Bestimmung
201
Noch immer wartete er also auf einen kaiserlichen
Befehl für die Weitergabe der in Augsburg aufbe-
wahrten Exemplare. Immerhin läßt der zweite
Druck der Ehrenpforte durch König Ferdinand
wenige Jahre später darauf schließen, daß ihm der
Riesenholzschnitt nicht mehr in ausreichender
Zahl zur Verfügung stand.
Dabei muß den Quellen zufolge auch mit einem
Verkauf unter der Hand gerechnet werden. Der
Nürnberger Rat berichtete am 27. Juli 1518 besorgt
an Melchior Pfintzing am kaiserlichen Hof:
[...] Daneben berichten wir euer erwird, das uns
itzo durch euren diener den Johannsen ist ange-
zaigt, als ob etlich gedruckt figuren, in kais. maj.
triumpf gehörig, durch einen landfarer uf einer
kirchweihe vor unser statt offenlich failgehapt
worden seien. Und als ein formschneider die von
ungeschickten befunden und das gedachtem eu-
rem diener entdeckt, haben wir den landfarer, so-
pald das von eurm diener an uns gelangt, be-
schicken auch alle figuren von ime nehmen und
befragen lassen, wie die an ine kommen sein. Hat
er uns bericht, das er die alhie uf dem Sewmarckt
von einem Schreiber, den er davor nie gesehen, er-
kauft und die Vertröstung empfangen hab, als ob
er ime der noch mer zupnngen und verkaufen
woll; deshalben wir nach dem Schreiber mit fleis
getracht, den aber biss auf heutigen tag nit haben
bekomen mögen; ,.] Dann uns je ganz wider und
entgegen wer, wo kais. maj. hierinnen was zu un-
gefallen und beschwerden sollet geübt werden.
IQ 48]
Nach dem Tode Maximilians waren dann offenbar
die Hemmungen für den Verkauf der gedechtnus-
Werke gefallen, denn am 22. April 1522 war es Karl
V. selbst, der seinem Sekretär Hans Paumgartner
befahl, er möge
[...] von den Erenporten auch Tewrdanck, so wei-
lend kaiser Maximilian unser lieber herr und an-
herr löblicher gedechtnus truckhen hat lassen, de-
ren er etliche in Verwahrung habe, dem Secretär
Peter Stoss so viele übergeben, das er daraus voll-
iglich sechshundert guldin reinisch bringen und
die darumb vertreiben muge. [Q 54]
Durch solche Verkäufe und die offensichtliche
Unterlassung einer geregelten Verteilung ist keine
der erhaltenen Erstausgaben der Ehrenpforte - sie
seien montiert und vollständig oder nur in Einzel-
blättern und fragmentarisch vorhanden - in ihrer
Provenienz so klar zurückverfolgbar, daß sich
daraus Schlüsse über den Erstbesitzer oder gar
über den Ort ihrer ursprünglichen Anbringung
oder Aufbewahrung ableiten und verallgemeinern
ließen.10
Es zeigen also die drei Neuausgaben der Eh-
renpforte insgesamt ebenso wie die Separatausga-
ben der Historien11 und nicht zuletzt die früh
einsetzende Forschung ganz allgemein, daß der
Riesenholzschnitt als Glanzstück von Kupfer-
stichkabinetten, wohl aber auch als Kuriosität in
Wunderkammern von Anfang an eine stete Wert-
schätzung erfahren zu haben scheint. Die Kehr-
seite dieser Wertschätzung zeigen die kolorierten
und montierten Exemplare in der Albertina und
der Graphischen Sammlung des Herzog-Anton-
Ulrich-Museums in Braunschweig: Nach lang-
jähriger Hängung oder zeitweilig unsachgemäßer
Aufbewahrung mag weniger sachkundigen Besit-
zern der letzten vier Jahrhunderte eine stock-
fleckige, beschädigte und von Schimmel befallene
Ehrenpforte als einer weiteren Aufbewahrung
oder Restaurierung nicht länger wert erschienen
sein.
Doch kann für die Würdigung der Bilderwand
- deren Verbreitung nach den zwei frühen Aufla-
gen bis 1559 bei aller gebotenen Vorsicht auf deut-
lich über tausend Exemplaren geschätzt werden
darf - noch eine weitere Begründung namhaft ge-
macht werden: Die Clavis vermerkt, daß
10 Daß das Exemplar, das Maximilian dem Kurfürsten von
Sachsen 1517 hatte übersenden lassen, identisch mit einem
im Schloss zu Torgau nachweisbaren sei, wird von Timann
1993, S. 91, vermutet; es sei zudem identisch mit dem kolo-
rierten Exemplar des Berliner Kupferstichkabinetts. Vgl.
dazu unten im Anhang >Die späteren Ausgabens dort die
Angaben zur Ausgabe von 1559.
11 Vgl. dazu Meder 1932, Nr. 251-C.
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Noch immer wartete er also auf einen kaiserlichen
Befehl für die Weitergabe der in Augsburg aufbe-
wahrten Exemplare. Immerhin läßt der zweite
Druck der Ehrenpforte durch König Ferdinand
wenige Jahre später darauf schließen, daß ihm der
Riesenholzschnitt nicht mehr in ausreichender
Zahl zur Verfügung stand.
Dabei muß den Quellen zufolge auch mit einem
Verkauf unter der Hand gerechnet werden. Der
Nürnberger Rat berichtete am 27. Juli 1518 besorgt
an Melchior Pfintzing am kaiserlichen Hof:
[...] Daneben berichten wir euer erwird, das uns
itzo durch euren diener den Johannsen ist ange-
zaigt, als ob etlich gedruckt figuren, in kais. maj.
triumpf gehörig, durch einen landfarer uf einer
kirchweihe vor unser statt offenlich failgehapt
worden seien. Und als ein formschneider die von
ungeschickten befunden und das gedachtem eu-
rem diener entdeckt, haben wir den landfarer, so-
pald das von eurm diener an uns gelangt, be-
schicken auch alle figuren von ime nehmen und
befragen lassen, wie die an ine kommen sein. Hat
er uns bericht, das er die alhie uf dem Sewmarckt
von einem Schreiber, den er davor nie gesehen, er-
kauft und die Vertröstung empfangen hab, als ob
er ime der noch mer zupnngen und verkaufen
woll; deshalben wir nach dem Schreiber mit fleis
getracht, den aber biss auf heutigen tag nit haben
bekomen mögen; ,.] Dann uns je ganz wider und
entgegen wer, wo kais. maj. hierinnen was zu un-
gefallen und beschwerden sollet geübt werden.
IQ 48]
Nach dem Tode Maximilians waren dann offenbar
die Hemmungen für den Verkauf der gedechtnus-
Werke gefallen, denn am 22. April 1522 war es Karl
V. selbst, der seinem Sekretär Hans Paumgartner
befahl, er möge
[...] von den Erenporten auch Tewrdanck, so wei-
lend kaiser Maximilian unser lieber herr und an-
herr löblicher gedechtnus truckhen hat lassen, de-
ren er etliche in Verwahrung habe, dem Secretär
Peter Stoss so viele übergeben, das er daraus voll-
iglich sechshundert guldin reinisch bringen und
die darumb vertreiben muge. [Q 54]
Durch solche Verkäufe und die offensichtliche
Unterlassung einer geregelten Verteilung ist keine
der erhaltenen Erstausgaben der Ehrenpforte - sie
seien montiert und vollständig oder nur in Einzel-
blättern und fragmentarisch vorhanden - in ihrer
Provenienz so klar zurückverfolgbar, daß sich
daraus Schlüsse über den Erstbesitzer oder gar
über den Ort ihrer ursprünglichen Anbringung
oder Aufbewahrung ableiten und verallgemeinern
ließen.10
Es zeigen also die drei Neuausgaben der Eh-
renpforte insgesamt ebenso wie die Separatausga-
ben der Historien11 und nicht zuletzt die früh
einsetzende Forschung ganz allgemein, daß der
Riesenholzschnitt als Glanzstück von Kupfer-
stichkabinetten, wohl aber auch als Kuriosität in
Wunderkammern von Anfang an eine stete Wert-
schätzung erfahren zu haben scheint. Die Kehr-
seite dieser Wertschätzung zeigen die kolorierten
und montierten Exemplare in der Albertina und
der Graphischen Sammlung des Herzog-Anton-
Ulrich-Museums in Braunschweig: Nach lang-
jähriger Hängung oder zeitweilig unsachgemäßer
Aufbewahrung mag weniger sachkundigen Besit-
zern der letzten vier Jahrhunderte eine stock-
fleckige, beschädigte und von Schimmel befallene
Ehrenpforte als einer weiteren Aufbewahrung
oder Restaurierung nicht länger wert erschienen
sein.
Doch kann für die Würdigung der Bilderwand
- deren Verbreitung nach den zwei frühen Aufla-
gen bis 1559 bei aller gebotenen Vorsicht auf deut-
lich über tausend Exemplaren geschätzt werden
darf - noch eine weitere Begründung namhaft ge-
macht werden: Die Clavis vermerkt, daß
10 Daß das Exemplar, das Maximilian dem Kurfürsten von
Sachsen 1517 hatte übersenden lassen, identisch mit einem
im Schloss zu Torgau nachweisbaren sei, wird von Timann
1993, S. 91, vermutet; es sei zudem identisch mit dem kolo-
rierten Exemplar des Berliner Kupferstichkabinetts. Vgl.
dazu unten im Anhang >Die späteren Ausgabens dort die
Angaben zur Ausgabe von 1559.
11 Vgl. dazu Meder 1932, Nr. 251-C.