Versucher: Das eine benimmt deinen Antworten ihren Wert, daß du
dich in das florentinische Staatswesen verwickelst und die Herr-
schaft anstrebst, um das Volk nach Belieben zu gängeln.
Ich: [Daß ich mich um die Neuordnung der Verfassung annahm, ge-
schah nur, weil ich es für meine Pflicht hielt, dem Gemeinwesen in
seiner höchsten Gefahr beizuspringen, wie es j a auch in weniger drin-
genden Fällen sogar Heilige taten, so die hl. Katharina von Siena,
welche für die Florentiner bis nach Avignon zu Gregor XI. eilte.]
Versucher: Diese Entschuldigung wäre zulässig, wenn du dem floren-
tinischen Volke eine gute Verfassung empfohlen hättest; die von dir
angeratene Volksherrschaft aber scheint in den Augen kluger, poli-
tisch erfahrener Männer gefährlich, denn es ist sehr bedenklich, eine
so wichtige Sache der Leitung des Volkes anzuvertrauen und den
Händen der Mächtigen zu entwinden.
Ich: Genau betrachtet, wird aber gerade diese Verfassung den eigen-
artigen Verhältnissen und Bedürfnissen des florentinischen Volkes
am besten gerecht. . .
Versucher: Kurz, deine Entschuldigungen genügen vielen nicht, da
die Heuchelei ihre Absicht gut zu verstecken weiß.
Ich: Man kann es nie allen Leuten recht machen . . .
VIII. AUS DEM „ZWIEGESPRÄCH
ÜBER DIE WAHRHEIT DER PROPHETIE“
. . . Jechima: Inständig bitte ich dich, mein Hieronymus, gestehe es
mir ehrlich und verschweige mir nichts, denn ich kenne alle diese
Künste sehr wohl. Bekenne mir im Vertrauen: hältst du nicht die
Leute zum besten?
Hieronymus: Was könnte es Verbrecherischeres und Strafwürdige-
res geben?
Jech.: Mancher hielte es für kein Verbrechen, die Leute mit unschul-
digem Truge zu bekehren.
Hier.: Da irrst du, Bruder! Denn jede Lüge ist insofern ein Übel,
als sie im Gegensätze zur Wahrheit steht. Wie alle Wahrheit ein
Gut, so ist notwendig alle Lüge ein Übel. Man darf aber nichts Übles
tun, um Gutes zu erzielen.
Jech.: Gleichwohl wird vielleicht niemand vor kleinen Täuschungen
zurückschrecken, wenn damit die höchsten Güter zu erreichen
sind.
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dich in das florentinische Staatswesen verwickelst und die Herr-
schaft anstrebst, um das Volk nach Belieben zu gängeln.
Ich: [Daß ich mich um die Neuordnung der Verfassung annahm, ge-
schah nur, weil ich es für meine Pflicht hielt, dem Gemeinwesen in
seiner höchsten Gefahr beizuspringen, wie es j a auch in weniger drin-
genden Fällen sogar Heilige taten, so die hl. Katharina von Siena,
welche für die Florentiner bis nach Avignon zu Gregor XI. eilte.]
Versucher: Diese Entschuldigung wäre zulässig, wenn du dem floren-
tinischen Volke eine gute Verfassung empfohlen hättest; die von dir
angeratene Volksherrschaft aber scheint in den Augen kluger, poli-
tisch erfahrener Männer gefährlich, denn es ist sehr bedenklich, eine
so wichtige Sache der Leitung des Volkes anzuvertrauen und den
Händen der Mächtigen zu entwinden.
Ich: Genau betrachtet, wird aber gerade diese Verfassung den eigen-
artigen Verhältnissen und Bedürfnissen des florentinischen Volkes
am besten gerecht. . .
Versucher: Kurz, deine Entschuldigungen genügen vielen nicht, da
die Heuchelei ihre Absicht gut zu verstecken weiß.
Ich: Man kann es nie allen Leuten recht machen . . .
VIII. AUS DEM „ZWIEGESPRÄCH
ÜBER DIE WAHRHEIT DER PROPHETIE“
. . . Jechima: Inständig bitte ich dich, mein Hieronymus, gestehe es
mir ehrlich und verschweige mir nichts, denn ich kenne alle diese
Künste sehr wohl. Bekenne mir im Vertrauen: hältst du nicht die
Leute zum besten?
Hieronymus: Was könnte es Verbrecherischeres und Strafwürdige-
res geben?
Jech.: Mancher hielte es für kein Verbrechen, die Leute mit unschul-
digem Truge zu bekehren.
Hier.: Da irrst du, Bruder! Denn jede Lüge ist insofern ein Übel,
als sie im Gegensätze zur Wahrheit steht. Wie alle Wahrheit ein
Gut, so ist notwendig alle Lüge ein Übel. Man darf aber nichts Übles
tun, um Gutes zu erzielen.
Jech.: Gleichwohl wird vielleicht niemand vor kleinen Täuschungen
zurückschrecken, wenn damit die höchsten Güter zu erreichen
sind.
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