Karl Morgenstern. Die Brömserburg (etwa 1840).
Freilich beweist schon dcis Selbstbildnis, das er mit
16 Jahren in Öl malte, nicht nur eine gewisse Fertigkeit
der Technik(es ist noch mit Lasuren gemalt), sondcrn auch
einen natürlichen und frischen Blick sür die Erscheinung
rind ihre malerische Auswertung. Man fühlt sich an die
jungen Hamburger von 1820, Oldach, Speckter, Was-
mann, erinnert. Aber was hier angedeutet erscheint,
ein unbefangener Nealismus voll sinnlichen Gefühls,
das spricht sich nun voll und mit einem siegreichen Jubcl
in den Aguarellen der letzten Frankfurter Jahre aus
(1830 bis 1832). Die Farbe ist von einer köstlichen
Helligkeit und Frische, wie sie Dielmann und Burnitz
nicht zarter malten, die Formen ganz duftig und dabei
klar und von durchsichtiger Luft. Das Feinste aber sind
die Bordergründe mit ihrer intensiven Durchbildung
des Details; die genaue Charakterisierung der tausend-
fältigen Pflanzen, Baumarten, Bodenlinien erinnert
an den hochgesteigerten Realismus A. Kleins oder gar
der großartigen Krauterblatter A. W. Kolbes. Nur
bleibt Morgenstern immer Frankfurter, und sein Rea-
lismus steht eher der Linienschönheit seines Landsmanns
Peter Becker nahe (der erst 1828 geboren ist) und der
lyrischen Anmut Louiü Eysens. Ein Blatt, wie die
„Lohmühle im Lorsbacher Tale" (die schwerlich 1827,
sondern 1831 oder 1832 entstanden ist), mit ihrer voll-
endetcn zeichnerischen Durchbildung und derlieblichen Be-
leuchtung enthalt schvn im Keime den ganzen Dielmann
und Peter Becker zugleich; so reif, so sicher, so durch-
warmt von Naturliebe ist die Treue seiner Darstellung.
Deutsche Scharfe der zeichnerischen Beobachtung,
feines Empfinden für die luftigen und stimmunghaften
Werte heller Aquarellfarben: das sind im wesentlichen
die näheren Kennzeichnungen dieses jugendlichen Rea-
lismus. Was ihn objektiv bestimmt, ist der Gehalt der
heimischen Natur am Main, an der Nidda, im Taunus:
durch deren fast lyrisch angehauchte Sanftmut kommt ein
Ton von heiterer Sinnlichkeit in Morgensterns frühe Kunst.
Dann siedelt er zu eindringlicheren Studien 1832
nach München über, und hier nimmt sich neben Rott-
mann vor allem der Hamburger Christian Morgenstern
seincr an. Beide verleiden ihm die Akademie und schicken
ihn in die Alpen, nach Berchtesgaden und Salzkammer-
gut in> ersten Jahr, nach Steiermark im zweiten. Man
hat allerlei Einflüsse von Rottmann bei ihm entdecken
wollen, aber seine Studien aus dieser Aeit sind sehr fern
von dessen räumlichem Pathos: seine ganze Seele hängt
an der Wahrheit schlichter Natur. Denn so schreibt er
an seinen Freund Ehemant in Frankfurt a. M. am
15. Januar 1833: . . . „Morgenstern der Hamburger,
Foltz, Kaufmann, Bürkel, Rayser (?) und mehr, das sind
Leute, vor denen man Respekt haben muß — denn ein
lustiger und munterer kann unmöglich so eine blecherne
Historie malen, und kommt er damit, so kann er damit
wieder eingraben. Darüber ist man viel weiter vor wie
bei uns in Franksurt" (wo das Beitsche Nazarenertum
allmächtig war, heißt das).
Hieraus kann man entnehmen, und die Studien
aus der Zeit reden eine noch deutlichere Sprache in
144
Freilich beweist schon dcis Selbstbildnis, das er mit
16 Jahren in Öl malte, nicht nur eine gewisse Fertigkeit
der Technik(es ist noch mit Lasuren gemalt), sondcrn auch
einen natürlichen und frischen Blick sür die Erscheinung
rind ihre malerische Auswertung. Man fühlt sich an die
jungen Hamburger von 1820, Oldach, Speckter, Was-
mann, erinnert. Aber was hier angedeutet erscheint,
ein unbefangener Nealismus voll sinnlichen Gefühls,
das spricht sich nun voll und mit einem siegreichen Jubcl
in den Aguarellen der letzten Frankfurter Jahre aus
(1830 bis 1832). Die Farbe ist von einer köstlichen
Helligkeit und Frische, wie sie Dielmann und Burnitz
nicht zarter malten, die Formen ganz duftig und dabei
klar und von durchsichtiger Luft. Das Feinste aber sind
die Bordergründe mit ihrer intensiven Durchbildung
des Details; die genaue Charakterisierung der tausend-
fältigen Pflanzen, Baumarten, Bodenlinien erinnert
an den hochgesteigerten Realismus A. Kleins oder gar
der großartigen Krauterblatter A. W. Kolbes. Nur
bleibt Morgenstern immer Frankfurter, und sein Rea-
lismus steht eher der Linienschönheit seines Landsmanns
Peter Becker nahe (der erst 1828 geboren ist) und der
lyrischen Anmut Louiü Eysens. Ein Blatt, wie die
„Lohmühle im Lorsbacher Tale" (die schwerlich 1827,
sondern 1831 oder 1832 entstanden ist), mit ihrer voll-
endetcn zeichnerischen Durchbildung und derlieblichen Be-
leuchtung enthalt schvn im Keime den ganzen Dielmann
und Peter Becker zugleich; so reif, so sicher, so durch-
warmt von Naturliebe ist die Treue seiner Darstellung.
Deutsche Scharfe der zeichnerischen Beobachtung,
feines Empfinden für die luftigen und stimmunghaften
Werte heller Aquarellfarben: das sind im wesentlichen
die näheren Kennzeichnungen dieses jugendlichen Rea-
lismus. Was ihn objektiv bestimmt, ist der Gehalt der
heimischen Natur am Main, an der Nidda, im Taunus:
durch deren fast lyrisch angehauchte Sanftmut kommt ein
Ton von heiterer Sinnlichkeit in Morgensterns frühe Kunst.
Dann siedelt er zu eindringlicheren Studien 1832
nach München über, und hier nimmt sich neben Rott-
mann vor allem der Hamburger Christian Morgenstern
seincr an. Beide verleiden ihm die Akademie und schicken
ihn in die Alpen, nach Berchtesgaden und Salzkammer-
gut in> ersten Jahr, nach Steiermark im zweiten. Man
hat allerlei Einflüsse von Rottmann bei ihm entdecken
wollen, aber seine Studien aus dieser Aeit sind sehr fern
von dessen räumlichem Pathos: seine ganze Seele hängt
an der Wahrheit schlichter Natur. Denn so schreibt er
an seinen Freund Ehemant in Frankfurt a. M. am
15. Januar 1833: . . . „Morgenstern der Hamburger,
Foltz, Kaufmann, Bürkel, Rayser (?) und mehr, das sind
Leute, vor denen man Respekt haben muß — denn ein
lustiger und munterer kann unmöglich so eine blecherne
Historie malen, und kommt er damit, so kann er damit
wieder eingraben. Darüber ist man viel weiter vor wie
bei uns in Franksurt" (wo das Beitsche Nazarenertum
allmächtig war, heißt das).
Hieraus kann man entnehmen, und die Studien
aus der Zeit reden eine noch deutlichere Sprache in
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