33
Die sogenannte »Andachtspforte«
Im ganzen betrachtet wird die Ehrenpforte von ei-
nem deutlichen formalen Gegensatz geprägt: Den
vergleichsweise schlicht gerahmten Bildfeldern
mit den Abfolgen szenischer oder historischer
Darstellungen, mit dem Stammbaum und den
Wappenfolgen16 stehen höchst aufwendig deko-
rierte Architekturelemente in Gestalt der Sei-
tentürme, der Freisäulenpaare und Bekrönungen
gegenüber. Genauer betrachtet verlaufen zwi-
schen beiden Komplexen sogar klar erkennbare
Trennungslinien: So ist etwa der überwiegende
Teil des Dekors an den vier schmalen Freisäulen-
achsen [B/B’-D/D’] zu erblicken, die über die
durchlaufenden Vertikalen hinweg mit den an-
grenzenden Bildfeldern keinerlei Verbindung auf-
nehmen und mit denen es auch so gut wie keine
Überschneidungen gibt. Insgesamt lassen sich
zehn dieser durchgehenden Vertikalen ausma-
chen, die die Ehrenpforte in elf Schmalachsen tei-
len (Abb. 2)17. Der optischen Trennung dieser
Achsen entsprechen nun auch - sieht man von der
Sockelzone ab - die Ränder der Druckstöcke voll-
kommen18. Den erwähnten Sockelbereich ausge-
nommen, könnte man überspitzt also von einer
Austauschbarkeit der Vertikalachsen sprechen,
oder konkreter gesagt: Läßt man die Altdorfer-
sehen Außentürme nebst den vermittelnden Por-
trätreihen und die vier Freisäulenpaare einmal
versuchsweise fort, dann bleiben die drei Portal-
türme mit ihren schlicht profilgerahmten Bilder-
folgen. Dieses Experiment kann noch fortgeführt
werden, denn auch von den verbleibenden Tür-
men läßt sich das Dekor mühelos noch weiter ent-
fernen. Auch hier fallen nämlich die optischen -
16 A 2, A 3; C 2, C 3; C’2, C’3.
17 Diesen Schmalachsen folgt auch die Einteilung des Kata-
logteiles.
18 Vgl. die Übersicht auf Abb. 29.
diesmal horizontalen - Trennlinien der einzelnen
Kompartimente mit den Stockrändern zusammen.
Seitlich betrifft dies die Bekrönungen oberhalb
der Fürstenreihen, beim Mittelturm hingegen läßt
sich das Renaissancedekor der Dachkuppel samt
Freigeschoß und Kranzgesims leicht absondern,
ein gleiches gilt für die Portale mit den aufwendi-
gen Doppelsäulenstellungen.
Es bleiben so drei hochrechteckige Felder, die
mit den Bildfolgen Stammbaum, Wappensuiten,
Historien, Kaiser- und Fürstenreihe das Kernpro-
gramm der Ehrenpforte in seinen fünf wesentli-
chen Bestandteilen darbieten (Abb. 2). Die ge-
naueren Inhaltsanalysen in den nachfolgenden
Kapiteln werden dies erhärten.
Bemerkenswerterweise haben alle drei Bildfel-
der annähernd die nämliche Höhe19 von etwa 1,15
m, was die Überprüfung auch ihrer Breite nahe-
legt: Hier erweist sich das Mittelfeld zunächst als
ein wenig breiter - nimmt man jedoch die weiter
unten in einem anderen Zusammenhang nachge-
wiesene Tatsache vorweg20, daß erst in einer späte-
ren Phase jeweils eine Wappenreihe links und
rechts hinzukamen, dann ergibt sich bei Fortfall
dieser beiden äußeren Reihen für alle drei Bildfel-
der auch die gleiche Breite von etwa einem knap-
pen halben Meter. Das Kernprogramm verteilte
sich also zu einem unbekannten Zeitpunkt ur-
sprünglich auf drei gleichgroße Bildfelder, die
achsensymmetrisch auf den Stammbaum in der
Mitte bezogen waren.
Dies wäre nun zunächst nicht weiter bemer-
kenswert, wenn sich im Innsbrucker Museum
Ferdinandeum nicht eine aquarellierte Feder-
19 Daß diese nicht die ursprüngliche Höhe war, wird an ande-
rer Stelle zu erörtern sein.
20 Vgl. Teil III, Abschn. >Der Anteil Albrecht Altdorfers<.
Die sogenannte »Andachtspforte«
Im ganzen betrachtet wird die Ehrenpforte von ei-
nem deutlichen formalen Gegensatz geprägt: Den
vergleichsweise schlicht gerahmten Bildfeldern
mit den Abfolgen szenischer oder historischer
Darstellungen, mit dem Stammbaum und den
Wappenfolgen16 stehen höchst aufwendig deko-
rierte Architekturelemente in Gestalt der Sei-
tentürme, der Freisäulenpaare und Bekrönungen
gegenüber. Genauer betrachtet verlaufen zwi-
schen beiden Komplexen sogar klar erkennbare
Trennungslinien: So ist etwa der überwiegende
Teil des Dekors an den vier schmalen Freisäulen-
achsen [B/B’-D/D’] zu erblicken, die über die
durchlaufenden Vertikalen hinweg mit den an-
grenzenden Bildfeldern keinerlei Verbindung auf-
nehmen und mit denen es auch so gut wie keine
Überschneidungen gibt. Insgesamt lassen sich
zehn dieser durchgehenden Vertikalen ausma-
chen, die die Ehrenpforte in elf Schmalachsen tei-
len (Abb. 2)17. Der optischen Trennung dieser
Achsen entsprechen nun auch - sieht man von der
Sockelzone ab - die Ränder der Druckstöcke voll-
kommen18. Den erwähnten Sockelbereich ausge-
nommen, könnte man überspitzt also von einer
Austauschbarkeit der Vertikalachsen sprechen,
oder konkreter gesagt: Läßt man die Altdorfer-
sehen Außentürme nebst den vermittelnden Por-
trätreihen und die vier Freisäulenpaare einmal
versuchsweise fort, dann bleiben die drei Portal-
türme mit ihren schlicht profilgerahmten Bilder-
folgen. Dieses Experiment kann noch fortgeführt
werden, denn auch von den verbleibenden Tür-
men läßt sich das Dekor mühelos noch weiter ent-
fernen. Auch hier fallen nämlich die optischen -
16 A 2, A 3; C 2, C 3; C’2, C’3.
17 Diesen Schmalachsen folgt auch die Einteilung des Kata-
logteiles.
18 Vgl. die Übersicht auf Abb. 29.
diesmal horizontalen - Trennlinien der einzelnen
Kompartimente mit den Stockrändern zusammen.
Seitlich betrifft dies die Bekrönungen oberhalb
der Fürstenreihen, beim Mittelturm hingegen läßt
sich das Renaissancedekor der Dachkuppel samt
Freigeschoß und Kranzgesims leicht absondern,
ein gleiches gilt für die Portale mit den aufwendi-
gen Doppelsäulenstellungen.
Es bleiben so drei hochrechteckige Felder, die
mit den Bildfolgen Stammbaum, Wappensuiten,
Historien, Kaiser- und Fürstenreihe das Kernpro-
gramm der Ehrenpforte in seinen fünf wesentli-
chen Bestandteilen darbieten (Abb. 2). Die ge-
naueren Inhaltsanalysen in den nachfolgenden
Kapiteln werden dies erhärten.
Bemerkenswerterweise haben alle drei Bildfel-
der annähernd die nämliche Höhe19 von etwa 1,15
m, was die Überprüfung auch ihrer Breite nahe-
legt: Hier erweist sich das Mittelfeld zunächst als
ein wenig breiter - nimmt man jedoch die weiter
unten in einem anderen Zusammenhang nachge-
wiesene Tatsache vorweg20, daß erst in einer späte-
ren Phase jeweils eine Wappenreihe links und
rechts hinzukamen, dann ergibt sich bei Fortfall
dieser beiden äußeren Reihen für alle drei Bildfel-
der auch die gleiche Breite von etwa einem knap-
pen halben Meter. Das Kernprogramm verteilte
sich also zu einem unbekannten Zeitpunkt ur-
sprünglich auf drei gleichgroße Bildfelder, die
achsensymmetrisch auf den Stammbaum in der
Mitte bezogen waren.
Dies wäre nun zunächst nicht weiter bemer-
kenswert, wenn sich im Innsbrucker Museum
Ferdinandeum nicht eine aquarellierte Feder-
19 Daß diese nicht die ursprüngliche Höhe war, wird an ande-
rer Stelle zu erörtern sein.
20 Vgl. Teil III, Abschn. >Der Anteil Albrecht Altdorfers<.