168 Hans Holbein d.J., »Lais Corinthiaca«, rechte Hand der Lais, Infrarot-Befund, Basel, Kunstmuseum
schein Wege (Abb. 222), während er alle übrigen Bilddetails mehr oder
weniger zügig freihändig ausführte {Abb. 223). Als Karton für das Gesicht
der Lady diente ihm - hier wie in zahlreichen anderen Fällen seiner nach-
folgenden Schaffenszeit - die Porträtzeichnung, die er vor dem Modell
selbst angefertigt hatte. Tatsächlich finden sich auf der Originalzeich-
nung im Baseler Kupferstichkabinett (Abb.221)15 nachträgliche Verstär-
kungen jener Linien, die der trocken und mechanisch wirkenden Unter-
zeichnung der Gesichtszüge beim Gemälde in Saint Louis exakt
entsprechen; zum Transfer dürfte eine Art Kohlepapier benutzt worden
sein, das zwischen die grundierte Tafel und die Porträtzeichnung gelegt
wurde und beim Nachfahren der Linien der Zeichnung die Unterzeich-
nung produzierte.
Eine »Porträtzeichnung« im eigentlichen Sinne des Wortes hat der Lais
kaum zugrunde gelegen (handelt es sich bei dem Gemälde doch eben
nicht um ein Porträt),16 aber der Charakter der Unterzeichnung des
Gesichts der Kurtisane belegt die Existenz eines heute verlorenen Kar-
tons, der auch nach Fertigstellung des Bildes zu Holbeins Werkstattin-
ventar gehört haben wird.1' Dieser Karton (oder ein Duplikat davon)18
wurde später auch bei der Herstellung von Venus und Amor verwendet
(Abb. 170—171) - seitenverkehrt eingesetzt diente er nun zur mechani-
schen Ausführung der Unterzeichnung des Venuskopfes, so daß die
jeweilige Unterzeichnung der beiden Frauenköpfe exakt übereinstimmt,
wenn man die eine über die andere spiegelt (Abb. 172). Wie der Maler der
Lais ergänzte auch derjenige der Venus die Unterzeichnung seiner Figu-
ren und selbst die durchlaufende Brüstung freihändig mit Pinsel und
einem flüssigen Unterzeichnungsmittel - an der Brüstung wohl teilweise
unter Einsatz eines Lineals, bei Amor und den Händen der Venus ver-
gleichsweise sorgfältig (Abb. 173-174), bei den Gewandfalten dann spon-
tan, die Formen mehr andeutend als zeichnerisch definierend (Abb. 173).
Anders als bei den mit freier Hand ausgeführten Linienverläufen bei der
Kleidung der Lais finden sich bei den entsprechenden Bildpartien der
Venus selbst bei lang ausgezogenen Pinselzügen immer wieder leichte
Der »Venus-Maler« und Holbeins Baseler Werkstatt 22/
schein Wege (Abb. 222), während er alle übrigen Bilddetails mehr oder
weniger zügig freihändig ausführte {Abb. 223). Als Karton für das Gesicht
der Lady diente ihm - hier wie in zahlreichen anderen Fällen seiner nach-
folgenden Schaffenszeit - die Porträtzeichnung, die er vor dem Modell
selbst angefertigt hatte. Tatsächlich finden sich auf der Originalzeich-
nung im Baseler Kupferstichkabinett (Abb.221)15 nachträgliche Verstär-
kungen jener Linien, die der trocken und mechanisch wirkenden Unter-
zeichnung der Gesichtszüge beim Gemälde in Saint Louis exakt
entsprechen; zum Transfer dürfte eine Art Kohlepapier benutzt worden
sein, das zwischen die grundierte Tafel und die Porträtzeichnung gelegt
wurde und beim Nachfahren der Linien der Zeichnung die Unterzeich-
nung produzierte.
Eine »Porträtzeichnung« im eigentlichen Sinne des Wortes hat der Lais
kaum zugrunde gelegen (handelt es sich bei dem Gemälde doch eben
nicht um ein Porträt),16 aber der Charakter der Unterzeichnung des
Gesichts der Kurtisane belegt die Existenz eines heute verlorenen Kar-
tons, der auch nach Fertigstellung des Bildes zu Holbeins Werkstattin-
ventar gehört haben wird.1' Dieser Karton (oder ein Duplikat davon)18
wurde später auch bei der Herstellung von Venus und Amor verwendet
(Abb. 170—171) - seitenverkehrt eingesetzt diente er nun zur mechani-
schen Ausführung der Unterzeichnung des Venuskopfes, so daß die
jeweilige Unterzeichnung der beiden Frauenköpfe exakt übereinstimmt,
wenn man die eine über die andere spiegelt (Abb. 172). Wie der Maler der
Lais ergänzte auch derjenige der Venus die Unterzeichnung seiner Figu-
ren und selbst die durchlaufende Brüstung freihändig mit Pinsel und
einem flüssigen Unterzeichnungsmittel - an der Brüstung wohl teilweise
unter Einsatz eines Lineals, bei Amor und den Händen der Venus ver-
gleichsweise sorgfältig (Abb. 173-174), bei den Gewandfalten dann spon-
tan, die Formen mehr andeutend als zeichnerisch definierend (Abb. 173).
Anders als bei den mit freier Hand ausgeführten Linienverläufen bei der
Kleidung der Lais finden sich bei den entsprechenden Bildpartien der
Venus selbst bei lang ausgezogenen Pinselzügen immer wieder leichte
Der »Venus-Maler« und Holbeins Baseler Werkstatt 22/