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Schauerte, Thomas; Dürer, Albrecht; Altdorfer, Albrecht; Dürer, Albrecht [Mitarb.]; Altdorfer, Albrecht [Mitarb.]; Maximilian [Gefeierte Pers.]
Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I.: Dürer und Altdorfer im Dienst des Herrschers — München, Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.62901#0048

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II. Entstehung und Herleitung

wird. Interessanterweise besteht an Nr. 28 mit der
Portalbekrönung diese Ergänzung aus zwei
Stücken. Die einzig schlüssige Erklärung für die
Zweiteiligkeit dieser verhältnismäßig kleinen An-
fügung ist eine ursprünglich geplante Verteilung
auf beide abschließenden Stöcke des Mittelporta-
les (Nr. 26 und 28), was dann jedoch die Stock-
kanten in entstellender Weise mitten durch das
Gesicht und die Krone der »Frau Ehre« hätte lau-
fen lassen. Bei sämtlichen Ausgaben der Ehren-
pforte ist diese Verfügung - trotz größter hand-
werklicher Sorgfalt bei der Anpassung - aus der
Nähe noch immer deutlich zu sehen.
Als Grund für diese Einfügung, die über die ge-
samte Höhe des Mittelturmes aufwendige Anglei-
chungen erforderlich machte, wird der Wunsch
nach einer bloßen Erweiterung des Dekors kaum
hinreichen. Eine eingehendere Betrachtungsweise
kann auch hier helfen, triftigere Ursachen für die-
sen Eingriff namhaft zu machen: Die zwei Profil-
leisten, die den Stammbaum gegen die beiden
Wappenpartien abgrenzen, stoßen unten unver-
mittelt auf das Kranzgesims des Portalvorbaues
(Abb. 9). Hier verläuft auch die horizontale
Trennlinie zwischen den drei Druckstöcken65. Be-
trachtet man nun auf der rechten Seite jene Stelle,
wo der erhobene rechte Arm des Festonhalters
den oberen Kontur des Kranzgesimses schneidet,
dann entdeckt man ein kurzes, kaum einen halben
Zentimeter messendes Teilstück der genannten
Profilleiste, das von dem gleichen gedrehten Steg
akzentuiert wird, wie die beiden Leisten zuseiten
des Stammbaumes. Es endet jedoch blind mit der
Oberkante des Stockes, denn die gleichgeartete
Einfassung des Stammbaumes setzt jeweils ein
gutes Stück weiter innen an66. Anstatt nun anzu-
nehmen, der Stammbaum sei ursprünglich um die
entsprechende Differenz breiter gewesen und
nachher beschnitten worden, erweist es sich als

naheliegender, das oben gemachte Experiment zu
wiederholen: Entfernt man das Teilstück mit der
»Frau Ehre« und läßt die Bogenschenkel sich wie-
der zu einem Spitzbogen formieren, dann treffen
die einfassenden Profilleisten des Stammbaumes
samt ihrem gedrehten Steg auf die beiden blind en-
denden Ansätze gleicher Faktur. Nun ist jedoch
unversehens das Untergeschoß mit dem Portal
deutlich schmaler geworden, als der Stammbaum
mit den Wappenfeldern darüber. Dies ist nur so zu
erklären, daß die beiden Wappensuiten ursprüng-
lich um eine Achse schmaler waren67; denn denkt
man sich diese Achse auf beiden Seiten fort, so er-
reicht man nicht nur die Gesamtbreite des Unter-
geschosses, sondern auch jene der - wiederum
achteckigen - Bekrönung mit den Herolden und
der Widmungstafel. Letzte Klarheit gibt hier die
Nahsicht auf das ausladende Kranzgesims, das di-
rekt darunter liegt, denn auch hier sind links und
rechts zwei Einfügungen zu erkennen, deren Fort-
lassung die Gesamtbreite an jene von Stammbaum
und Wappen angleichen würde (Abb. 8 und 11).
Die beiden Fanfarenbläser würden damit unmit-
telbar an die Turmkante rücken, was technisch
jedoch kein Problem darstellt, da sie mitsamt
ihrer exponierten Standfläche jeweils von einer ei-
genen Platte gedruckt wurden [Nr. 40, 44], und
somit keine Überschneidungen zu beobachten
sind, die dann mühsame Angleichungen erfordert
hätten.
Doch erlaubt dieses unscheinbare Detail mit
den beiden Einpassungen im Kranzgesims auch
noch einen weitergehenden Schluß, nämlich daß
es vom ursprünglichen Entwurf Kölderers bis
zum endgültigen Ergebnis der Überarbeitung
durch Dürer ein Zwischenstadium gegeben haben
muß. Dieses bestand darin, daß man den anfäng-
lich für die gesamte Höhe des Mittelturmes gel-
tenden oktogonalen Grundriß für die Partie mit

65 Stöcke Nr. 26, 28 und 30 (vgl. Schema Abb. 29).
66 Weniger ausgeprägt, aber dennoch unverkennbar ist diese
Beobachtung auch auf der Gegenseite zu machen.
67 Daß die Wappensuiten als Diagonalseiten des Oktogons der
perspektivischen Verkürzung unterworfen waren und so

der geringeren Breite des Untergeschosses entsprechen
konnten ist eher unwahrscheinlich, weil es nicht nur dem
ausführenden Künstler Schwierigkeiten bereitet hätte, son-
dern auch - was schwerer wiegt - die Identifizierung der
Wappen unweigerlich erschwert haben würde.
 
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