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Schauerte, Thomas; Dürer, Albrecht; Altdorfer, Albrecht; Maximilian [Honoree]; Dürer, Albrecht [Contr.]; Altdorfer, Albrecht [Contr.]
Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I.: Dürer und Altdorfer im Dienst des Herrschers — München, Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.62901#0207

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Bestimmung

203

Für das frühzeitig und seitdem immer wieder
angemerkte stilistische Oszillieren der Ehren-
pforte zwischen den Formen der späten Gotik
und der frühen Renaissance ist diese Aussage frei-
lich zu differenzieren: Indem der Kaiser mit Al-
brecht Dürer und Albrecht Altdorfer zwei der er-
sten Künstler des Reiches verpflichtete, konnte er
sicher sein, seinen Auftrag in der größtmöglichen
Qualität und Modernität ausgeführt zu sehen,
ohne daß es stilistischer Weisungen von seiner
Seite bedurft hätte.
Dieses >Oszillieren< bezeichnet eigentlich nur
sekundär ein stilistisches Problem. Die Ursachen
für die formale Ambivalenz der Ehrenpforte hat-
ten konkretere Wurzeln, die fast ausschließlich in-
haltlich bedingt waren. Schon das Projekt eines
vermutlich der gedechtnus Philipps des Schönen
im Jahre 1507 gewidmetenTriumphwagens am Rat-
haus zu Hall hatte einen freien Umgang mit den an-
tiken Versatzstücken gezeigt, denn bei einer stren-
geren antiquarischen Auffassung bei Maximilian,
Kölderer und Dürer hätte ihnen der Wagen ohne
den zugehörenden Triumphzug oder eine Remi-
niszenz an den antiken Katafalk als seinem ur-
sprünglichen Zusammenhang entfremdet erschei-
nen müssen. Dies gilt auch für die spätere, geradezu
beliebig wirkende Vermehrung des eigentlich ja
nur dem Triumphator vorbehaltenen Wagens im
Holzschnitt- und Miniaturentriumph ebenso, wie
für die Vereinzelung des Triumphwagens als Relief
im Louvre oder als Riesenholzschnitt von der
Hand Albrecht Dürers.
Nur so ist letztlich zu erklären, warum der an-
tike Bogen, dessen Form ja - etwa durch die
Zeichnung Pirckheimers oder durch Münzbilder
- im wesentlichen bekannt war, für die Ehren-
pforte nicht konsequenter durchgeführt worden
war und von dem älteren Formengut des Kastells

so nachhaltig konterkariert werden konnte: Mit
der bloßen Kenntlichkeit der triumphalen Ele-
mente war der Verweis auf ihren funeralen und
imperialen Zusammenhang in den Augen des Kai-
sers in ausreichendem Maße gegeben. Mit der
Dreitorigkeit, den vorgelegten Freisäulen und
dem ausdrücklichen literarischen Verweis konnte
es so sein Bewenden haben.
So greift es letzten Endes zu kurz, die Rezep-
tion des antiken Triumphes durch Maximilian
unter formalen Gesichtspunkten zu betrachten.
Formstiftend dürfte eher das bewußte Anknüpfen
an memoriale und funerale, schließlich auch an tri-
umphale Bräuche des kaiserzeitlichen Rom gewe-
sen sein - auch wenn sie durch eine lückenhafte,
eklektische und mitunter auch mißverständliche
Überlieferung korrumpiert waren; auch wenn in-
haltlich Affines mit zeitgenössischen Formen
fürstlicher Repräsentation ohne großen antiquari-
schen Anspruch vermengt wurde.
Doch der Eindruck des stilistisch Zwiespälti-
gen, der die gerechte Beurteilung dieses größten
Holzschnittes der europäischen Kunstgeschichte
stets erschwert und die Forschung oftmals einsei-
tig gebunden hatte, resultiert letztlich nicht nur m
diesem oft unverbundenen formalen Nebeneinan-
der heterogener Bildkonzepte; er hegt auch zu
einem guten Teil in der inhaltlichen Ambivalenz
begründet, die der Ehrenpforte - einem verbor-
genen Mechanismus vergleichbar - innewohnt:
Daß die bei Lebzeiten für Kaiser Maximilian I.
geschaffenen Werke ihre eigentliche memoriale
Wirkung erst postum entfalten, liegt im Wesen
der gedechtnus und war dem Herrscher stets vor
Augen.
So wird mit des Kaisers Todesstunde der Tri-
umphzug zum Kondukt; die Ehrenpforte aber
wandelt sich zu einem triumphalen Epitaph.
 
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