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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 29.1919

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Heft 5/6
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With, Karl: Das Museum Folkwang und die ägyptischen Neuerwerbungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26487#0120

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Formgebung, wahrend in EinzelheiteN/ wie
in der Schwellung der Beine und in der
Gesichtsbildung, sich bereits deutlich die
spatere Auffassung ankündigt.

Viel weiter, d. h. auf nerier Grundlage
bereits folgerichtig aufgebaut,ist die Bronze-
statuette Abb. 12; hier ist die formate
Einheit auf Grund rein körperhafter Er-
scheinung aufgebaut. Die ganze Bildung
weist stark nach Griechenland, dem Trager
der neuen, rundplastischen Werte. Aber sie
macht nicht den Eindruck kopienhafter Nach-
ahmung. Es muß dahingestellt bleiben,
ob sie als rein ägyptische Arbeit anzu-
sprechen ist. Das Schreitmotiv hat eine
neue Auswirkung erhalten; das ist nicht
nur eine plastischer, sondern auch ein kör-
perlicher Vorgang; an Stelle kubischer
Raumlichkeit ist ein freiräumliches Aus-
wirken getreten. Dasselbe gilt von der
Armbewegung; hier ist aus der Anschauung
heraus ein neuer organischer Rhythmus
gewonnen. Der freien Bewegtheit der
Glieder setzt sich die symmetrische Massen-
teilung des Körpers und die frontale
Sammlung des Gestus entgegen. Der
Kopf zeigt eine auffällige Hochform; der Gesichts-
ausdruck ist von einer überlegenen, etwas kalten
Sicherheit.

Man muß an das alte memphitische Nelief Abb. 2
oder die Mädchengestalt Abb. 3 erinnern, um den ge-
waltigen Umschwung der künstlerischen Problemstellungen
und die Veränderung im ganzen Denkprozeß anschau-

lich zu machen: dort die geschlossene Form,
hier die beginnende Freiform, dort Typus,
Sinnbild, gebundene Konzentriertheit, hier
Körper, Vorgang und Entfaltling als Kom-
pliziertheit. Aber trotz der Unterschiede er-
kennen wir durch alle Perioden hindurch
einen sich gleichbleibenden Wert: die
Typisierung und Monumentalisierung des
Erlebnisanlasses sowohl wie der Form-
gebung. Besonders die Werke Abb. 3, 5, 7
und 10, die wir als meisterliche Arbeiten
von den übrigen absondern müssen, ver-
körpern das hohe Maß solcher Jahrtausende
überdauernden Kräfte und diese ewiggleiche
Gruppierung um denselben Schwerpunkt.
Eine cinzige Vergangenheit schweißt hier
Jahrtausende zusannnen. Diese Entwick-
lung unterliegt aber gleichzeitig einem all-
mählichen Abflauen der künstlerischen Jn-
tensität wie der mythischen und ethischen
Erlebniskraft. Der Höhepunkt, den auch
die besten Aeiten der übrigen Jahrhun-
derte — die 12. und 18. Dynastie — nicht
wieder erreicht haben, liegt in der memphi-
tischen Aeit. Jn der letzten Figur aber
trat uns ein grundsätzlich Neues ent-
gegen; die Anschauung wird gegenüber der Vor-
stellung zum Primat des Darstellungsprozesses er-
hoben. Eine neue Kurve der Entwickelung, die rund
um das Mittelmeer führt, setzt ein; wieder gegliedert
nach Höhezeit, Ausbreitung und Verfall, aber nicht
mehr Jahrtausende, sondern nur noch Jahrhunderte um-
fassend. f840fs Karl With.

Abb. 11.

Jsis, den Horus säugend
(Bronze).

Abb. 12.

Schreitender Mann
(Bronze).
 
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