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Sander, Jochen; Holbein, Hans
Hans Holbein d. J.: Tafelmaler in Basel ; 1515 - 1532 — München, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.19342#0068

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Vater und Bruder:

Vorbilder, Mitarbeiter, Konkurrenten?

Versucht man, den »frühen« Hans Holbein zu fassen, geraten zwangsläu-
fig auch sein Vater und sein älterer Bruder Ambrosius in den Blick. Ange-
sichts einer problematischen Überlieferungssituation wurde die Inter-
pretation der Verhältnisse, in denen sie zum jungen Hans gestanden
haben, zu einem weiteren Ausgangspunkt für zählebige Holbein-
»Mythen«.

Unser Künstler traf - etwa 17jährig - vermutlich im Lauf des Jahres
1515 in Basel ein.1 Den Gepflogenheiten der Künstlerausbildung jener
Zeit folgend, befand er sich auf der Wanderschaft. Nach dem erfolgrei-
chen Abschluß der Lehrzeit wollte er seine Ausbildung nun als Geselle in
auswärtigen Künstlerwerkstätten vervollkommnen, um schließlich in
der Zunft seiner Vaterstadt oder auswärts die selbständige Meisterschaft
zu erlangen. Der jüngere Hans kann nicht als »unbeschriebenes Blatt«
nach Basel gekommen sein, sondern dürfte in Augsburg zuvor eine solide
künstlerische Ausbildung absolviert haben.

Fragt man also nach seinen frühesten Werken - seien sie in Basel oder
schon zuvor entstanden -, so wirft dies zugleich die Frage nach den
künstlerischen Erfahrungen auf, die er noch in Augsburg gewonnen
haben muß. Da kein anderer Lehrherr überliefert ist, werden wir zwangs-
läufig auf Person und Werk des Vaters, Hans Holbein d. Ä., verwiesen.2
Doch nicht nur angesichts von Hans' umstrittenen künstlerischen
Anfängen stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zu seinem Vater; die
Forschung hat auch bei einer Reihe von späteren Gemälden des Sohnes
die Mitarbeit des Vaters vermutet, so daß man sich mehrfach mit dem
Problem einer möglichen Händescheidung konfrontiert sieht. Da das
Todesjahr des älteren Holbein, 1524, urkundlich gesichert ist, würde der
sichere Nachweis seiner Mitarbeit bei einem undatierten Werk seines
Sohnes natürlich einen willkommenen terminus ante quem für dessen
Ausführung liefern.

Für die frühen Baseler Jahre des jüngeren Hans steht ferner die Mög-
lichkeit einer Zusammenarbeit mit seinem älteren Bruder Ambrosius zur
Diskussion, der allerdings nach dem Jahre 1519 nicht mehr faßbar ist.3
Ob Ambrosius in diesem Jahr starb oder an einen Ort fortzog, an dem er
keine für uns erkennbaren urkundlichen oder künstlerischen Spuren
hinterließ, ist ungewiß.

Die Augsburger Holbein-Werkstatt bis 1514

Person und Werk Hans Holbeins d. Ä., den schon Joachim von Sandrart
in seiner 1675 erschienenen »Teutschen Academie« würdigte,4 ist im
Laufe der letzten zwei Jahrhunderte erst allmählich aus dem Schatten
seines großen Sohnes herausgetreten. Hatte Alfred Woltmann in der
ersten Ausgabe seiner Holbein-Monographie von 1866 noch fast alle
nach dem Jahr 1510 in der Augsburger Holbein-Werkstatt entstandenen
Gemälde und Zeichnungen dem genialen Sohn zugewiesen, so mußte er
bereits in der zweiten Auflage seines Buches von 1874 diese Meinung
zumindest teilweise revidieren.3 Seither hat sich die Emanzipation des
Vaters vom Sohn oder, anders ausgedrückt, die Anreicherung des väter-
lichen CEuvres durch die Ausdünnung der dem Sohn zugeschriebenen

Werkgruppe fortgesetzt. Doch insbesondere in der Zeit von etwa 1515 bis
zum Tod Hans Holbeins d. Ä. im Jahre 1524 steht die Forschung bei dem
Versuch der Rekonstruktion seines Lebensweges vor ebenso großen Pro-
blemen wie bei der Suche nach sicher mit dem älteren Holbein zu ver-
bindenden Werken.6 Dieser Umstand erhält durch die schon erwähnte
Annahme einer wiederholten Zusammenarbeit von Vater und Sohn in
genau diesem Zeitraum besondere Brisanz.

Über die künstlerischen Anfänge des gegen 1465 in Augsburg gebore-
nen älteren Hans Holbein ist nichts Näheres bekannt; während seiner
Wanderjahre wird er zumindest bis Köln, vermutlich aber bis in die
Niederlande gekommen sein.' Das erste erhaltene, datierte und signierte
Werk, die Flügel des Afra-Altars von 1490, heute zwischen dem Baseler
Kunstmuseum und der Bischöflichen Hauskapelle in Eichstätt aufgeteilt,
entstand wahrscheinlich in Augsburg für das dortige Reichskloster

26 Hans Holbein d.Ä., Selbstbildnis mit den Söhnen Ambrosius und Hans, Ausschnitt aus
der Basilika-Tafel San Paolo fuori le mura, Augsburg, Staatsgalerie

64 »Holbein-Bilder«. Entstehung und Kritik
 
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