Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 29.1919

DOI issue:
Heft 9/10
DOI article:
Müller-Wulckow, Walter: Der Bildhauer Adam Antes
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26487#0204

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kurt Wolff. ??iehr als alle ande-
ren Bildhauer scheint gerade Antes
durch seine seelische Spannung zur
Bewaltigung des Portrats beni-
fen zu sein, tind gerade der Kraft-
natur eines Edschntid muß er sich
geistesverwandt fühlen. Daher ist
dessen Büste das wuchtigste, vvir
innerem Leben geschwellte Werk,
das die jüngere deutsche Kunst
den Köpsen Rodins entgegenstellen
kann. Portrat ist Prüfstein sowohl
für die künstlerische Gestaltturgs-
kraft, wie sür das Können, weil
die Einhaltung der Bildnisahn-
lichkeit bei aller inneren Steige-
rllng tlns die Nachprüfung der
Ehrlichkeit der Leistung ermög-
licht. Und diese beiden sich wider- ^ Antcs ^uth
strebenden Faktoren sind gerade
in diesem Werk soweit getriebcn
als es nur sein kann, ohne sich gegenscitig aufzuheben.
Auch die Aweiseitigkeit alles Seclischen, das Aufnehmen
und Ausstrahlen, Jnsichzurückziehen wie Hingeben,
Schmerz und Hoffnung, Bersagen und Bejahen, die
ganze Differenziertheit dichterischen Seelcnlebens ist
zur Einheit des Charakters aufgebaut.

Ausstrahlend in der Stärke
der cinen Empfindung ist
die „Sehnsucht" eindeutig
überzeugend; mit stärkerer
Achsenkreuzung dtlrchschnei-
det sie den Raum und wird
deshalb auch in der Pho-
tographie unwahrscheinlich
vergröbert.

Eines der liebevollsten
Werke des jungen Bild-
hauers ist der wundervolle
Mädchentorso, in dem sich
Hoetgers stilistische Haltung
mit Lehmbrucks weicherer
Einfühlung vereinigt. Die
Herbheit wird in etwaö
von der süßen Leichtigkeit
des Rokoko überschmolzen.

Jedensalls ist das Skizzen-
hafte des Torso hier durch-

aus nicbt romantiscb - spicleriscb
enipfllnden, weil die Ärbeit völlig
unbefangen aus schöpferischem Jm-
puls hervorgegangen ist.

Antes ist heute ^— Gott be-
hüte ihn vor früher Erstarrung —
noch kein Fertiger. Aber er steht
zum Sprung geballt niit fester
Muskulatur und ausbalanciertem
Schwergewicht. Er wird sich,
ohve Krästeverlust an belanglose
Komponenten, schräg und steil
emporschnellen. Er wird die Re-
sultante sein im Kräfteparallelo-
granmi der Lehmbruck und Hoet-
ger. Das Zartnervige, Schwer-
mütige wird wegschmelzen und
nur jene unüberwindbare Erd-
er, Worms (Sandstein). gebundenheit bleiben, von der aus
die Kraft und die Herrlichkeit des
Geistes auszustrahlen vermag.

Jn der kürzlich vollendeten Figur der „Flehenden
im Gebet" ordnet sich Erdverwurzeltes in kosmische
Ellipsen ein. Der Gcist wird gerade am massiven
Phlegma der Körperschwere erst recht spürbar. Bon
kompakter kegelförmiger Bildung sind die Gliedmaßen,
die Schenkel im Kmegelenk, der Torso in den Hüften

abgesetzt. Jn solchen leichten
Beugungen schwingt alles
Leben, die Bewegungen
schließen sich zusammen und
verlaufen nach innen, zer-
flattern nicht ins Leere. An
die Unendlichkeit rührt die
unsaglich gläubige, Unaus-
sprechliches gelobende Ge-
bärde der Hände. Die
Jnbrunst der zusammcnge-
legten und das Ausstrah-
lende der erhobenen Beter-
haltung der Hände durch-
dringt sich in dieser Geste,
in der sich antike, christliche
und buddhistische Religio-
sitat vereint. Jrdisches
wächst hier zum Himmel
cmpor. f855f>

W. Müller-Wulckow.

Adam Antes.

Luther.
 
Annotationen