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Savonarola, Girolamo; Schnitzer, Joseph [Transl.]
Hieronymus Savonarola: Auswahl aus seinen Schriften und Predigten — Das Zeitalter der Renaissance, 2. Serie ; 10: Jena: Eugend Diederichs, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.56458#0257
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langt war, schlug jemand auf einen Opferstock inmitten der Kirche hinter
dem Volke und gab so das Zeichen, auf welches von anderen sofort alle Tore
geöffnet wurden. Man meint, die Widersacher wollten hiermit das Volk er-
schrecken, auf daß es entfliehe und den Prediger allein lasse; doch kam es
nicht also, denn es rührte sich nicht, obschon der Lärm groß war. Der Pre-
diger rief, man solle sich nicht fürchten, ward aber in dem großen Lärm nicht
verstanden. Da kniete er nieder und betete, erhob sich dann, nahm ein kleines
Kreuz1 zur Hand und mahnte zum Vertrauen auf Christus, es werde nichts
Übles geschehen. Das Volk verstand aber seine Worte nicht, und wie es das
Kreuz in seiner Hand sah, schrie es, und viele zogen die Kreuzchen hervor,
welche sie bei sich aus der Brust trugen. Da sich nun einige von den Gegnern
der Kanzel näherten, wurden sie von den Getreuen zurück- und zum Teil aus
der Kirche gedrängt. Als nun der Prediger schließlich ging, wurde er von
einer mächtigen Menge bis zum Kloster S. Marco begleitet, sogar viele der
vornehmsten und weisesten Bürger der Stadt eilten herbei, um zu den Waffen
zu greifen und ihn zu verteidigen, vom Eifer für die Wahrheit und für das
Gemeinwohl entzündet. Aufs sehnlichste wünschte ich euch die Herzens-
freude und die große Entschlossenheit schildern zu können, welche man in
den Zügen der Gläubigen leuchten sah, so daß ich vollkommen überzeugt bin,
sie wären selbst dem größten Heere nicht gewichen. Sogar viele von denen,
welche der Predigt des Frate unschlüssig gegenüberstanden, waren über
einen solchen Anblick ganz erstaunt und sahen sich zu dem Urteile gezwun-
gen, so etwas sei auf menschlichem Wege unmöglich. So ward er zu seinem
Kloster begleitet, wobei das Volk, Männer, Frauen und kleine Kinder mit
großer Andacht „Hoch Jesus ChristusI“ riefen. Und durch Gottes Gnade ver-
lief alles friedlich, ja der Vorfall hatte das Gute, daß nun die rechtschaffenen
Bürger, welche zuvor nicht dachten, daß es in unserer ehrwürdigen Stadt so
verworfene Leute gebe, fortan mit größerem Eifer zusammenhielten, um
künftig bessere Fürsorge für ihre Vaterstadt zu treffen, auf daß sich solche
Dinge nicht wiederholten. Und Gott gebe es also!]
XVIII. ERSTE PREDIGT ÜBER DAS BUCH EXODUS,
gehalten am Sonntage Septuagesima2,
ii. Februar 1498
Von der Ungültigkeit der Exkommunikation
(Die Predigt steht auf dem Index)
Der Frate hatte seit dem Feste Christi Himmelfahrt, 4. Mai 1497, die Kanzel
nicht mehr betreten, war überdies am 18. Juni feierlich mit dem Kirchen-
banne belegt worden. Die Bemühungen der ihm ergebenen Signorien, ihm
die päpstliche Lossprechung und Predigterlaubnis zu erwirken, waren ergeb-
1 Beständig auf einen gewaltsamen Tod gefaßt, trug er ein solches stets bei
sich, wie Johann Franz Pico von Mirandula in seiner Vita c. XII berichtet.
2 Prediche de Fra Hieronymo sopra l’Exodo. Venetia 1520. Predica prima.
F. 1 ff.
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