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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 29.1919

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Heft 9/10
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Cohen, Walter: Hans Schüz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26487#0200

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mehr und etwas ganz
anderes bedeuteten als
jede Predigt?! — Hier
stand ich vor einer ge-
schlossenen Einheit, die
stark genug war, mich
wieder wankend zu
machen. Aus dem Era-
men wurde nichtü.

Plötzlich war ich zum
begreiflichen Entsetzcn
meiner Angehörigen
aus Düsseldorf ver-
schwunden und tauchte
in München auf."

Nicht vorgesehen
war freilich, daß die
Überanstrengung und
ÜberspannungderNer-
ven den aus einem
Paulus zunc Saulus Aurückverwandelten in einc schwere
Krankheit warfen, die ein chronisches Lungenleiden
zur Folge hatte. Aus dem Malerstudium in München
wurde zunachst nichts. Krankenhaus und Sanato-
rium traten an die Stelle von Atelier und Abcndakt.
Jn Arosa lernte Schüz in der Familie seines Arztes
seine spatere Gattin kennen, die sich ebenfalls der
Malerei widmete.

Erst im Herbste 1905 wurde ein reguläres Studiclm
in Karlsruhe begonnen, wo besonders Schmidt-Reutte
einen machtigen Einfluß auf die jungen Künstler aus-
übtc. Jm Acichnerischen glaubt Schüz ihm alles zu
vcrdankcn, was man einem Lehrer nur verdanken kann.
Damals warf sich Schmidt-Reutte ausschließlich auf
große Aktstudien, die, zeichnerisch bloß in einer Farbe,
mit starker Betonung des architektonischen Gefüges und
bcwußter monumentaler Absicht gemalt waren. Als
Schmidt vorzeitig 1907 gestorben war, hielt es den Adep-
ten nichtlänger in Karlsruhe, und er ging nun das zweite-
mal, diesmal mit der ausgesprochenen Absicht, eine Mal-
schule zu besuchen, nach München. Bei Marr und Löfftz
konnte Schüz wohl im Technischen Fortschritte niachen,
aber auch hier zogen ihn die alten Meister mehr an als
die Aelebritäten des Tages, und es scheint, daß Alte
Pinakothek und Nationalniuseum ihm mehr gaben als
der Unterricht auf der Akademie. Jn München traten
auch gelegentlicb einer retrospektiven Ausstellung fran-

zösischer Kunst zum er-
stenmal Gericault und
Delacroir, von Neue-
ren van Gogh und W-
zanne bestimmend in
den Gesichtskreis des
einstweilen noch im Er-
periment Gefangenen.

Alle diese Anregun-
gen und Studien brach-
ten erst Früchte, als
Schüz sich in den Jah-
ren 1909 bis 1912 aufs
neue in Düsseldorf auf-
hielt. Seine Bilder-
themen entnahm er
dem Kreise der Bibli-
schen Geschichte. Die
Hochzeit zu Kana, das
Abendmahl cmd die
Kreuzigung variierte Schüz damals in einer sehr per-
sönlichen Weise, immer gcneigt zu kleinen Bizarrerien,
auch nach dem Archaologischen hin, in gleißende Farbe
verliebt wie ein Emailleur des Mittelalters. Von
„Düsseldorfer Schule", etwa dem Stile Gebhardts,
dem Lehrer des Bruders Friedrich, findet sich keine
Spur, viel eher glaubt man auch in diesen im Format
nieist bescheidenen Bildtafeln einen Wesensverwandten
der alten Dcutschen wiederzufinden. Außerdem ent-
standen Aeichnungen und Gemalde, in denen die be-
wegte Figur im Mittelpunkt stand: Reigcn und Tanz
haben den Künstler zu Schöpfungen angeregt, die ich
zu seinen glücklichsten zählcn möchte. Hier triumphiert
eine von allem Tappischen bewahrte Sinnlichkeit über
den Grübelsinn des gelegentlich allzu krampfhaft dem
Ekstatischen sich Hingebenden.

Die Radierungen, die nebenher gingen — das Tech-
nische war Schüz schon in Karlsruhe bei W. Conz ver-
traut geworden —, erscheinen mir ausgeglichener als
dic Malereien. Es ergreift das Ergriffensein des inner-
lich religiös empfindenden Menschen auch da, wo ein
strenger Kunstrichter dies und jenes anders gestaltet sehen
möchte. Da aber Hans Schüz die Überraschungen liebt,
wer weiß, ob er nicht eines Tages gerade auf dem Gebiete
der Malerei zu dem großen Schlage ausholt, der alles
Vorhergegangene nur als Muskelprobe, als Erperiment,
als Vorbereitung erkcnncn läßt? Walter Cohen.

Hans Schüz. Tänzerinnen (Radierung).

Hans Schüz.

Flüchtlinge (Radierung).
 
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