Das Museum Folkwang und die ägyptischen Neuerwerbungen.
gen bekannt gcworden sind. Auch an die Holzstatuette
der Tui im Louvre mag crinnert werden.
Wie stark malerische Begriffe auch arif die Rund-
plastik übergegriffen haben, zeigt der Torso Abb. 8, der
nach der Kartusche als Ramses der Zweite anzusprechen
ist. Der nackte Leib besteht aus einem Gewoge lebendig
durchmodellierter Übergange, von dem aus das Linien-
bündel des Schurzes sich gleichmäßig entfaltet. Man
erkennt aber auch, wie die agyptischen Formvorstellungen
mit einer unabweichlichen Notwendigkeit von alters her
an ihren bestimmten plastischen Grundtypen^gebunden
bleiben. Die Arme rahmen die Bildform ein, in starker
Sammlung zur Frontalität, verstärkt durch das Königs-
zepter. Die plastische Grundmasse geht trotz der De-
taillierung nicht verloren; die Überordnung der Anlage
bleibt unangetastet. Gleichzeitig läßt sich gegenüber
dem Relief Abb. 7 eine straf-
fere Bindung und cine kom-
paktere Jntensität der Masse
feststellen. Das Format (Mit-
telgröße) verleitet noch nicht
zu jener Schematisierung, die
sonst den Monumentalfiguren
dieser Aeit leicht eigen ist;
auch jener Ausdruck von Bru-
talität, der sich in den Ram-
sesstatuen so oft vorfindet,
und der doch nur das Aeichen
von Schwäche ist, fehlt. Jn
solchen Wandlungen äußert
sich eben die jüngere Aeit:
was dort Kraft war, ist hier
selbstsüchtige Brutalität; was
dort Ruhe war, ist hier Ge-
waltsamkeit; was dort Stolz
war, ist hier Uberhebung.
Und in der ganzen detaillier-
ten Aufteilung der Grund-
masse bekundet sich bereits
der beginnende Verfall des
agyptischen Formgefühls.
Nach dem politischen Un-
tergange Thebens- und dem
Ausammenbruch der ägypti-
schen Weltherrschaft läßt die
produktive Spannung in einem Maße nach, daß man
von dieser Spätkunst als eincm Verfallsprodukt sprechen
muß. Jedoch halt sich das allgemeine Niveau immer
noch auf einer beachtenswerten Höhe, d. h. soweit nicht
die Jndividualisierung, durch fremde Einflüsse entschei-
dend unterstützt, den Formkanon zcrsprengt und zu un-
ausbleiblichen Mischwerken führt, in denen Form und
Auffassung auseinanderfallen. Der Kopf aus rotem
Sandstein Abb. 9 zeigt, wie noch am Anfang der saiti-
schen Periode die plastischen Probleme, wenn auch
nicht vertieft werden, so doch in gesunder Klarheit
erfaßt sind. Der Kopf mit dem Haaraufbau zeigt eine
gefällig gleichmaßige Massenordnung, durch Verteilung
der Gesichtsteile plastisch gegliedert (die Nase ist ergänzt).
Aber man kann sich der Erinnerung altattischer Bild-
werke nicht verschließen; solche Lippen, solche Augen-
randerung, solch Haaransatz, alles das wirkt dort doch
ungleich vehementer und sicherer. Es fehlt solchen spät-
agyptischen Werken von vornherein die Jntensität der
künstlerischen Einstellung.
Bedeutungsvoller wirken dann aber die Bronze-
statuctten dieser -Zeit, unter denen allcrdings die Mehrzahl
als Massenarbeiten sich erweisen. Jch schalte hier die
Bronzefigur einer Katze Abb. 10 ein, die uns zeigt, wie
geistvoll in älterer Zeit die Bronzetechnik gehandhabt
worden ist. Jn der Tierdarstellung besitzt ja Ägypten
eine alte Tradition; der Mythos gab reichlich Gelegen-
heit zu Tierbildern. Auch hierbei bestimmt im Anfang
eine sinnbildliche Einstellung die Bildkonzeption, bis
dann — vor allem während der Aeit des mittleren
Reiches — aus der detaillierten Einzelbeobachtung diese
glänzcnde Anschaulichkeit tierischer Phänomene wird.
Auf dieser Stufe steht auch
die abgebildete Katze; die
raubtierhaft verfeinerte Sin-
neskraft, die Elastizität des
Muskelspiels und die ganze
vitale Schönheit ihrer Gat-
tung ist wiedergegeben.
Dabei bleibt die Form-
behandlung von einer realisti-
schen Gebundenheit oder vir-
tuoser Spielerei weit ent-
fernt. Der Aufbau ist straff
und geschlossen; die beiden
Profillinien der Rücken- und
der Vorderpartie, zwischen
dencn der Rumpf sich aus-
wölbt, sind kräftig gegenein-
ander ausgespielt, in freier
Entfaltung der natürlichen
Kräftc. Der Schwanz ist als
Basis des Aufbaues wage-
recht bis zu den Vordertatzen
vorgelegt.
Die Bronzen der Spät-
zeit stellen zur Hauptsache die
üblichen Gestalten dar: Jsis,
den Horus säugend (Abb. 11),
Horus, Neith, Amon usf.
Bei der Jsisfigur überrascht
der pittoreske Aufbau; die machtige Krone gleicht die
scharfen, aus dem Umriß herausstoßenden Partien der
Arme und des Kindes aus. Die konrplizierte Gruppierung
ist durch Schichtung auf das Maß der Frontalität zurück-
geleitet. Mutter und Kind stehen im rechten Winkel
zueinander; diese klare Sonderung in raumlich ge-
schiedene Bildebenen, die im Gegensatz zu der später
üblichen Überleitung im Sinne des Kreisrund im rechten
Winkel angeordnet sind, ist oft zu beobachten; so in der
Figur der Senmut mit einer Prinzcssin im Museum
Kairo, dem etruskischen Sarkophag zweicr Ehegatten
aus Cervetri, jetzt im Lritisd Mseum, und dem Nirwana-
Buddha mit den zwei Jüngern in der Sammlung
Stoclet in Brüssel. Das sind typische Formeinheiten
archaischer Bildkunst; daß hier daran noch festgehalten
wird, ist ein Aeichen für die strenge Macht der frontalen
Abb. 10.. Bronzestatuctte einer Katze.
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gen bekannt gcworden sind. Auch an die Holzstatuette
der Tui im Louvre mag crinnert werden.
Wie stark malerische Begriffe auch arif die Rund-
plastik übergegriffen haben, zeigt der Torso Abb. 8, der
nach der Kartusche als Ramses der Zweite anzusprechen
ist. Der nackte Leib besteht aus einem Gewoge lebendig
durchmodellierter Übergange, von dem aus das Linien-
bündel des Schurzes sich gleichmäßig entfaltet. Man
erkennt aber auch, wie die agyptischen Formvorstellungen
mit einer unabweichlichen Notwendigkeit von alters her
an ihren bestimmten plastischen Grundtypen^gebunden
bleiben. Die Arme rahmen die Bildform ein, in starker
Sammlung zur Frontalität, verstärkt durch das Königs-
zepter. Die plastische Grundmasse geht trotz der De-
taillierung nicht verloren; die Überordnung der Anlage
bleibt unangetastet. Gleichzeitig läßt sich gegenüber
dem Relief Abb. 7 eine straf-
fere Bindung und cine kom-
paktere Jntensität der Masse
feststellen. Das Format (Mit-
telgröße) verleitet noch nicht
zu jener Schematisierung, die
sonst den Monumentalfiguren
dieser Aeit leicht eigen ist;
auch jener Ausdruck von Bru-
talität, der sich in den Ram-
sesstatuen so oft vorfindet,
und der doch nur das Aeichen
von Schwäche ist, fehlt. Jn
solchen Wandlungen äußert
sich eben die jüngere Aeit:
was dort Kraft war, ist hier
selbstsüchtige Brutalität; was
dort Ruhe war, ist hier Ge-
waltsamkeit; was dort Stolz
war, ist hier Uberhebung.
Und in der ganzen detaillier-
ten Aufteilung der Grund-
masse bekundet sich bereits
der beginnende Verfall des
agyptischen Formgefühls.
Nach dem politischen Un-
tergange Thebens- und dem
Ausammenbruch der ägypti-
schen Weltherrschaft läßt die
produktive Spannung in einem Maße nach, daß man
von dieser Spätkunst als eincm Verfallsprodukt sprechen
muß. Jedoch halt sich das allgemeine Niveau immer
noch auf einer beachtenswerten Höhe, d. h. soweit nicht
die Jndividualisierung, durch fremde Einflüsse entschei-
dend unterstützt, den Formkanon zcrsprengt und zu un-
ausbleiblichen Mischwerken führt, in denen Form und
Auffassung auseinanderfallen. Der Kopf aus rotem
Sandstein Abb. 9 zeigt, wie noch am Anfang der saiti-
schen Periode die plastischen Probleme, wenn auch
nicht vertieft werden, so doch in gesunder Klarheit
erfaßt sind. Der Kopf mit dem Haaraufbau zeigt eine
gefällig gleichmaßige Massenordnung, durch Verteilung
der Gesichtsteile plastisch gegliedert (die Nase ist ergänzt).
Aber man kann sich der Erinnerung altattischer Bild-
werke nicht verschließen; solche Lippen, solche Augen-
randerung, solch Haaransatz, alles das wirkt dort doch
ungleich vehementer und sicherer. Es fehlt solchen spät-
agyptischen Werken von vornherein die Jntensität der
künstlerischen Einstellung.
Bedeutungsvoller wirken dann aber die Bronze-
statuctten dieser -Zeit, unter denen allcrdings die Mehrzahl
als Massenarbeiten sich erweisen. Jch schalte hier die
Bronzefigur einer Katze Abb. 10 ein, die uns zeigt, wie
geistvoll in älterer Zeit die Bronzetechnik gehandhabt
worden ist. Jn der Tierdarstellung besitzt ja Ägypten
eine alte Tradition; der Mythos gab reichlich Gelegen-
heit zu Tierbildern. Auch hierbei bestimmt im Anfang
eine sinnbildliche Einstellung die Bildkonzeption, bis
dann — vor allem während der Aeit des mittleren
Reiches — aus der detaillierten Einzelbeobachtung diese
glänzcnde Anschaulichkeit tierischer Phänomene wird.
Auf dieser Stufe steht auch
die abgebildete Katze; die
raubtierhaft verfeinerte Sin-
neskraft, die Elastizität des
Muskelspiels und die ganze
vitale Schönheit ihrer Gat-
tung ist wiedergegeben.
Dabei bleibt die Form-
behandlung von einer realisti-
schen Gebundenheit oder vir-
tuoser Spielerei weit ent-
fernt. Der Aufbau ist straff
und geschlossen; die beiden
Profillinien der Rücken- und
der Vorderpartie, zwischen
dencn der Rumpf sich aus-
wölbt, sind kräftig gegenein-
ander ausgespielt, in freier
Entfaltung der natürlichen
Kräftc. Der Schwanz ist als
Basis des Aufbaues wage-
recht bis zu den Vordertatzen
vorgelegt.
Die Bronzen der Spät-
zeit stellen zur Hauptsache die
üblichen Gestalten dar: Jsis,
den Horus säugend (Abb. 11),
Horus, Neith, Amon usf.
Bei der Jsisfigur überrascht
der pittoreske Aufbau; die machtige Krone gleicht die
scharfen, aus dem Umriß herausstoßenden Partien der
Arme und des Kindes aus. Die konrplizierte Gruppierung
ist durch Schichtung auf das Maß der Frontalität zurück-
geleitet. Mutter und Kind stehen im rechten Winkel
zueinander; diese klare Sonderung in raumlich ge-
schiedene Bildebenen, die im Gegensatz zu der später
üblichen Überleitung im Sinne des Kreisrund im rechten
Winkel angeordnet sind, ist oft zu beobachten; so in der
Figur der Senmut mit einer Prinzcssin im Museum
Kairo, dem etruskischen Sarkophag zweicr Ehegatten
aus Cervetri, jetzt im Lritisd Mseum, und dem Nirwana-
Buddha mit den zwei Jüngern in der Sammlung
Stoclet in Brüssel. Das sind typische Formeinheiten
archaischer Bildkunst; daß hier daran noch festgehalten
wird, ist ein Aeichen für die strenge Macht der frontalen
Abb. 10.. Bronzestatuctte einer Katze.
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