rend das steife Brokatgewand des Bischofs und die reich mit Stickerei geschmückte
Casula in starrer Pracht glänzen. Am hervorragendsten sind die figürlichen Stickereien
auf der Mitra und dem breiten Mantelstreifen mit Perlen, Goldfaden und farbiger Seide,
plastisch greifbar, da der kleinste Stich Licht und Schatten erhalten hat.«
In welchem Umfang Eigners Maßnahme eine Übermalung im Geschmack des 19. Jahr-
hunderts war, wissen wir erst seit der 1972 durchgeführten Freilegung des Bildes; vgl.
Brachert 1972; siehe auch S. 152-156. Wie sehr Eigner den Geschmack des 19. Jahr-
hunderts getroffen hatte, zeigt exemplarisch die Aussage von H. Knackfuss, Holbein der
Jüngere, Bielefeld/Leipzig21896, S. 54: »Der Kopf der Maria ist das holdeste und lieblich-
ste Frauengesicht, das Holbein ersonnen hat.«
Zur Maltechnik der »Solothurner Madonna« vgl. Brachert 1972. Beim Vergleich gilt es
indes, die sehr unterschiedlichen Erhaltungszustände der beiden Gemälde zu berück-
sichtigen: Während die Paele-Madonna sehr gut erhalten ist, sind die Lasuren bei der
»Solothurner Madonna« auf weite Strecken massiv verputzt; ferner ist die Farbschicht
hier an vielen Stellen durch eine extreme Craquele-Bildung gestört. Dieser an ein »Früh-
schwund-Craquele« erinnernde Befund ist bei zahlreichen »Holbein-Bildern« vor allem
bei dunkleren Farbtönen zu beobachten und dürfte auf die besondere Zusammenset-
zung der verwendeten Bindemittel zurückzuführen sein.
Ganz anders ist die maltechnische Gestaltung - und damit auch die ästhetische Wir-
kung - der Inkarnatpartien bei Holbeins vier Jahre nach der »Solothurner Madonna«
entstandener »Lais Corinthiaca« (siehe S. 224—232): Die Fleischtöne sind hier mit einem
hohen Bleiweißanteil ausgemischt, so daß das Licht, das auf die Malerei trifft, bereits von
der Farboberfläche reflektiert wird, ohne tiefer in sie einzudringen; dies erklärt den
emailartigen Glanz der Farbe, der sich einerseits deutlich von früheren Werken Holbeins
unterscheidet und der andererseits zu einem »Markenzeichen« seiner seit der Mitte der
1520er Jahre entstehenden Tafelbilder wurde.
Zwei unbezweifelte Werke Jan van Eycks befanden sich zu Holbeins Lebzeiten im nahe-
gelegenen Herzogtum Burgund: die Madonna des Kanzlers Rolin, heute im Louvre in
Paris, war in Autun, wahrscheinlich in der als Kapelle Rolins genutzten Sakristei der dor-
tigen Kirche Notre-Dame du Chastel, zu sehen (vgl. Micheline Comblen-Sonkes, Phil-
ippe Lorentz, Musee du Louvre, II. Avec la collaboration de l'Institut royal du Patri-
moine artistique et du Laboratoire de recherche des musees de France [Corpus de la
peinture des anciens Pays-Bas meridionaux et de la principaute de Liege au quinzieme
siecle, 17], Brüssel 1995, S. 11-80), die Verkündigung an Maria, heute in der National
Gallery of Art in Washington, befand sich vermutlich in der Kartause von Champmol vor
den Toren von Dijon (vgl. John Oliver Hand, Martha Wolff, Early Netherlandish pain-
ting [The collections of The National Gallery of Art. Systematic catalogue], Washington
1986, S.75-86).
Das Sammeln niederländischer Kunst des 15. und frühen 16. Jahrhunderts ist für Italien
sehr viel besser erforscht als für Deutschland; vgl. Lome Campbell, Notes on Nether-
landish pictures in the Veneto in the fifteenth and sixteenth centuries; in: Burlington
Magazine 123 (1981), S. 467-473; Michael Rohlmann, Auftragskunst und Sammlerbild.
Altniederländische Tafelmalerei im Florenz des Quattrocento, Alfter 1994; Jeffrey Chipps
Smith, Netherlandish artists and art in Renaissance Nuremberg; in: Simiolus 20
(1990-91), S. 153-167; zu dem Augsburger Kaufherrn Lukas Rem (1481-1541), der bei
seinen Aufenthalten in den Niederlanden zwischen 1508 und 1518 mehrere Gemälde des
Antwerpener Malers Joachim Patenier (um 1475/80-1524) erwarb, vgl. Robert A. Koch,
Joachim Patinir, Princeton 1968, S. 9-12.
49 Diese Sicht wird inzwischen auch von Bätschmann 2001, S. 42, geteilt, der die »Solo-
thurner Madonna« jüngst als das Resultat der Verbindung von »... a Northern epitaph
and a Southern sacra conversazione with the technical skills of early Netherlandish pain-
ting« charakterisierte. Ähnlich bereits Bätschmann/Griener 1998b, S. 88, sowie Buck
1999, S.38.
50 Grimm 1867, S. 250f.
51 Siehe S. 191-223.
In diesem Zusammenhang verdient auch der Umstand Erwähnung, daß ein in nicht allzu
großer Entfernung von Basel - in Besancon nämlich - befindliches Altarbild eines italie-
nischen Künstlers keinerlei Eindruck auf Holbein gemacht zu haben scheint: Schon im
Jahre 1511 wurde Fra Bartolomeos (1472-1517) »Sacra Conversazione« mit Heiligen,
dem Stifter Ferry de Carandolet und der Marienkrönung in der Familienkapelle der Ca-
randolet in der Kathedrale Saint-Etienne aufgestellt (vgl. Andre Chastel, Fra Bartolo-
meo's Carandelet altarpiece and the theme of the »Virgo in nubibus« in the High Renais-
sance; in: Peter Humfrey, Martin Kemp [Hg.], The altarpiece in the Renaissance,
Cambridge u.a.O. 1990, S. 129-141).
Es erscheint uns übrigens durchaus denkbar, daß Holbein irgendwann nach seiner Rück-
kehr aus Frankreich tatsächlich von Basel über die Alpen nach Oberitalien gegangen ist.
Die mutmaßliche Kenntnis von Antonio della Gaias Schutzmantelmadonna bei Hol-
beins Gestaltung der »Darmstädter Madonna« könnte für eine solche Reise via Ascona
schon um 1525 sprechen, siehe S. 269f. Eine derartige Reise könnte allerdings auch noch
später stattgefunden haben, siehe S. 223, Anm. 144.
»Hy is in Italien niet gheweest«. Der junge Holbein und Italien 63
Casula in starrer Pracht glänzen. Am hervorragendsten sind die figürlichen Stickereien
auf der Mitra und dem breiten Mantelstreifen mit Perlen, Goldfaden und farbiger Seide,
plastisch greifbar, da der kleinste Stich Licht und Schatten erhalten hat.«
In welchem Umfang Eigners Maßnahme eine Übermalung im Geschmack des 19. Jahr-
hunderts war, wissen wir erst seit der 1972 durchgeführten Freilegung des Bildes; vgl.
Brachert 1972; siehe auch S. 152-156. Wie sehr Eigner den Geschmack des 19. Jahr-
hunderts getroffen hatte, zeigt exemplarisch die Aussage von H. Knackfuss, Holbein der
Jüngere, Bielefeld/Leipzig21896, S. 54: »Der Kopf der Maria ist das holdeste und lieblich-
ste Frauengesicht, das Holbein ersonnen hat.«
Zur Maltechnik der »Solothurner Madonna« vgl. Brachert 1972. Beim Vergleich gilt es
indes, die sehr unterschiedlichen Erhaltungszustände der beiden Gemälde zu berück-
sichtigen: Während die Paele-Madonna sehr gut erhalten ist, sind die Lasuren bei der
»Solothurner Madonna« auf weite Strecken massiv verputzt; ferner ist die Farbschicht
hier an vielen Stellen durch eine extreme Craquele-Bildung gestört. Dieser an ein »Früh-
schwund-Craquele« erinnernde Befund ist bei zahlreichen »Holbein-Bildern« vor allem
bei dunkleren Farbtönen zu beobachten und dürfte auf die besondere Zusammenset-
zung der verwendeten Bindemittel zurückzuführen sein.
Ganz anders ist die maltechnische Gestaltung - und damit auch die ästhetische Wir-
kung - der Inkarnatpartien bei Holbeins vier Jahre nach der »Solothurner Madonna«
entstandener »Lais Corinthiaca« (siehe S. 224—232): Die Fleischtöne sind hier mit einem
hohen Bleiweißanteil ausgemischt, so daß das Licht, das auf die Malerei trifft, bereits von
der Farboberfläche reflektiert wird, ohne tiefer in sie einzudringen; dies erklärt den
emailartigen Glanz der Farbe, der sich einerseits deutlich von früheren Werken Holbeins
unterscheidet und der andererseits zu einem »Markenzeichen« seiner seit der Mitte der
1520er Jahre entstehenden Tafelbilder wurde.
Zwei unbezweifelte Werke Jan van Eycks befanden sich zu Holbeins Lebzeiten im nahe-
gelegenen Herzogtum Burgund: die Madonna des Kanzlers Rolin, heute im Louvre in
Paris, war in Autun, wahrscheinlich in der als Kapelle Rolins genutzten Sakristei der dor-
tigen Kirche Notre-Dame du Chastel, zu sehen (vgl. Micheline Comblen-Sonkes, Phil-
ippe Lorentz, Musee du Louvre, II. Avec la collaboration de l'Institut royal du Patri-
moine artistique et du Laboratoire de recherche des musees de France [Corpus de la
peinture des anciens Pays-Bas meridionaux et de la principaute de Liege au quinzieme
siecle, 17], Brüssel 1995, S. 11-80), die Verkündigung an Maria, heute in der National
Gallery of Art in Washington, befand sich vermutlich in der Kartause von Champmol vor
den Toren von Dijon (vgl. John Oliver Hand, Martha Wolff, Early Netherlandish pain-
ting [The collections of The National Gallery of Art. Systematic catalogue], Washington
1986, S.75-86).
Das Sammeln niederländischer Kunst des 15. und frühen 16. Jahrhunderts ist für Italien
sehr viel besser erforscht als für Deutschland; vgl. Lome Campbell, Notes on Nether-
landish pictures in the Veneto in the fifteenth and sixteenth centuries; in: Burlington
Magazine 123 (1981), S. 467-473; Michael Rohlmann, Auftragskunst und Sammlerbild.
Altniederländische Tafelmalerei im Florenz des Quattrocento, Alfter 1994; Jeffrey Chipps
Smith, Netherlandish artists and art in Renaissance Nuremberg; in: Simiolus 20
(1990-91), S. 153-167; zu dem Augsburger Kaufherrn Lukas Rem (1481-1541), der bei
seinen Aufenthalten in den Niederlanden zwischen 1508 und 1518 mehrere Gemälde des
Antwerpener Malers Joachim Patenier (um 1475/80-1524) erwarb, vgl. Robert A. Koch,
Joachim Patinir, Princeton 1968, S. 9-12.
49 Diese Sicht wird inzwischen auch von Bätschmann 2001, S. 42, geteilt, der die »Solo-
thurner Madonna« jüngst als das Resultat der Verbindung von »... a Northern epitaph
and a Southern sacra conversazione with the technical skills of early Netherlandish pain-
ting« charakterisierte. Ähnlich bereits Bätschmann/Griener 1998b, S. 88, sowie Buck
1999, S.38.
50 Grimm 1867, S. 250f.
51 Siehe S. 191-223.
In diesem Zusammenhang verdient auch der Umstand Erwähnung, daß ein in nicht allzu
großer Entfernung von Basel - in Besancon nämlich - befindliches Altarbild eines italie-
nischen Künstlers keinerlei Eindruck auf Holbein gemacht zu haben scheint: Schon im
Jahre 1511 wurde Fra Bartolomeos (1472-1517) »Sacra Conversazione« mit Heiligen,
dem Stifter Ferry de Carandolet und der Marienkrönung in der Familienkapelle der Ca-
randolet in der Kathedrale Saint-Etienne aufgestellt (vgl. Andre Chastel, Fra Bartolo-
meo's Carandelet altarpiece and the theme of the »Virgo in nubibus« in the High Renais-
sance; in: Peter Humfrey, Martin Kemp [Hg.], The altarpiece in the Renaissance,
Cambridge u.a.O. 1990, S. 129-141).
Es erscheint uns übrigens durchaus denkbar, daß Holbein irgendwann nach seiner Rück-
kehr aus Frankreich tatsächlich von Basel über die Alpen nach Oberitalien gegangen ist.
Die mutmaßliche Kenntnis von Antonio della Gaias Schutzmantelmadonna bei Hol-
beins Gestaltung der »Darmstädter Madonna« könnte für eine solche Reise via Ascona
schon um 1525 sprechen, siehe S. 269f. Eine derartige Reise könnte allerdings auch noch
später stattgefunden haben, siehe S. 223, Anm. 144.
»Hy is in Italien niet gheweest«. Der junge Holbein und Italien 63