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Sander, Jochen; Holbein, Hans
Hans Holbein d. J.: Tafelmaler in Basel ; 1515 - 1532 — München, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.19342#0317

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Holbein in Basel, 1528-32.

Maler in Zeiten des Bildersturms und der Reformation

Vermutlich um die Jahresmitte 1528 kehrte Hans Holbein aus London
nach Basel zurück.1 Hatten die Künste dort schon bei seiner Abreise 1526
»gefroren«, wie Erasmus am 29. August 1526 seinem Freund und Huma-
nistenkollegen Pieter Gillis in Antwerpen zu berichtet wußte,2 so sollte
unmittelbar nach Holbeins Rückkehr zumindest die altkirchliche Kunst
den Kältetod sterben, setzte sich in Basel doch die Reformation durch.
Bereits am 10. April 1528, an Karfreitag, war es zur gewaltsamen Beseiti-
gung der Bilder zu St. Martin und in der Augustinerkirche gekommen,
die fünf Tage später vom Baseler Rat sanktioniert wurde. Zugleich erging
der Ratsbeschluß, auch in St. Leonhard, in der Barfüßer- und der Spital-
kirche die Bilder zu beseitigen, wobei vorläufig der Hochchor und die
Seitenkapellen der Leonhards- sowie der Barfüßerkirche dem katholi-
schen Kult vorbehalten und die Bilder dort unangetastet blieben. Doch
bedeutete dies lediglich eine kurze Atempause, bevor am 9./10. Februar
1529, zur Fastnacht, der Bildersturm über ganz Großbasel hinwegging.
Von der Volksmenge im Rathaus bedrängt, traten die katholischen Rats-
herren von ihren Ämtern zurück. Der verbleibende Rat, nunmehr refor-
matorisch gesonnen, beschloß daraufhin, alle Bilder im Baseler Herr-
schaftsgebiet beseitigen zu lassen, ja, die Herstellung neuer religiöser
Bildwerke unter Strafe zu stellen. So konnte sich auch Kleinbasel nicht
länger dem »Götzenkrieg« entziehen - am 15. Februar wurden auch hier
die Bilder in den Kirchen und Klöstern beseitigt.3

Entsetzt schilderten Ende Februar 1529 die in Basel verbliebenen Mit-
glieder des Münsterkapitels in einem Brief an ihre sich in Ensisheim im
Elsaß aufhaltenden Kollegen die Ereignisse:

»Wir tragen kein zweyfel, ir seyen nun mehr gnugsam und überflüssig
bericht, wie auff newnden tag yezigen monats februarii und seither für
und für die gemeind der statt Basel sich empört, die thumbkirchen unn-
ser heben frawen Munster erstlich, darnach auch alle anndere pfarkir-
chen, stifften, Capellen erschreckenlich und erbermbklich zerrissen, die
inwendigen gezierd, althär, chör und annders darnider geschlagen, ver-
wüstet und ganntz zu unwurden bracht, also das die selbigen kirchen und
Capellen sich basz sommerhusern oder stellen dann kirchen nunmehr
verglichen, des auch nit gesettiget, sonnder alle crucifix, bildtnussen got-
tes, der kunigklichen muter Marie, aller lieben heiligen grausamlich auff
den Munster- und Kornmarcktplatz mitt grossem gespoett, geschrey und
Verachtung gezogen, offenlich verbranndt, also das unchristenlicher dar-
mitt kum hett können noch mugen gehanndelt werden.. .«4

Die Kanoniker des Domstifts kehrten nach dem Bildersturm und der
Einführung der Reformation Basel dauerhaft den Rücken, ebenso zahl-
reiche Altgläubige, darunter auch Auftraggeber Hans Holbeins wie Eras-
mus von Rotterdam und Hans Oberried d.Ä., die sich beide in Freiburg
im Breisgau niederließen.

Holbein mag selbst Zeuge der Zerstörung einer Anzahl von religiösen
Werken geworden sein, die er (oder seine Werkstatt) zuvor für Baseler
Auftraggeber in die dortigen Kirchen geliefert hatte. Nur Weniges ent-
ging, häufig fragmentiert und verstümmelt, dem Furor der Bilderstür-
mer - so die »Passionsflügel« (Tafel 42) vom Altar der Maria Zschecken-
bürlin im Münsterkreuzgang, wobei allerdings nicht nur die Flachreliefs

auf den ehemaligen Innenseiten der Flügel, sondern auch der eigentliche
Altarschrein mit seinen Figuren verlorenging,3 so die Flügelbilder des
»Oberried-Altars« (Tafel 36-37), der vermutlich in der Kartause in
Kleinbasel aufgestellt war, sofern er nicht noch halbfertig in der Künst-
lerwerkstatt stand,6 so die verstümmelte Abendmahlstafel (Tafel 57),
deren ursprünglicher Aufstellungsort unbekannt ist.' Wie Holbein zu
den religiösen Forderungen der Reformation im Einzelnen stand, ist
unbekannt; zumindest werden ihm aber die wirtschaftlichen Konse-
quenzen bewußt gewesen sein, die mit dem Untergang der katholischen
Bilderfrömmigkeit auch für die Künstler verbunden waren.8 In der Ver-
gangenheit hatte er gleichermaßen für katholische wie der Reformation
zuneigende Auftraggeber gearbeitet, hatte er Illustrationen für altgläu-
bige Bibelausgaben und lutherische Pamphlete geliefert.9 Der einzige
Hinweis auf Holbeins religiöse Präferenzen ist seine mangelnde Bereit-
schaft, am reformierten Abendmahl teilzunehmen, was ihm am 26. April
1530 eine Vorladung vor die Bannerherren eintrug. Seine genauen
Beweggründe sind seiner von der Baseler Obrigkeit akzeptierten Recht-
fertigung, er wolle, bevor er zum Abendmahl ginge, dieses besser erklärt
bekommen, indes nicht zu entnehmen.10 Spätestens seit 1536 stand Hol-
bein dann als Hofmaler Heinrichs VIII. im Dienst eines Fürsten, der
Katholiken, die sich offen gegen die königliche Religionspolitik wandten,
hinrichten ließ.11

Bei seiner Rückkehr aus England 1528 hatte Hans Holbein seine Frau
und Kinder in Basel wohlbehalten angetroffen. Am 29. August 1528
erwarb er für sich und seine Familie ein Haus in der Groß-Baseler
St. lohannis-Vorstadt, das 300 Gulden kostete - vermutlich investierte
Holbein hier seine englischen Einnahmen.12 Ähnlich verfuhr er drei
Jahre später, als er für 70 Gulden ein Nachbarhaus hinzukaufte: Zwischen
Mittsommer 1530 und Mittsommer 1531 hatte ihm der Baseler Rat für
die Bemalung der in der ersten Kampagne 1521/22 noch undekoriert
gebliebenen dritten Wand des Großratssaals 72 Gulden gezahlt.13 Hatten
klassische Tugendexempel in der Tradition mittelalterlicher »Gerechtig-
keitsbilder« die Ausmalung der frühen 1520er Jahre dominiert, so traten
nun nach dem Sieg der Reformation Szenen aus dem Alten Testament an
deren Seite, um die Ratsherren zu Mäßigung und Gottesfurcht bei ihren
Entscheidungen anzuhalten: Rehabeams Übermut und Samuel flucht
Saul (Abb. 6-7, 96).14

Der vorübergehenden Zweifel an seiner religiösen »Zuverlässigkeit«
ungeachtet, erfreute sich Holbein des ungebrochenen Wohlwollens der
Baseler Stadtregierung, gleichgültig in welcher Zusammensetzung: Zu
Anfang der 1520er Jahre, als der erste Auftrag für die Ausmalung des
Ratssaals erfolgte, die dem jungen Künstler immerhin 120 Gulden ein-
brachte, war noch Jacob Meyer zum Hasen Bürgermeister gewesen. Doch
auch dessen Nachfolger versuchte im Jahre 1526 offensichtlich, Holbein
durch die finanzielle Unterstützung der Stadt zur raschen Rückkehr aus
England zu veranlassen - mit immerhin 14 Pfund, 5 Schilling (ein Pfund,
10 Schilling auf einen Gulden gerechnet) wurde während der Abwesen-
heit des Künstlers für eineinhalb Jahre die Versorgung eines Holbein-
Kindes, vermutlich seiner Tochter Katharina, durch eine Amme über-
nommen.13 Der neue, der Reformation anhängende Rat erteilte dann

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