Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 29.1919

DOI Heft:
Heft 5/6
DOI Artikel:
With, Karl: Das Museum Folkwang und die ägyptischen Neuerwerbungen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.26487#0118

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
handeln. Diese Jndwidualisierung
aber stellt keinen Endzwcck dar;
die plastisch reine Form, nach der
die alten Werke aufgebaut waren,
scheint nur auf einen bcstimntten
Eindruck gestimmt zu sein; die
plasiische Konzeption ist dabei zu-
gleich eine psycholvgische geworden.

Wie in den alten Werken die Stim-
mung der Glaubigkeit ausschlag-
gebend war, so hier die des
Awcifels. Und diese Vereinsamung
des Gefühls, diese Aerrissenheit der
Jndividualisierung, die wohl eine
Steigerung der persönlichen Ener-
gien auslöst, aber zugleich auch das
Gefühl der Losgelöstheit aus dem
alten Ausammenhange zeitigt,möchte
man als Grund solcher ungezügelt
qualenden Stimmung ansehen. Der Abb. 9.
heutige Erhaltungszustand beein-
trachtigt diesen Ausdruck nicht, ja es schcint, als ob die
Risse und klaffenden Brüche dem Kopf noch einen
Grad furchtbarerer, überdauernder Größe des Grauens
gaben.

Die Werke Abb. 6 bis 8 gehören der Acit des ncuen
Reiches, die nach dem Einbruch der Hyksos von neuem
eine Zentralisation aller politischen und geistigen Krafte
darstellt, an. Diese Epochen aber zeigen gegenüber den
früheren bereits das starke Tempo und die Melfaltigkeit
großer Weltherrschaftsperivden. Reihcn mesopotamischer,
syrischer und agaischer Einflüsse
kreuzen sich; an Stelle der alten
memphitischen, einfachen, in sich
ruhenden Kultur ist ein Welt-
geist in seiner ganzen Bielge-
staltigkeit getreten; eine Ieit,
die sich mit der der Tang in
China vergleichen und als ein
Vorspiel für die Gegemvart auf-
fassen laßt. So zeigen auch die
künstlcrischen Erzeugnisse dieser
Perioden eine neue Weitlaufig-
keit; die verschiedensten Schulen
und Sonderströmungen machen
sich geltend.

Das Kalksteinfragment Abb. 6
laßt sich der 18. Dynastie zu-
schreiben. Die Formbehandlung
zeigt von neuem eine typisie-
rende Bereinfachung; die Grund-
masse wird in einzelne große
Teile zerschnitten, die zu einem
plastisch geschlossenen Kompler
zusammengesetzt werden. Es ist
nicht mehr die gewaltige orga-
nische Zerklüftung und der straffe
Rhythmus wie bei den memphi-
tischen Werken, sondern ein wei-
cheres Ausrunden und eine nach-

Kopf (Roter Sandstein).

lässigere Bewegtheit, nicht ohne Abb. 8.

das Schematisch-Routinierte ganz
zu überwinden. Diese Art der Aer-
legung, der der weiche schmiegsame
Kalkstein zwanglos nachgibt, bildet
eine ideale Grundlage für Bema-
lung. Ein helles Gelb, auf das
einige blauschwarze und zinnober-
rote Töne aufgesetzt sind, geben
dcm Bild einen farbigen Glanz,
demgegenübcr die rein plastische
Qualitat zurücksteht. Jn seiner far-
bigen Stimmung steht dies Frag-
ment der El Bahri-Gruppe, dem
Totentempel der Hatschepsut, nahe.
Diese ganze, farbige Behandlung
bedeutet für die Plastik die weit-
möglichste Ausschaltung der unge-
zügelten Lichtwerte des freien
Raumes.

Besonders deutlich und schön
kommt die malerische Auswertung
der plastischen Momente in dem Relief Abb. 7 zur
Wirkung. Man muß dies Relief in der richtigen
Seitenbeleuchtung bei leichter Sonne sehen, um
zu erkennen, wie lebhaft die plastische Bildung das
wechselnde Licht organisicrt. Jm Sonnenlicht löst es
sich in ein Gewebe warmgelber Töne mit violettem
Schattcn auf. Die plastische Anlage steht stark unter
dekorativen Tendenzen; die Figur ist weich in Flache
übersctzt, mit einer fein nüancierten Abstufung der plasti-
schen Werte und reicher Kontrastwirkung; man beachte
dies weiche Einbetten der Brust
als Mittelpunkt der Armbewe-
gung sowie ihre plastische Be-
tonung und wie das Thema von
Körper und Gewand relief-
plastisch ausgenutzt ist. Gewand
und Haar sind in ein geschmack-
voll reiches Spiel paralleler
Linien, die aber nirgends linear
erstarren, sondern in flicßenden
Uebergängen verlaufen, umge-
setzt. Der nackte rechte Unter-
arm sowie Hand und Jsis-
zeichen (?) wirken in ihrer kla-
ren Harte dabei als wirkungs-
voller Kontrast. Der Körper
selbst wird durch schmiegsame
Konturen, die in leiser plastischer
Schwellung verlaufen, einheitlich
umrissen; dieselbe großzügige
Sicherheit der Linienführung
wie in den alten Sakkara-Re-
liefs, aber von gesteigerter Ele-
ganz und Sinnfälligkeit; man
wird an die Rötelzeichnungen
weißgründiger Lekythen erinnert.
All diese Momente weisen das
Werk in die Nähe der Dell el
umurnu - Schule, deren Werke
Torso Ramses II. (Marmor). durch die deutschen Ausgrabun-
 
Annotationen