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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 29.1919

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Heft 7/8
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Schmidt, Paul Ferdinand: Karl Morgenstern (1811 - 1893)
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https://doi.org/10.11588/diglit.26487#0161

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Karl Morgenstern.

Jtalienische Küste (ctwa 1837).

diesem Sinne: Morgenstern denkt gar nicht daran, sich
von Rottmann beeinflussen zu lassen; so sreundlich ihm
der entgegenkommt: sein inneres Wesen lehnt ihn ab.
Das zieht ihn mit der Gewalt des Magneten zu der
Gruppe von Landschaftern, die dem Münchener Realis-
mus der zwanziger und dreißiger Jahre ihr Geprage auf-
drücken: Bürkel, Kaufmann, Christian Morgenstern.
Und in ihre Reihe gehört er auch künstlerisch. Jn der
ernsten Natur der Alpen hat er sich neu gefunden.
Weniger vielleicht durch das gute Beispiel Christian
Morgensterns als durch den frei wirkenden Jnstinkt
seiner eigenen Anlage traf er den unmittelbaren Weg
des Malers zur Natur. Wie die Entdecker der atmo-
sphärischen Landschafu Schilbach, Beckmann, Bürkel,
Nerly und andere, lernte er das unbefangene Anschauen
der nordischen Räumlichkeit, ihrer Wolken und Nebel,
ihrer saftigschweren Farben und bewegten Elemcntc.
Ünd was er beobachtet, kann er malen; in den gutcn
Arbeiten dieser zwei Jahre ist er von einer hinreißenden
Frische und Eindrücklichkeit, von einer rein malerischen
Qualität.

Nun aber zieht es ihn, 1834, nach Jtalien; und hier
versagt zuerst die errungene Erkenntnis gänzlich. Er
klagt in seinen Briefen über die monotoncn und grellen
Farben der Campagna; der Horizont ist ihm zu hoch,
daü Meer zu farbig, und Vordergründe vermißt er mit
Schmerzen. Es ist das natürliche und offene Bekenntnis
des nordischen Menschen, daß ihm der Süden unheinüich
ist in seiner schrankenloscn Weiträuniigkeit; daß dem

Realisten die Traulichkeit der Nähe und das Menschlich-
Anmutende des lebendigen Grüns in jenen klassischen
Gefilden fehle — die naive Klage so vieler Jtalienfahrer,
die aber einen tieferen Sinn bei dem Künstler erhält.
Jn Jtalien konnte sich niemals eine intime Landschafts-
kunst ini Geiste des malerischen Realismus entwickeln.
Die romanische große Form findet dort ihrcn Widerhall
in der Natur (oder sollte man nicht besser umgekehrt
formulieren?), und wer voni Norden dorthin verschlagen
wurde, niußte sich anpassen und romanisieren, von
Elsheimer und Poussin bis Ludwig Richter und Feuer-
bach und den Neuesten.

Das war die Fragestellung Morgensterns: würde
er sich anpassen, würde cr zu einem anderen Preller
werden (der in jenen Jahren auch noch nordisch-realistisch
gemalt hat)? Er hat ehrlich und hart mit der feindlichen
Natur gerungen. I. A. Koch und Reinhart, ja der Fran-
zose Dernet waren ihm in jenen Jahren befreundet,
und es lag genug Veranlassung vor, daß Morgenstern
in das Fahrwasser ihrer edlen Rhetorik geriet. Von
Einem aber, der ihni hätte der Nächste sein sollen, und
der ihm den richtigen Weg weisen konnte, hören wir
überhaupt nichts: von Martin Rohden. Nie erwähnt
er ihn; nirgends hat man auch in der Literatur an ihn
im Ausammenhang mit Morgenstern gedacht. Und doch,
betrachtet nian das endgültige Ergebnis ihrer römischen
Arbeiten, so erstaunt man vor der inneren und äußeren
Verwandtschaft ihrer Kunst; sie scheinen Brüder zu
sein.

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