XVII. AUS DER FÜNFZIGSTEN PREDIGT ÜBER EZECHIEL,
gehalten am Feste Christi Himmelfahrt,
4. Mai 1497
Für die Monate Mai und Juni 1497 war eine Signorie’gewählt, welche sich aus
Gegnern des Frate zusammensetzte und in ihrem Bannerherrn Peter degli
Alberti einen seiner leidenschaftlichsten Feinde an ihrer Spitze hatte. Natür-
lich wollten die Arrabbiati die kurze Zeit ihrer Herrschaft nicht unbenutzt
verstreichen lassen; lechzten sie doch gleich ihren Freunden, den Compag-
nacci, längst nach einer günstigen Gelegenheit, den Frate ein für allemal
aus dem Wege zu räumen. Zunächst nahm die Signorie die starke Hitze und
herrschende Pest zum Anlasse, die Predigt zu untersagen, ein Verbot, welches
trotz seiner allgemeinen Fassung doch hauptsächlich auf den Frate zielte, wie
der gleichzeitige Befehl lehrte, die vom Frate aufgestellten Kinderbänke im
Dome abzubrechen. Da nun am Tage nach dem Signoriebeschlusse das Fest
Christi Himmelfahrt gefeiert wurde, so war man ungeheuer darauf gespannt,
ob der Frate predigen werde oder nicht. Es war ein offenes Geheimnis, daß
die Compagnacci entschlossen waren, den Frate gelegentlich der Predigt, sei
es auf dem Hinwege, sei es in der Kirche selbst, sei es auf dem Heimwege zu
ermorden; sie hatten anfangs auch beabsichtigt, die Bänke und Stühle im
Dome anzuzünden, kamen dann aber überein, die Kanzel aufs unflätigste zu
beschmutzen. Der Frate ließ sich nicht einschüchtern, sondern begab sich,
von seinen Freunden gegen den Anprall der Gegner mit einem lebendigen,
undurchdringlichen Walle umgeben, zur gewohnten Stunde in den Dom, be-
stieg die inzwischen gereinigte Kanzel und begann seine Predigt, welche, von
Hieronymus Cinozzi nachgeschrieben, in gleichzeitigen Drucken erhalten ist
und sofort die Runde durch ganz Italien machte. Spätere Drucke: Venedig 1511,
1538,1547; Quetif, Vita II, 158 ff. Deutsche Übersetzung eines Teiles der Predigt
b. Hiltgart Schottmüller, Predigten 96 ff. Vgl. Schnitzer 1,408 ff.; II, 1065 A. 125.
„0 Herr, mein Gott, auf dich hab ich gehofft, errette mich“ (Ps. 7, 2)
Wie groß die Macht des Glaubens sei, offenbart sich, Geliebteste in
Jesus Christus, im Ausspruche unseres Erlösers: „Wenn ihr einen
Glauben wie ein Senfkorn habt, so könnt ihr zu diesem Berge sagen:
Hebe dich von da dorthin, und er wird dahin weichen, und nichts wird
euch unmöglich sein“ (Matth. 17, 19). Und obschon uns ein solcher
Gewährsmann genügen sollte, so wollen wir doch zum besseren Ver-
ständnisse nichtsdestoweniger auch den Vernunftbeweis führen, dem
Glauben, worunter der lebendige Glaube zu verstehen ist, eigne die
größte Macht. Sie eignet ihm erstens seiner Natur nach, denn er
hebt den Menschen seinem Verstände und Gemüte nach über die
schwachen körperlichen Dinge hinaus und vergeistigt ihn, indem
er ihn mit Gott vereint, der höchsten Macht, eine Vereinigung,
welche ihn oft sogar zu Wundern befähigt, wie denn der hl. Petrus
171
gehalten am Feste Christi Himmelfahrt,
4. Mai 1497
Für die Monate Mai und Juni 1497 war eine Signorie’gewählt, welche sich aus
Gegnern des Frate zusammensetzte und in ihrem Bannerherrn Peter degli
Alberti einen seiner leidenschaftlichsten Feinde an ihrer Spitze hatte. Natür-
lich wollten die Arrabbiati die kurze Zeit ihrer Herrschaft nicht unbenutzt
verstreichen lassen; lechzten sie doch gleich ihren Freunden, den Compag-
nacci, längst nach einer günstigen Gelegenheit, den Frate ein für allemal
aus dem Wege zu räumen. Zunächst nahm die Signorie die starke Hitze und
herrschende Pest zum Anlasse, die Predigt zu untersagen, ein Verbot, welches
trotz seiner allgemeinen Fassung doch hauptsächlich auf den Frate zielte, wie
der gleichzeitige Befehl lehrte, die vom Frate aufgestellten Kinderbänke im
Dome abzubrechen. Da nun am Tage nach dem Signoriebeschlusse das Fest
Christi Himmelfahrt gefeiert wurde, so war man ungeheuer darauf gespannt,
ob der Frate predigen werde oder nicht. Es war ein offenes Geheimnis, daß
die Compagnacci entschlossen waren, den Frate gelegentlich der Predigt, sei
es auf dem Hinwege, sei es in der Kirche selbst, sei es auf dem Heimwege zu
ermorden; sie hatten anfangs auch beabsichtigt, die Bänke und Stühle im
Dome anzuzünden, kamen dann aber überein, die Kanzel aufs unflätigste zu
beschmutzen. Der Frate ließ sich nicht einschüchtern, sondern begab sich,
von seinen Freunden gegen den Anprall der Gegner mit einem lebendigen,
undurchdringlichen Walle umgeben, zur gewohnten Stunde in den Dom, be-
stieg die inzwischen gereinigte Kanzel und begann seine Predigt, welche, von
Hieronymus Cinozzi nachgeschrieben, in gleichzeitigen Drucken erhalten ist
und sofort die Runde durch ganz Italien machte. Spätere Drucke: Venedig 1511,
1538,1547; Quetif, Vita II, 158 ff. Deutsche Übersetzung eines Teiles der Predigt
b. Hiltgart Schottmüller, Predigten 96 ff. Vgl. Schnitzer 1,408 ff.; II, 1065 A. 125.
„0 Herr, mein Gott, auf dich hab ich gehofft, errette mich“ (Ps. 7, 2)
Wie groß die Macht des Glaubens sei, offenbart sich, Geliebteste in
Jesus Christus, im Ausspruche unseres Erlösers: „Wenn ihr einen
Glauben wie ein Senfkorn habt, so könnt ihr zu diesem Berge sagen:
Hebe dich von da dorthin, und er wird dahin weichen, und nichts wird
euch unmöglich sein“ (Matth. 17, 19). Und obschon uns ein solcher
Gewährsmann genügen sollte, so wollen wir doch zum besseren Ver-
ständnisse nichtsdestoweniger auch den Vernunftbeweis führen, dem
Glauben, worunter der lebendige Glaube zu verstehen ist, eigne die
größte Macht. Sie eignet ihm erstens seiner Natur nach, denn er
hebt den Menschen seinem Verstände und Gemüte nach über die
schwachen körperlichen Dinge hinaus und vergeistigt ihn, indem
er ihn mit Gott vereint, der höchsten Macht, eine Vereinigung,
welche ihn oft sogar zu Wundern befähigt, wie denn der hl. Petrus
171