen Bor-
gangen verbleibt nur noch der Wert von Schlaglichtcrn.
Gleichzeitig treibt ihn die Banalität der Menschcn- >md
Steinmassen, die ihn umschließen, zu einer eiuzigartigen
Jntensitat der Sehnsucht. Alles das bedeutet eine
Steigerung der geistigen Kräfte, durch Henunungcn ge-
nahrt, deren Erlebnisreich das der freien Phantasie ist,
hinter der ein indwiduell gesteigerter Wille steht. So
wird das künstlerische Aiel durch eine neue, in der Un-
begrenztheit von Traumen sich auswirfende und ganz
aus dem inneren Willen geschöpfte Gesetzmäßigkeit be-
stimnlt. Au diesen psychischen Momenten, zu denen die
Gegenwart gelangt ist, kommt nun noch cin wesentliches
Awcites hinzu, gewifsermaßen ein historisches Moment.
Die Großstadt bedeutet nicht nur den Bruch mit der
umgebenden Natur, sondern auch den mit aller rein
lokal bedingten Tradition; eine Großstadt. ist wie ein
Museum der ganzen Erde; die allerverschiedensten Diuge
und Menschen sind darin eingeschlosscn; deni höchsten
Wert steht unmittelbar der tiefste Ekel gegenüber. Diese
Lebensordnung ist im Grunde das Produkt unserer
mysteriösen Technik und der Weltstellung Westeuropas.
Noch niemals in der Weltgeschichte hat ein geographisch
so restloses Umfassen der Erde stattgefunden wie in der
Jetztzeit. Wie unser tägliches Leben schon in tausend
Kleinigkeiten mit den Ländern des Erdballes in Be-
ziehung steht, so noch viel tausendfältiger das geistige.
Dem modernen Menschen, der an keine Tradition, Aunst
oder lokale Gemeinschaft mehr gebunden ist, stehen alle
Dokumente und Werte des Lebens der Vergangenheit
und der Erde offen. Hicr stehen wir sicherlich noch am
Anfang einer Entwicklung; als ob alle Schatzhäuser
der Erde sich langsam öffneten, wir auszögen, um diese
Welt neu zu erschließen, nicht nach Dingen, sondern
nach Werten suchend. Der Erweiterung des geogra-
phischen Horizontes entspricht die des geistigen; wir
erkennen erst im Banne der Gesamtheit, was geistig-
gesetzmäßig und was nur bedingte Ausdrucksnorm ist.
Alles das drängt wiederum zu einem Berknüpfen aller
primarcn Moniente und dazu, die Anschauung der
Einzelheit durch Einreihen zur Ergründung des Wesens
zu steigern. Der moderne Mensch fühlt in einer tiefen
Bcschämung sich und scine Aeit nicht mehr als den hohen
Gipfel aller Entwicklung, aber er bezieht alle Werte
mit eincr neuen Kraft der Hingabe auf sich und seine
Eristenz. Was daraus werden mag, weiß niemand;
aber so viel mag gesagt sein, daß es das Wesen dieser
neuen Totalitat im Empfinden und Denken verkennen
hieße, wenn man als Ergebnis nur einen Eklektizismus
erwarten würde. Doch davon soll hier nicht die Rede
scin. Nur das sei noch einmal betont, daß es unserer
Ieit vorbehalten geblieben ist, aus einer nationalen
.Kultur zu einer menschheitlichen überzugehen. So groß
auch die Schäden des Krieges sein mögen, so dürfen
wir doch nicht übersehen, wie stark der Krieg mit seinen
Folgen in dieser Richtung hin gewaltsam fördernd ge-
wirkt hat. Der Gedanke des Völkerbundes mag davon
auf politischem Gebiete als ein Beispiel gelten.
Noch mogen die Erscheinungen, die wir unter dem
Typus des modernen Menschen kurz angedeutet haben,
nur vereinzelt auftreten, und eine lange Entwick-
lung wird noch nötig sein, diese zu wirklich positiven
Kräften zusammenzufassen; aber das muß doch klar-
bleiben, daß das Phanomen als solches besteht und dem-
nach als solches wirksam werden muß. Man muß dabei
in der Summe all dieser geistigen Ereignisse denken,
um das weite Ausmaß dieser Kräfte richtig abschätzen
zu können; man muß erkennen und spüren, wie jeder
einzelne hier, oft bhne sein Wissen und Autun, mit-
empfindet und daran teil hat. Und dann erscheint auch
das Museum Folkwang nicht mehr fremd, wenn auch
vielen noch unverständlich, sondern mit Notwendigkeit
erstanden und als ein Spiegel dieser Aeit.
So .gibt das Bild des Werdens und der Ausgestaltung
des Museum Folkwang noch einmal im kleinen und ein-
zclnen ein Abbild jener geschilderten Verhältnisse. Die
eine Bedeutsamkeit liegt darin, daß es brüderlich die
künstlerischen Objekte aller Völker und Aeiten zusammen-
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