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Savonarola, Girolamo; Schnitzer, Joseph [Übers.]
Hieronymus Savonarola: Auswahl aus seinen Schriften und Predigten — Das Zeitalter der Renaissance, 2. Serie ; 10: Jena: Eugend Diederichs, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.56458#0343
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XXIII. AUS DER SCHRIFT „TRIUMPH DES KREUZES“1
I. Es gibt kein besseres Leben als das christliche
Es läßt sich kein besseres und heiligeres Leben als das christliche
finden oder ausdenken . . . Unter den Menschen gibt es verschiedene
Stufen des Lebens, wenn auch nicht dem Wesen, so doch der Voll-
kommenheit nach. Denn wir stellen jene, welche sich von der Ver-
nunft leiten lassen, höher als die anderen, welche nur ihren Sinnen
folgen und sich in Abwege verirren, da sie, je mehr sie ihren Leiden-
schaften frönen und sich von der Vernunft entfernen, um so weniger
vom Menschen und um so mehr vom Tiere an sich haben, während
umgekehrt die der Vernunft dienenden und ihr Triebleben Zügeln-
den mehr vom Menschen als vom Tiere an sich tragen. Da nun das
menschliche Leben über dem tierischen steht, so verdienen ohne
Zweifel jene den Vorzug, welche sich an die Vernunft halten. Aber
auch unter ihnen gibt es noch verschiedene Stufen. Denn da der
Geist seine Vollendung viel mehr in der Betrachtung und Liebe zur
Wahrheit der geistigen und besonders der göttlichen als der körper-
lichen Dinge erreicht, so nimmt er an einer um so erhabeneren Stufe
des Lebens teil, je mehr er die körperlichen Dinge verschmäht und
sich in Betrachtung und Liebe zum Göttlichen emporschwingt. Da
nun das christliche Leben ganz und gar in der Losreißung nicht nur
von allem Zeitlichen, sondern auch von aller Selbstliebe und in der
Annäherung an Gott durch Betrachtung und Liebe besteht, um ihm
immer ähnlicher und so weit wie möglich ganz eins mit ihm zu
werden, so liegt auf der Hand, daß sich ein besseres Leben als das
christliche weder finden noch ausdenken läßt. Je mehr sodann der
Mensch der Vernunft folgt, eine um so höhere Stufe des Lebens er-
klimmt er. Je vernünftiger also das Leben war, um so höher wird
1 ,,De veritate Fidei in Dominicae Crucis Triumphum“, oder kurz: „Trium-
phus Crucis.“ Die ältesten Ausgaben verzeichnet Audin de Rians, Bibliografia,
Nr. 14—16; Meier F. Karl, Gir. Sav., S. 398 nennt eine Florentiner Ausgabe
v. J. 1497. Weitere Drucke erschienen zu Venedig 1503, 1504, 1505, 1508,
1517, 1547; zu Florenz 1509, 1524; zu Paris 1510, 1524; zu Basel 1540; zu
Antwerpen 1633; zu Leyden 1633; zu Grenoble 1666. Vgl. auch Commer,
Jahrbuch f. Philosophie und spekul. Theologie XI (1896), 85. Deutsche Über-
setzung von K. Seltmann, Breslau 1898. Obige Übersetzung schließt sich an
die lateinische Ausgabe an, berücksichtigt aber auch die italienische, welche
vom Verfasser selbst herrührt, der sich nicht streng an den lateinischen
Wortlaut hielt, sondern diesen zum besseren Verständnis der Gläubigen er-
klärend umschrieb.

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