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Ruskin, John
Ausgewählte Werke in vollständiger Übersetzung (Band 8): Steine von Venedig (Teil 1) — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.3793#0110
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DIE SÄULE

§ 1. Wir haben im letzten Kapitel gesehen, wie wir bei
der Umwandlung der Wand in den quadratischen oder cylin-
drischen Schaft bei jeder Veränderung der Form ein gewisses
Quantum des Materials aufgaben. Im Verhältnis zu dem
auf diese Weise aufgegebenen Quantum tritt die Notwendig-
keit ein, dass das, was wir zurückbehalten von guter Art
und wohl zusammengesetzt sei, da jetzt alles davon abhängt.

Klar ist auch, dass das beste Material und die festeste
Konzentration in natürlich krystallinischen Felsen zu finden
ist, und da wir unsere Wand in die Form von Säulen
verwandelt haben, können wir uns dieses besseren Materials
bedienen und cementierte Backsteine gegen krystallisierte
Steinblöcke vertauschen. Der gewöhnliche Begriff eines
vollkommenen Säulenschaftes ist daher der eines einzelnen
Steines, der zu mehr oder weniger länglicher und cylin-
drischer Form behauen ist. Unter dieser Form oder wenig-
stens unter der roheren eines langen, aufrecht gestellten
Steins scheint die Auffassung von echten Säulenschaften
zuerst dem menschlichen Geiste aufgegangen zu sein; denn
der Leser muss sich sorgfältig und ein für allemal merken,
dass die am vernünftigsten erscheinende Aufeinanderfolge
von architektonischen Formen durchaus nicht die wahr-
scheinlichste bei ihrer Erfindung gewesen zu sein braucht.
Ich habe theoretisch Säulen von Wänden abgeleitet, aber
in baulicher Praxis wurden Säulen niemals so begründet.
Der Mann, der zuerst ein Strohdach mit Pfählen stützte,
war der Entdecker ihres Prinzips; und der, welcher zuerst
 
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