den, welche alle zusammen auf seinen unschuldigen Leib herein-
stürmten, seine Qual noch besonders, denn er litt nicht nur an einem
Körperteile, sondern an allen vom Kopfe bis zu den Füßen, nicht
nur im Gefühlssinne, sondern auch an den anderen. Im Geschmacke,
da ihm Essig und Galle zum Trinken gereicht wurde. Im Gerüche,
da er an einem übelriechenden Orte gekreuzigt ward, wo viele andere
hingerichtet zu werden pflegten. Im Gehöre, da er einerseits bestän-
dig die Lästerungen und den Hohn der Juden, andererseits aber die
Klagen der ihm gefolgten Frauen vernahm, besonders die zärtlichen
und schmerzerfüllten Worte und Seufzer seiner süßen Mutter. Im
Gesichtssinne, da er die gottlosen Taten der Schriftgelehrten und
Pharisäer und die mitleidigen Frauen samt seiner gramgebeugten
Mutter erblickte. So hat denn dein Bräutigam Jesus, o meine Seele, so
gewaltiges Leiden ertragen, um dir die Fülle seiner Erbarmung zu
offenbaren und dein hartes Herz zur Gegenliebe anzuspornen.
VII. AUS DEM „ABRISS DER OFFENBARUNGEN“1
A. Über die Natur und die verschiedenen Arten der 'prophetischen
Erleuchtung2
. . . Da nach i. Kön. 9, 9 der Prophet ehedem Seher hieß, so wird
Prophet im eigentlichen Sinne der genannt, welcher Dinge sieht, die
der natürlichen Erkenntnis irgendeines Geschöpfes entrückt sind.
Wohl nimmt der Prophet im prophetischen Lichte auch viele andere,
der menschlichen Einsicht erreichbare Dinge wahr, da sich dieses
Licht wie auf das Göttliche, so um so mehr auf das Menschliche
erstrecken kann. Vollständig unzugänglich aller geschöpflichen Er-
kenntnis sind aber die freizukünftigen, besonders die vom freien
Willen abhängigen Dinge, welche in sich allem menschlichen oder
sonstigen geschöpflichen Wissen entrückt und nur der alle Zeit um-
fassenden Dreifaltigkeit gegenwärtig sind. Auch in ihren Ursachen
können sie von keinem vernünftigen oder verstandbegabten Ge-
schöpfe erkannt werden; denn da diese Ursachen solche Wirkungen
ebensogut hervorbringen wie nicht hervorbringen können, so kann
kein geschaffener Verstand erkennen, nach welcher Seite sich die
1 „Compendium Revelationum“. Die ältesten Drucke verzeichnet Audin de
Rians, Bibliografia, Nr. 7—13. Obiger Übersetzung liegt die Ausgabe des
Dominikaners Quetif im Anhänge zu Picos Vita Hier. Sav., Paris 1674, zu-
grunde. 2 Compendium Revelationum 222 ff.
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stürmten, seine Qual noch besonders, denn er litt nicht nur an einem
Körperteile, sondern an allen vom Kopfe bis zu den Füßen, nicht
nur im Gefühlssinne, sondern auch an den anderen. Im Geschmacke,
da ihm Essig und Galle zum Trinken gereicht wurde. Im Gerüche,
da er an einem übelriechenden Orte gekreuzigt ward, wo viele andere
hingerichtet zu werden pflegten. Im Gehöre, da er einerseits bestän-
dig die Lästerungen und den Hohn der Juden, andererseits aber die
Klagen der ihm gefolgten Frauen vernahm, besonders die zärtlichen
und schmerzerfüllten Worte und Seufzer seiner süßen Mutter. Im
Gesichtssinne, da er die gottlosen Taten der Schriftgelehrten und
Pharisäer und die mitleidigen Frauen samt seiner gramgebeugten
Mutter erblickte. So hat denn dein Bräutigam Jesus, o meine Seele, so
gewaltiges Leiden ertragen, um dir die Fülle seiner Erbarmung zu
offenbaren und dein hartes Herz zur Gegenliebe anzuspornen.
VII. AUS DEM „ABRISS DER OFFENBARUNGEN“1
A. Über die Natur und die verschiedenen Arten der 'prophetischen
Erleuchtung2
. . . Da nach i. Kön. 9, 9 der Prophet ehedem Seher hieß, so wird
Prophet im eigentlichen Sinne der genannt, welcher Dinge sieht, die
der natürlichen Erkenntnis irgendeines Geschöpfes entrückt sind.
Wohl nimmt der Prophet im prophetischen Lichte auch viele andere,
der menschlichen Einsicht erreichbare Dinge wahr, da sich dieses
Licht wie auf das Göttliche, so um so mehr auf das Menschliche
erstrecken kann. Vollständig unzugänglich aller geschöpflichen Er-
kenntnis sind aber die freizukünftigen, besonders die vom freien
Willen abhängigen Dinge, welche in sich allem menschlichen oder
sonstigen geschöpflichen Wissen entrückt und nur der alle Zeit um-
fassenden Dreifaltigkeit gegenwärtig sind. Auch in ihren Ursachen
können sie von keinem vernünftigen oder verstandbegabten Ge-
schöpfe erkannt werden; denn da diese Ursachen solche Wirkungen
ebensogut hervorbringen wie nicht hervorbringen können, so kann
kein geschaffener Verstand erkennen, nach welcher Seite sich die
1 „Compendium Revelationum“. Die ältesten Drucke verzeichnet Audin de
Rians, Bibliografia, Nr. 7—13. Obiger Übersetzung liegt die Ausgabe des
Dominikaners Quetif im Anhänge zu Picos Vita Hier. Sav., Paris 1674, zu-
grunde. 2 Compendium Revelationum 222 ff.
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