Das Museum Folkwang und die ägyptischen Neuerwerbungen.
faßt; damit ist seinerzeit der Typus eines neuen Museums
und einer neuen Art des Sammelns entstanden. .Es ist
ohne weiteres klar, daß im einzelnen andere-Museen,
besonders solche, die nicht an die vielfältigen Beschran-
kungen einer Privatsammlung gebtinden sind/cine un-
gleich größere, lückenlose Fülle besitzen, daß manche
Gebiete hier nur untergeordnet vertreten scin könncn;
aber nicht die Anzahl von Objekten als solche, sondern
die geistige Struktur einer Sammlung als Ganzes macht
ihren Wert aus.
Das Fehlen großer öffentlicher Mittel wird durch
die einheitliche Geschlossenheit der Sammlung wett-
gemacht. Und darin liegt die andere Bedeutung, daß
nicht mehr ein einseitig historischcr Begriff, sondern ein
menschheitlicher Wertbegriff den Maßstab der Samm-
lung bildet: Eine ägyptische Plastik ist plötzlich kein
historisches Moment mehr, eine indische Bronze kein
Götzenbild, eine javanische Schnitzerei oder eine Neger-
maske kein ethnographischer Gegenstand und ein me-
dernes Bild nicht mehr die Laune eincs einzelnen.
Bei der Einstellung acif die Gesamtheit der küust-
lerischen Objekte mußte nun notgedrungen cine Schicht
gefunden werden, auf der sich auch wirklich alle die
vielfältigen Dinge vereinigen und vereinen lassen; und
diese Basis kann bei der Kunst nur eine einzige sein,
nämlich die der Qualität. Dabei ist abcr nicht zu über-
sehcn, daß ein solcher Llualitätsbegriff wieder in sich
und an sich gegliedert ist, sich vielfältig abstufj, je
nach Aeit, Land und Objekt, anders bei diesem Bolk
zu einer bestimmten Zeit als bci einem andern,
anders bei einem religiöscn Dokument als bei einem
handwerklichen Gegenstand, anders bei cincr Freiplastik
als bei einer Maske. Die Er-
kenntnis solcher Unterschiede ist
aber gerade das beste Mittel,
vom bloßen Eindruck zu einem
jeweiligen Verständnis vorzudrin-
gen; und das wird eben im Mu-
seum Folkwang dadurch so er-
leichtert, weil jedcs einzelne Stück
imnier in der Umgebung viel-
facher Gegenstücke steht. Alle
räumliche und zeitliche Trennung
ist übcrwunden; die Dinge tretcn
uns entgegen als Äußerungen'
eines gemeinsamcn Geistes und
eines gemeinsamcn Willcns. Mit
zwingender Macht drängt sich dies
Geistig-Gemeinsame uns auf und
offcnbart zugleich alle cigcne je-
weilige Besonderhcit; und so ge-
langen wir gleichzeitig zu cincr
neuen Vertiefung des historischen
Denkens, ohne dadurch den künst-
lcrischen Erlebniswert zu beein-
trächtigen, nämlich dazu, die be-
sondere „Seele" eincs fremden
Volkes oder eincr fremden Aeit
zu erfassen, indem wir von der
gemeinsamen Basis aus der Jndi-
vidualität nachgehen und ihrcm
persönlich gerichteten Willen folgen. Und dieser ver-
einigten Vislheit von Wertcn tritt nun der moderne
Mensch gegenüber, der sich dem allem verwandt fühlt,
alledem gewachsen ist, gewillt und stark genug ist,
diese Gesamtheit in sich aufzunehmen. Denn in dieser
Gesanithcit lebt er im letzten Grunde, ist darauf auf-
gebaut und wird von ihr in seinem besten Schaffen
genährt. So ist dies Museum ein Mikrokosmus des
Geistes der Erde, zugleich ein Spiegelbild der nioderncn
Seele, und schöpft seincrseits wieder gerade seine besten
Kräfte aus eben dieser Aeit.
Jn den Jdeen, die soniit hier zur Verwirklichung
stehen, hat das Museum tief in die Begebenhciten und
Bedürfnisse unserer Aeit hineingegriffen; ist dabei in
der Ausgestaltung den allgemeinen Verhältnisscn voraus-
geeilt oder ihnen doch voraufgegangen. Aus dieser
Tatsache folgert sich seine programmatische Bedeutung
und zuglcich das Bekenntnis, daß hier noch lange nicht
die Reife erreicht ist, die eincr Erfüllung nahekommt,
bcsonders darin, was die Sichtung auf reine Qualität
hin betrifft. Aber darin, daß sich erst im Laufe der Jahre
die Grundgedanken herausbildeten, immer klarer sich
verdichtetcn, daß in vielen Punkten erst aus der Macht
der Tatsachen geradezu überwältigend die Richtlinicn
sich ergaben, läßt sich erkennen, wie sicher das Museum
den Forderungen der Jetztzeit nachgeht. Man niöchte
sagen, das objektive Wesen der Dinge war stärker als
die Absicht eines einzelnen, und das kann als Gewähr
gelten, daß diescr Museumsschöpfung auch eine wahr-
haft allgemeine Bedeutung zukommt.
Jm Berlaufe der Eutwicklung der Museumsideen,
die auf dcr Zusammenfassung aller künstlerischen Objekte
der Erde, der Klärung und Er-
gründung ihres gesetzmäßigen
Wescns und auf der lebendigen
Verknüpfung mit den Problcmen
dcr Gegenwart bcruhen, sind ge-
rade während der letzten Jahre
vor dem Kriege und, soweit dies
niöglich war, noch während des
Krieges entscheidende Fortschritte
gcwonnen worden. Das einfache
Bcieinandersein dcr .Museums-
stücke hat sich immer klarer zu
einem scharf umrisscnen Bild er-
wcitert, das die historischen Zen-
tren, in denen sich die einzelnen
künstlerischen Werte verdichtet und
von dencn aus sie ihren Aus-
gang genommen haben, nunmehr
deutlich umschreibt und die prinzi-
pielten Vergleichsprobleme augen-
fälliger bloßlegt. Dies ist durch
cine Rcihe wichtiger Neuerwer-
bungen ermöglicht worden und
wird durch eine allmähliche Neu-
aufstellung weitcrverfolgt. Was
das erstcre betrifft, so wären die
ostasiatischen und ägyptischen Neu-
erwerbungen sowie die Erweite-
rung dcr peruanischen Gruppe
Abb. 3. .Stehendes MLdchen (Holz).
faßt; damit ist seinerzeit der Typus eines neuen Museums
und einer neuen Art des Sammelns entstanden. .Es ist
ohne weiteres klar, daß im einzelnen andere-Museen,
besonders solche, die nicht an die vielfältigen Beschran-
kungen einer Privatsammlung gebtinden sind/cine un-
gleich größere, lückenlose Fülle besitzen, daß manche
Gebiete hier nur untergeordnet vertreten scin könncn;
aber nicht die Anzahl von Objekten als solche, sondern
die geistige Struktur einer Sammlung als Ganzes macht
ihren Wert aus.
Das Fehlen großer öffentlicher Mittel wird durch
die einheitliche Geschlossenheit der Sammlung wett-
gemacht. Und darin liegt die andere Bedeutung, daß
nicht mehr ein einseitig historischcr Begriff, sondern ein
menschheitlicher Wertbegriff den Maßstab der Samm-
lung bildet: Eine ägyptische Plastik ist plötzlich kein
historisches Moment mehr, eine indische Bronze kein
Götzenbild, eine javanische Schnitzerei oder eine Neger-
maske kein ethnographischer Gegenstand und ein me-
dernes Bild nicht mehr die Laune eincs einzelnen.
Bei der Einstellung acif die Gesamtheit der küust-
lerischen Objekte mußte nun notgedrungen cine Schicht
gefunden werden, auf der sich auch wirklich alle die
vielfältigen Dinge vereinigen und vereinen lassen; und
diese Basis kann bei der Kunst nur eine einzige sein,
nämlich die der Qualität. Dabei ist abcr nicht zu über-
sehcn, daß ein solcher Llualitätsbegriff wieder in sich
und an sich gegliedert ist, sich vielfältig abstufj, je
nach Aeit, Land und Objekt, anders bei diesem Bolk
zu einer bestimmten Zeit als bci einem andern,
anders bei einem religiöscn Dokument als bei einem
handwerklichen Gegenstand, anders bei cincr Freiplastik
als bei einer Maske. Die Er-
kenntnis solcher Unterschiede ist
aber gerade das beste Mittel,
vom bloßen Eindruck zu einem
jeweiligen Verständnis vorzudrin-
gen; und das wird eben im Mu-
seum Folkwang dadurch so er-
leichtert, weil jedcs einzelne Stück
imnier in der Umgebung viel-
facher Gegenstücke steht. Alle
räumliche und zeitliche Trennung
ist übcrwunden; die Dinge tretcn
uns entgegen als Äußerungen'
eines gemeinsamcn Geistes und
eines gemeinsamcn Willcns. Mit
zwingender Macht drängt sich dies
Geistig-Gemeinsame uns auf und
offcnbart zugleich alle cigcne je-
weilige Besonderhcit; und so ge-
langen wir gleichzeitig zu cincr
neuen Vertiefung des historischen
Denkens, ohne dadurch den künst-
lcrischen Erlebniswert zu beein-
trächtigen, nämlich dazu, die be-
sondere „Seele" eincs fremden
Volkes oder eincr fremden Aeit
zu erfassen, indem wir von der
gemeinsamen Basis aus der Jndi-
vidualität nachgehen und ihrcm
persönlich gerichteten Willen folgen. Und dieser ver-
einigten Vislheit von Wertcn tritt nun der moderne
Mensch gegenüber, der sich dem allem verwandt fühlt,
alledem gewachsen ist, gewillt und stark genug ist,
diese Gesamtheit in sich aufzunehmen. Denn in dieser
Gesanithcit lebt er im letzten Grunde, ist darauf auf-
gebaut und wird von ihr in seinem besten Schaffen
genährt. So ist dies Museum ein Mikrokosmus des
Geistes der Erde, zugleich ein Spiegelbild der nioderncn
Seele, und schöpft seincrseits wieder gerade seine besten
Kräfte aus eben dieser Aeit.
Jn den Jdeen, die soniit hier zur Verwirklichung
stehen, hat das Museum tief in die Begebenhciten und
Bedürfnisse unserer Aeit hineingegriffen; ist dabei in
der Ausgestaltung den allgemeinen Verhältnisscn voraus-
geeilt oder ihnen doch voraufgegangen. Aus dieser
Tatsache folgert sich seine programmatische Bedeutung
und zuglcich das Bekenntnis, daß hier noch lange nicht
die Reife erreicht ist, die eincr Erfüllung nahekommt,
bcsonders darin, was die Sichtung auf reine Qualität
hin betrifft. Aber darin, daß sich erst im Laufe der Jahre
die Grundgedanken herausbildeten, immer klarer sich
verdichtetcn, daß in vielen Punkten erst aus der Macht
der Tatsachen geradezu überwältigend die Richtlinicn
sich ergaben, läßt sich erkennen, wie sicher das Museum
den Forderungen der Jetztzeit nachgeht. Man niöchte
sagen, das objektive Wesen der Dinge war stärker als
die Absicht eines einzelnen, und das kann als Gewähr
gelten, daß diescr Museumsschöpfung auch eine wahr-
haft allgemeine Bedeutung zukommt.
Jm Berlaufe der Eutwicklung der Museumsideen,
die auf dcr Zusammenfassung aller künstlerischen Objekte
der Erde, der Klärung und Er-
gründung ihres gesetzmäßigen
Wescns und auf der lebendigen
Verknüpfung mit den Problcmen
dcr Gegenwart bcruhen, sind ge-
rade während der letzten Jahre
vor dem Kriege und, soweit dies
niöglich war, noch während des
Krieges entscheidende Fortschritte
gcwonnen worden. Das einfache
Bcieinandersein dcr .Museums-
stücke hat sich immer klarer zu
einem scharf umrisscnen Bild er-
wcitert, das die historischen Zen-
tren, in denen sich die einzelnen
künstlerischen Werte verdichtet und
von dencn aus sie ihren Aus-
gang genommen haben, nunmehr
deutlich umschreibt und die prinzi-
pielten Vergleichsprobleme augen-
fälliger bloßlegt. Dies ist durch
cine Rcihe wichtiger Neuerwer-
bungen ermöglicht worden und
wird durch eine allmähliche Neu-
aufstellung weitcrverfolgt. Was
das erstcre betrifft, so wären die
ostasiatischen und ägyptischen Neu-
erwerbungen sowie die Erweite-
rung dcr peruanischen Gruppe
Abb. 3. .Stehendes MLdchen (Holz).