Foister und ihren Kollegen vorgestellt." Susan Foister selbst hat zeit-
gleich mit der Drucklegung dieses Buches ihre seit langem erwartete
Untersuchung über Holbein und seine englischen Auftraggeber vorge-
legt, so daß ihre Ergebnisse hier nur insoweit berücksichtigt werden
konnten, wie sie bereits in der maschinenschriftlichen Fassung ihrer
Doktorarbeit von 1981 enthalten waren.12
Ist also der »englische« Holbein, und das heißt mit Blick auf sein tafel-
malerisches Schaffen, der »englische« Porträtmaler Holbein, in den letz-
ten Jahren gründlich aufgearbeitet worden, so kann davon mit Blick auf
den »Baseler« Tafelmaler keine Rede sein. Zwar befindet sich dank der
Sammeltätigkeit, die Bonifacius und Basilius Amerbach bereits im
16. Jahrhundert entfalteten, die weltweit größte Gruppe von Gemälden
Hans Holbeins d. J. bis heute in Basel. Doch systematische gemäldetech-
nologische Untersuchungen sind an den dortigen Gemälden, die alle-
samt aus der Zeit vor der endgültigen Übersiedlung des Künstlers nach
London im Jahre 1532 stammen,13 in den letzten Jahrzehnten nicht
durchgeführt bzw. nicht publiziert worden; punktuelle Sondierungen,
wie jene an Abendmahl und Geißelung aus der sogenannten »Leinwand-
Passion«, die Christian Müller kürzlich veröffentlicht hat,14 lassen diesen
Mangel nur um so deutlicher hervortreten. Die Ergebnisse der jüngst
durchgeführten Untersuchung von Holbeins Flügelbildern der Baseler
Münsterorgel sind bis zum Abschluß der Restaurierung auch des zweiten
Flügels nur in knapper Form auf der Internetseite der Öffentlichen
Kunstsammlung abrufbar, die aus Anlaß der Ausstellung der beiden Bil-
der - nach Restaurierung des ersten Flügels - im Herbst 2001 eingerich-
tet worden ist.1"1
Die Defizite der kunsthistorischen Forschung zum »Baseler« Holbein
wurden schlaglichtartig auf dem im Juli 1997 im Kunstmuseum Basel
abgehaltenen Symposium deutlich, dessen Vortragsthemen sich vor
allem der ersten Hälfte der Schaffenszeit des Künstlers widmeten. Exem-
plarisch seien zwei Beiträge herausgegriffen. So konnte Bernd W. Lin-
demann dank der erstmaligen Untersuchung auch der Rückseiten der
Baseler »Passionsflügel« nicht nur deren ursprünglichen, bislang unbe-
kannten Werkzusammenhang rekonstruieren, er konnte darüber hinaus
den originalen Aufstellungsort, die Stifterin und die Stiftungsumstände
bestimmen: Die »Passionsflügel« gehörten zu einem ansonsten verlore-
nen Schnitzaltar, den die reiche Baseler Patrizierin Maria Zscheckenbür-
lin für den Altar neben ihrer Grablege im Münsterkreuzgang gestiftet
hatte. Die über Jahrhunderte bis heute fortgesponnene Mär, Holbein
habe die Passionstafeln für einen ursprünglich im Baseler Rathaus aufge-
stellten Altar gemalt (mit den Passionsszenen als Dekor der Innenflügel
eines Triptychons, dessen Mittelstück die Baseler Abendmahlstafel, des-
sen Predella gar der Tote Christus im Grabe gebildet haben sollte), war
damit erledigt16. Ähnlich weitreichende Schlußfolgerungen konnte
Daniel Hess aus seinen Beobachtungen an dem auf stilistischer Grund-
lage traditionell um 1521/22 datierten »Oberried-Altar«, heute im Frei-
burger Münster, ziehen: Anders als seit Mitte des 19. Jahrhunderts fest
angenommen, sind die Darstellungen der Stifterfamilie nicht von ande-
rer Hand - hier hatte man seit den 1920er Jahren durchwegs die Mitar-
beit des älteren Hans Holbein vermutet - und keineswegs teilweise erst
nachträglich den beiden Flügeln aufgemalt worden, sondern in einem
Zuge mit der Malerei der biblischen Szenen entstanden. Mit Blick auf die
dargestellten Kinder und Enkel des Stifters Hans Oberried ergibt sich so
ein frühestmögliches Entstehungsdatum von 1525/26, was eine Mitwir-
kung des bereits 1524 gestorbenen Vaters Holbein definitiv ausschließt.17
Beide Fallbeispiele - die »Passionsflügel« und der »Oberried-Altar« -
zeigen auf exemplarische Weise die auffällige, bis in jüngste Zeit befolgte
Zurückhaltung der Holbein-Forschung, sich im Falle der Gemälde aus
den Baseler Jahren mit dem Einzelwerk, seinen materiellen Gegebenhei-
ten und seiner künstlerischen Entstehungsgeschichte eingehender aus-
einanderzusetzen. Es spricht für sich, daß die erste Beschreibung und die
erste Photographie der Rückseiten der Baseler »Passionsflügel« im Jahre
1998 (sie!) publiziert wurden, während die erste maltechnische Untersu-
chung des »Oberried-Altars« zur Klärung der Frage, ob die Stifterfiguren
überhaupt nachträglich auf die Malschicht aufgesetzt worden sein kön-
nen, nur ein Jahr zuvor, 1997, durchgeführt worden war. Beide Fälle
demonstrieren zugleich eindrucksvoll, auf welch unsicherem Boden sich
die Forschung selbst bei solch prominenten Werken der »Baseler Jahre«
bewegt, von Holbeins Frühwerk ganz zu schweigen. Pointiert gesagt, steht
uns Hans Holbein d. J. nicht nur als »unknown man« gegenüber, sondern
wir sind auch, zumindest was seine Baseler Jahre angeht, mit einem nur
sehr unzureichend bekannten tafelmalerischen Werk konfrontiert.
Dabei ist gerade die erste Hälfte der künstlerischen Schaffenszeit Hol-
beins, die mit seiner endgültigen Übersiedlung nach England im Jahre
1532 zu Ende ging, besonders interessant: Sie umfaßt nicht nur Werke
höchst unterschiedlicher Funktion und Darstellungstradition, sie
schließt auch die künstlerischen Anfänge und, mit den 1520er Jahren, die
Phase der größten stilistischen Wandlungsfähigkeit des Malers ein. In der
Holbein-Literatur hat dieser Umstand nur bedingt Niederschlag gefun-
den, so daß Katharina Krause noch im Jahre 1999 in ihrem Resume
jüngerer Publikationen zu Recht auf das »statische Bild« aufmerksam
machen konnte, das sich die Forschung vom Tafelmaler Hans Holbein
gemacht hat, »... der für alles, jeden Pinselstrich, in seinem seltsam fixen
GSuvre zuständig« gewesen sein soll.18 Dabei ist allein die stilistische Viel-
falt ebenso beeindruckend wie verwirrend, die dieses »seltsam fixe
CEuvre« kennzeichnet: vom Schulmeisterschild (1515) und dem Meyer-
Kannengießer-Doppelbildnis (1516) über das Amerbach-Porträt (1519),
den Toten Christus im Grabe (1521), die »Solothurner Madonna«
(1522), die Erasmus-Bildnisse (1523) bis zu Venus und Amor sowie »Lais
Corinthiaca« (letztere 1526), der »Darmstädter Madonna« (1526/28)
und dem »Familienbild« (1528/29), von den sogenannten Frühwerken
sowie den undatierten »Passionsflügeln«, den »Oberried«- oder den
Orgelflügeln ganz zu schweigen.
So hat sich die Forschung auch entsprechend schwergetan, das vor
1532 entstandene Werk ordnend zu verstehen. Die uns heute geläufige
Vorstellung von Holbeins Baseler Tätigkeit als Tafelmaler ist das Ergeb-
nis einer Jahrzehnte, zum Teil sogar Jahrhunderte währenden kunstkriti-
schen bzw. kunsthistorischen Arbeit. Diese Feststellung mag zunächst
wie eine Binsenweisheit anmuten, die für die Historiographie jedes
bedeutenden Künstlers zutrifft. Doch im Falle Hans Holbeins haben die
unterschiedlichen »Holbein-Bilder«, die im Laufe der Zeit im Bemühen
um ein besseres Verständnis des Künstlers und seines Werkes konstruiert
worden sind, ein zum Teil erstaunliches Eigenleben entwickelt und
dadurch den Blick auf Holbeins CEuvre, vor allem aber auf die einzelnen
Werke, mitunter erschwert, wenn nicht regelrecht verstellt. Die Absicht
der vorliegenden Untersuchung ist es daher zunächst, die unterschied-
lichen Prämissen, unter denen der »Baseler« Holbein bis heute betrach-
tet wird, kritisch zu hinterfragen. Den problemorientierten Einstieg in
den Fragenkomplex um Hans Holbein d. J. als Tafelmaler in Basel liefert
eine auf die »harten« archivalischen Fakten reduzierte Biographie des
10 Einleitung
gleich mit der Drucklegung dieses Buches ihre seit langem erwartete
Untersuchung über Holbein und seine englischen Auftraggeber vorge-
legt, so daß ihre Ergebnisse hier nur insoweit berücksichtigt werden
konnten, wie sie bereits in der maschinenschriftlichen Fassung ihrer
Doktorarbeit von 1981 enthalten waren.12
Ist also der »englische« Holbein, und das heißt mit Blick auf sein tafel-
malerisches Schaffen, der »englische« Porträtmaler Holbein, in den letz-
ten Jahren gründlich aufgearbeitet worden, so kann davon mit Blick auf
den »Baseler« Tafelmaler keine Rede sein. Zwar befindet sich dank der
Sammeltätigkeit, die Bonifacius und Basilius Amerbach bereits im
16. Jahrhundert entfalteten, die weltweit größte Gruppe von Gemälden
Hans Holbeins d. J. bis heute in Basel. Doch systematische gemäldetech-
nologische Untersuchungen sind an den dortigen Gemälden, die alle-
samt aus der Zeit vor der endgültigen Übersiedlung des Künstlers nach
London im Jahre 1532 stammen,13 in den letzten Jahrzehnten nicht
durchgeführt bzw. nicht publiziert worden; punktuelle Sondierungen,
wie jene an Abendmahl und Geißelung aus der sogenannten »Leinwand-
Passion«, die Christian Müller kürzlich veröffentlicht hat,14 lassen diesen
Mangel nur um so deutlicher hervortreten. Die Ergebnisse der jüngst
durchgeführten Untersuchung von Holbeins Flügelbildern der Baseler
Münsterorgel sind bis zum Abschluß der Restaurierung auch des zweiten
Flügels nur in knapper Form auf der Internetseite der Öffentlichen
Kunstsammlung abrufbar, die aus Anlaß der Ausstellung der beiden Bil-
der - nach Restaurierung des ersten Flügels - im Herbst 2001 eingerich-
tet worden ist.1"1
Die Defizite der kunsthistorischen Forschung zum »Baseler« Holbein
wurden schlaglichtartig auf dem im Juli 1997 im Kunstmuseum Basel
abgehaltenen Symposium deutlich, dessen Vortragsthemen sich vor
allem der ersten Hälfte der Schaffenszeit des Künstlers widmeten. Exem-
plarisch seien zwei Beiträge herausgegriffen. So konnte Bernd W. Lin-
demann dank der erstmaligen Untersuchung auch der Rückseiten der
Baseler »Passionsflügel« nicht nur deren ursprünglichen, bislang unbe-
kannten Werkzusammenhang rekonstruieren, er konnte darüber hinaus
den originalen Aufstellungsort, die Stifterin und die Stiftungsumstände
bestimmen: Die »Passionsflügel« gehörten zu einem ansonsten verlore-
nen Schnitzaltar, den die reiche Baseler Patrizierin Maria Zscheckenbür-
lin für den Altar neben ihrer Grablege im Münsterkreuzgang gestiftet
hatte. Die über Jahrhunderte bis heute fortgesponnene Mär, Holbein
habe die Passionstafeln für einen ursprünglich im Baseler Rathaus aufge-
stellten Altar gemalt (mit den Passionsszenen als Dekor der Innenflügel
eines Triptychons, dessen Mittelstück die Baseler Abendmahlstafel, des-
sen Predella gar der Tote Christus im Grabe gebildet haben sollte), war
damit erledigt16. Ähnlich weitreichende Schlußfolgerungen konnte
Daniel Hess aus seinen Beobachtungen an dem auf stilistischer Grund-
lage traditionell um 1521/22 datierten »Oberried-Altar«, heute im Frei-
burger Münster, ziehen: Anders als seit Mitte des 19. Jahrhunderts fest
angenommen, sind die Darstellungen der Stifterfamilie nicht von ande-
rer Hand - hier hatte man seit den 1920er Jahren durchwegs die Mitar-
beit des älteren Hans Holbein vermutet - und keineswegs teilweise erst
nachträglich den beiden Flügeln aufgemalt worden, sondern in einem
Zuge mit der Malerei der biblischen Szenen entstanden. Mit Blick auf die
dargestellten Kinder und Enkel des Stifters Hans Oberried ergibt sich so
ein frühestmögliches Entstehungsdatum von 1525/26, was eine Mitwir-
kung des bereits 1524 gestorbenen Vaters Holbein definitiv ausschließt.17
Beide Fallbeispiele - die »Passionsflügel« und der »Oberried-Altar« -
zeigen auf exemplarische Weise die auffällige, bis in jüngste Zeit befolgte
Zurückhaltung der Holbein-Forschung, sich im Falle der Gemälde aus
den Baseler Jahren mit dem Einzelwerk, seinen materiellen Gegebenhei-
ten und seiner künstlerischen Entstehungsgeschichte eingehender aus-
einanderzusetzen. Es spricht für sich, daß die erste Beschreibung und die
erste Photographie der Rückseiten der Baseler »Passionsflügel« im Jahre
1998 (sie!) publiziert wurden, während die erste maltechnische Untersu-
chung des »Oberried-Altars« zur Klärung der Frage, ob die Stifterfiguren
überhaupt nachträglich auf die Malschicht aufgesetzt worden sein kön-
nen, nur ein Jahr zuvor, 1997, durchgeführt worden war. Beide Fälle
demonstrieren zugleich eindrucksvoll, auf welch unsicherem Boden sich
die Forschung selbst bei solch prominenten Werken der »Baseler Jahre«
bewegt, von Holbeins Frühwerk ganz zu schweigen. Pointiert gesagt, steht
uns Hans Holbein d. J. nicht nur als »unknown man« gegenüber, sondern
wir sind auch, zumindest was seine Baseler Jahre angeht, mit einem nur
sehr unzureichend bekannten tafelmalerischen Werk konfrontiert.
Dabei ist gerade die erste Hälfte der künstlerischen Schaffenszeit Hol-
beins, die mit seiner endgültigen Übersiedlung nach England im Jahre
1532 zu Ende ging, besonders interessant: Sie umfaßt nicht nur Werke
höchst unterschiedlicher Funktion und Darstellungstradition, sie
schließt auch die künstlerischen Anfänge und, mit den 1520er Jahren, die
Phase der größten stilistischen Wandlungsfähigkeit des Malers ein. In der
Holbein-Literatur hat dieser Umstand nur bedingt Niederschlag gefun-
den, so daß Katharina Krause noch im Jahre 1999 in ihrem Resume
jüngerer Publikationen zu Recht auf das »statische Bild« aufmerksam
machen konnte, das sich die Forschung vom Tafelmaler Hans Holbein
gemacht hat, »... der für alles, jeden Pinselstrich, in seinem seltsam fixen
GSuvre zuständig« gewesen sein soll.18 Dabei ist allein die stilistische Viel-
falt ebenso beeindruckend wie verwirrend, die dieses »seltsam fixe
CEuvre« kennzeichnet: vom Schulmeisterschild (1515) und dem Meyer-
Kannengießer-Doppelbildnis (1516) über das Amerbach-Porträt (1519),
den Toten Christus im Grabe (1521), die »Solothurner Madonna«
(1522), die Erasmus-Bildnisse (1523) bis zu Venus und Amor sowie »Lais
Corinthiaca« (letztere 1526), der »Darmstädter Madonna« (1526/28)
und dem »Familienbild« (1528/29), von den sogenannten Frühwerken
sowie den undatierten »Passionsflügeln«, den »Oberried«- oder den
Orgelflügeln ganz zu schweigen.
So hat sich die Forschung auch entsprechend schwergetan, das vor
1532 entstandene Werk ordnend zu verstehen. Die uns heute geläufige
Vorstellung von Holbeins Baseler Tätigkeit als Tafelmaler ist das Ergeb-
nis einer Jahrzehnte, zum Teil sogar Jahrhunderte währenden kunstkriti-
schen bzw. kunsthistorischen Arbeit. Diese Feststellung mag zunächst
wie eine Binsenweisheit anmuten, die für die Historiographie jedes
bedeutenden Künstlers zutrifft. Doch im Falle Hans Holbeins haben die
unterschiedlichen »Holbein-Bilder«, die im Laufe der Zeit im Bemühen
um ein besseres Verständnis des Künstlers und seines Werkes konstruiert
worden sind, ein zum Teil erstaunliches Eigenleben entwickelt und
dadurch den Blick auf Holbeins CEuvre, vor allem aber auf die einzelnen
Werke, mitunter erschwert, wenn nicht regelrecht verstellt. Die Absicht
der vorliegenden Untersuchung ist es daher zunächst, die unterschied-
lichen Prämissen, unter denen der »Baseler« Holbein bis heute betrach-
tet wird, kritisch zu hinterfragen. Den problemorientierten Einstieg in
den Fragenkomplex um Hans Holbein d. J. als Tafelmaler in Basel liefert
eine auf die »harten« archivalischen Fakten reduzierte Biographie des
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