Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Savonarola, Girolamo; Schnitzer, Joseph [Übers.]
Hieronymus Savonarola: Auswahl aus seinen Schriften und Predigten — Das Zeitalter der Renaissance, 2. Serie ; 10: Jena: Eugend Diederichs, 1928

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.56458#0181
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XI. DRITTE PREDIGT ÜBER DIE PSALMEN1,
gehalten im Dome zu Florenz am Dienstage, 13. Januar 1495
(Die Predigt steht auf dem Index)
„Siehe, das Schwert des Herrn über die Erde, rasch und bald!“
Über die Erneuerung, der Kirche
Heute morgen ist unsere Absicht, alles zu wiederholen, was wir in
diesen vergangenen Jahren über die Erneuerung der Kirche in Flo-
renz gesagt und gepredigt haben, daß sie nämlich unter allen Um-
ständen stattfinden werde, und zwar bald. Wir wiederholen es zu
dem Zwecke, daß jene, welche es noch nicht gehört haben, erfahren
und wissen, die Erneuerung werde sicher und bald vor sich gehen;
jene aber, welche sie bereits gläubig vernahmen, sich heute morgen
im Glauben befestigen, die Ungläubigen sich bekehren, die hart-
näckig Verstockten aber in Scham erbleichen ob der Gründe, welche
wir anführen.
Jedem Geschöpfe ist bei seiner Schöpfung sein Ende gesetzt, sein
Sein und seine Kraft. Die Ewigkeit hat keine Grenze und kein Ende,
denn sie ist der unaufhörliche Besitz schrankenlosen Lebens. Die
Zeit ist keine geschlossene Einheit, wohl aber die Ewigkeit; denn
die Zeit ist teils vergangen, teils gegenwärtig, teils zukünftig. Gott
aber, der allumfassende, ewige, schließt alle Zeit in sich, denn alles
ist ihm gegenwärtig, die Vergangenheit wie die Zukunft, er erkennt
und schaut stets alles gegenwärtig. Wie wir nun von Gott sagten,
daß er alles vollkommen umfasse und begreife, so vermag auch das
Geschöpf, je mehr es sich über den Stoff erhebt, um so mehr Dinge
zu erfassen und zu begreifen. Daher erfaßt und begreift der Mensch
mehr als jedes andere Lebewesen, der Engel aber, noch erhabener
über das Stoffliche, faßt und begreift auch noch mehr als der Mensch.
Darum erkennt der Engel die Ordnung der ganzen Welt; nur die
freizukünftigen Dinge, welche sein und nicht sein können, weil sie
vom freien Willen des Menschen abhängen, kennt auch der Engel
nicht, noch sonst ein Geschöpf, vielmehr hat Gott diese Erkenntnis
des Zukünstigen sich selbst Vorbehalten, und er teilt sie mit, wem
und wann und wieweit er will. Wohl erkennt der Engel jene künf-
1 Prediche dil Rev. Fr. Hieron. Savonarola sopra li Salmi et molte altre nota-
bilissime materie. Venet. 1539. Deutsch b. Wilh. v. Langsdorff, Die Predigt
der Kirche: XI. Hier. Sav. S. 54ff.

in
 
Annotationen