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Sander, Jochen; Holbein, Hans
Hans Holbein d. J.: Tafelmaler in Basel ; 1515 - 1532 — München, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.19342#0069

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St. Ulrich und Afra.8 Im Jahre 1493 begegnen wir »Hannsen Holbain
dem maier« vorübergehend in Ulm,9 wo er gemeinsam mit dem Bild-
hauer Michel Erhart (zwischen 1469 und 1522 in Ulm tätig) einen
Marienaltar schuf. Von diesem vielleicht für die Benediktinerabtei Wein-
garten bestimmten Altarwerk haben sich nur Holbeins Flügelbilder,
heute im Augsburger Dom, erhalten.10 Spätestens im darauf folgenden
Jahr kehrte Holbein nach Ausweis der Steuerakten nach Augsburg
zurück, wo er sich familiär und beruflich endgültig etabliert zu haben
scheint: Im Jahre 1494 oder 1495 wurde der erste Sohn, Ambrosius, ver-
mutlich Ende 1497" der zweite Sohn, Hans, geboren. Im Frühsommer
1496 erwarb der Künstler ein Haus am Vorderen Lech, im gleichen Jahr
vermelden die Zunftakten die Annahme eines Lehrlings, Stephan Kriech-
baum (tätig zwischen 1495 und 1525) aus Passau.12 Bereits 1497 beschäf-
tigte er »zwei Knechte«, vielleicht seinen jüngeren Bruder Sigmund (1460
oder 1469-1540) und den Augsburger Leonhard Beck (um 1475/80-
1542), die zumindest beide 1501 als seine Gehilfen in Frankfurt belegt
sind.13

Um 1500 zählte Hans Holbein d. Ä. neben dem älteren Ulrich Apt
(1460-1532) und Hans Burgkmair d.Ä. (1473-1531) zu den führenden
Künstlern in Augsburg.14 Zu seinen lokalen Auftraggebern gehörten
neben den Benediktinern von St. Ulrich und Afra die dem Patriziat eng
verbundenen Dominikanerinnen von St. Katharinen, vermutlich auch
das Karmeliterkloster St. Anna, das Chorherrenstiff St. Moritz und
schließlich das Augsburger Domkapitel.15 Sein Ruf reichte weit über
Augsburg und Schwaben hinaus, wie der Großauftrag zeigt, den ihm die
Frankfurter Dominikaner in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts für
ihre Kirche erteilten: Zur Ausführung der Flügel des zweifach wandelba-
ren Hochaltars, die heute zwischen den Museen in Frankfürt, Hamburg
und Basel aufgeteilt sind, siedelte Holbein in den Jahren 1500/01 mit sei-
nem Bruder Sigmund und Leonhard Beck als Gesellen vermutlich vor-
übergehend an den Main über.16 Wieder in Augsburg entstand 1502 der
Hochaltar des Zisterzienserklosters Kaisheim, diesmal in Zusammenar-
beit mit dem Bildhauer Gregor Erhard (1470 - um 1540) und dem Kist-
ler Adolf Daucher (um 1465-1523/24), dessen Flügelbilder sich heute in
der Alten Pinakothek in München befinden.17 Im selben Jahr lieferte
Holbein die Entwürfe für Glasmalereien im Mortuarium des Eichstätter
Doms.18 Um 1504 ist die Basilikatafel S. Paolo fuori le mura für das Augs-
burger Dominikanerinnenkloster entstanden, heute in der dortigen
Staatsgalerie, die ein Selbstbildnis des Künstlers mit seinen beiden Söh-
nen enthält (Abb. 26).i9 In diesem Jahr sind auch die höchsten Steuer-
zahlungen Holbeins angefallen.20 Im Jahre 1508 malte er das mit »HH«
monogrammierte Votivbild des Ulrich Schwarz, heute gleichfalls in der
Augsburger Staatsgalerie.21

Zwischen 1508 und 1510 erhielt Holbein einen der prestigeträchtigsten
Aufträge, den seine Vaterstadt Augsburg zu vergeben hatte: Es handelte
sich - neben der Deckplatte des Fronaltars - um die Flügelbilder des sil-
bernen Hochaltars des Domes, die indes schon im Bauernkrieg unter-
gingen.22 Wie prestigeträchtig dieser Auftrag des Domkapitels war, zeigt
übrigens der - erfolglose - Versuch des Augsburger Bischofs sowie des
Stadtschreibers Konrad Peutinger vom 2. Mai 1509, auch Holbeins Kon-
kurrenten Hans Burgkmair an dem Werk zu beteiligen.23

Aus dem Beschlußbuch des Domkapitels vom 30. April 1509 geht her-
vor, daß Holbein im Sommer dieses Jahres ins Elsaß reisen wollte, ohne
daß indes der eigentliche Anlaß erkennbar wird.24 Gleichfalls 1509 ver-
suchte der Prior des Benediktinerklosters Hirsau, den »... hochbegabten
Künstler der Malkunst... Holpain« für einen Auftrag zu gewinnen.25

27 Hans Holbein d.Ä., Anna Selbdritt, Tafel aus dem Katharinen-Altar, Augsburg,
Städtische Kunstsammlungen

Im Jahre 1512 entstand im Auftrag von Veronika Welser, der Priorin
des Augsburger Dominikanerinnenklosters, der Katharinen-Altar, heute
in der Augsburger Staatsgalerie (Abb. 27).26 Hannelore Müller vermutete
bei diesem Altarbild - dem letzten datierten Werk des älteren Holbein
vor dem mutmaßlichen Wegzug seiner beiden Söhne Ambrosius und
Hans um 1515 - die Mitarbeit des älteren Ambrosius, allerdings ohne
dies näher zu begründen.27 Der einzige urkundliche Hinweis auf die Mit-
arbeit wohl des Ambrosius in der väterlichen Werkstatt stammt bereits
vom 16. März 1508, als der »sun« des Malers einen Gulden Trinkgeld
erhielt, während seinem Vater die Restzahlung für den bereits im Jahre
1537 untergegangenen Frühmeßaltar der Augsburger St. Moritzkirche
ausgehändigt wurde.28

Das Werk Hans Holbeins d. Ä.
nach dem Wegzug seiner Söhne

Während Aufenthalt und Tätigkeit des älteren Hans Holbein in Augs-
burg bis zum Jahr 1514 durch die dortige Archivüberlieferung und dank
einer Reihe von datierten und signierten (oder zumindest durch externe
Anhaltspunkte in ihrer Zuschreibung gesicherten) Werken relativ gut
belegt ist, gilt dies für sein letztes Lebensjahrzehnt nicht mehr. So wird
der Maler seit 1514 für einige Jahre in den Augsburger Steuerlisten nicht
mehr genannt.29 Möglicherweise war er zumindest zeitweise von der
Steuer befreit (hierauf könnte der von Kaiser Maximilian ausgestellte

Vater und Bruder: Vorbilder, Mitarbeiter, Konkurrenten? 65
 
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