Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 29.1919

DOI issue:
Heft 11/12
DOI article:
Schürmeyer, Walter: Christian Rohlfs
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26487#0235

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Chrmüui Rohlfs.

Haus Fromme in Soest.

Knaben für zehn Jahre ans Bett gefesselt hatte. Aehn
Jahre der Krankheit, in denJahrcn, die die sorglosesten
zu sein pflegen, in denen aber auch der Grundstein der
geistigen Entwicklung gelcgt wird, mustten stark auf das
Kindergemüt wirken, und es bedurfte nur noch des Au-
falls, daß ein Arzt ihm zur Kurzwcil einen Farbenkasten
ans Krankenbett brachte, um Rohlfs einem Berufe zu-
zuführen, der dem Milieu, dem er entstamnite, fern ge-
nug lag, um ihn bei cincr normalen Entwicklung nicmals
zu finden.

Als er Kas Krankenlager verlassen konnte, nahm sich
Theodor Storm des jungen Landsmannes an und brachte
ihn zu Ludwig Pietsch nach Berlin, der ihm nach Weimar
zu gehen riet. Dort kam er mit Struys und Linnig
zusammen, denen er viel verdankte. Aber nur kurze Aeit
ging ein frischerer Aug durch das Kunstleben von Weimar,
das von diesen beiden aus Belgien zugereisten Künstlern
so viele Anregungen empfangen hatte. Als sie Weimar
vcrliesten, verbreitete sich wieder die dumpfe Akadenne-
luft, die jede freie Entwicklung erstickte. Rohlfs aber
hatte sich inzwischen bereits so selbstandig entwickelt,
daß er den maßgebenden Kreisen von Weimar miß-
liebig wurde. Er paßte sich dem offiziellen und anerkann-
ten Geschmack nicht an,und das genügte,um ihn von allen
Möglichkciten, niit der breiteren Öffentlichkeit Fühlung
zu bekommen, auszuschließen. Es waren lange, bittere
Jahre der Not und des Elends, die Rohlfs in Weimar
durchlebte und in die erst ein Lichtstrahl kam, als Ende

der neunziger Jahre Or. Linde in Lübeck, der auch Munchs
Bedeutung frühzeitig erkannte, auf ihn aufmerksani
wurde. Jtztzt vergrößerte sich langsam der Kreis seiner
Freunde und Gönner, zu dem vor allen Henri van de
Velde gehörte.

Eine dauernde Besserung seiner Lage aber trat erst
ein, als K. E. Osthaus, der feinfühlige Kenner werdender
Kunst, ihn 1901 zum Leiter der von ihm gegründeten
Malschule des Folkwang-Museums nach Hagen berief.
Seit diesem Jahre darf der Name von Rohlfs nicht
genannt werden, ohne seines Förderers und stets ver-
stehenden Freundes Osthaus zu gedenken, der es ihm
ermöglicht hat, unbeirrt seinen Weg zu gehen. Auch
von offizieller Seite wurde Rohlfs eine Anerkennung
zuteil, indem ihm 1903 der Großherzog von Weimar
den Professortitel verlieh. Ein kleiner Ausgleich für die
vielcn schmerzlichen Erinnerungen an die Leidensjahre
in diescr Stadt.

Wenn man nach einem durchgehendcn Iug in dem
Werk dieses siebzigjährigcn Malers sucht, der so viele
Wandlnngen durchmachte, so ist das seine unerschöpf-
liche Jugendlichkeit. Niemals hatRohlfs in seinem Leben
einen Stillstand gekannt. Sein Werk ist ein stctes Ent-
wickeln. Jn der Blüte seiner Jahre war er einer der
stärksten und mutigsten Gestalter impressionistischer Bilder.
Aus eincr grauen Tonmalerei befreite ihn die Bekannt-
schaft mit Monets hellfarbigen Landschaften. Aber nur
für kurze Aeit. Dann interessierte ihn der Pointillis-

2l?
 
Annotationen