Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Savonarola, Girolamo; Schnitzer, Joseph [Übers.]
Hieronymus Savonarola: Auswahl aus seinen Schriften und Predigten — Das Zeitalter der Renaissance, 2. Serie ; 10: Jena: Eugend Diederichs, 1928

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.56458#0363
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
die Pfründen den schlechten Priestern zu, seinen Anhängern und
Spießgesellen, wie er auch die unwürdigen Ordensleute und solche,
welche ihm schmeicheln, begünstigt. . . Ist dies nun überall, in
jeder Stadt und in jedem Reiche in hohem, ja höchstem Maße von
Übel, so namentlich unter den Christen und meiner Meinung nach
am allermeisten in der Stadt Florenz. Denn erstens ist dieses Volk
überhaupt sehr religiös gesinnt, wie jeder weiß, der mit ihm zu tun
hat. Es ließe sich hier daher ganz leicht der vollkommenste Dienst
Gottes und das tugendhafteste christliche Leben einführen, wenn
eine gute Regierung bestünde, denn gewiß, wir überzeugen uns da-
von Tag für Tag, wenn die schlechten Priester und Mönche nicht
wären, so ließe sich Florenz zum Leben der Urchristen bekehren
und wäre wie ein Spiegel der Religion für die ganze Welt. Schon
jetzt sehen wir, wie die Frommen trotz so vieler Verfolgungen, trotz
so zahlreicher Hindernisse von innen wie außen, trotz aller Bann-
flüche und boshaften Einflüsterungen einen so musterhaften Wan-
del führen, daß sich, mit Vergunst gesagt, unter allen Städten keine
andere nennen oder finden läßt, wo eine größere Anzahl in höherer
Vollkommenheit lebt als hier in Florenz. Wenn nun das christliche
Leben schon jetzt inmitten so vieler Verfolgungen und Hindernisse
so sichtlich gedeiht und das Wort Gottes so reiche Früchte trägt,
wie würde es dann erst erblühen, wenn ihm im Innern ein fried-
liches Dasein gegönnt und aller Widerspruch von Seiten der lauen
und schlechten Priester, Ordensleute und Bürger beseitigt wäre ! ...
XXV. AUSLEGUNG DES PS. 50 (51) : MISERERE
Savonarola genoß in seinem Kerker, nachdem die peinlichen Verhöre durch
den hierzu eingesetzten Gerichtshof beendet waren, in der Zwischenzeit bis
zur Ankunft der päpstlichen Kommissare (25. April — 20. Mai 1498) ver-
hältnismäßige Ruhe1. Mit den Füßen an den Block gespannt, die Hände in
schwere Ketten gezwängt, auf den Boden hingestreckt, der ganze Leib von
den eben bestandenen furchtbaren Folterqualen ein einziges Wehtum, ging
er im Angesichte dessen, vor welchem die Engel nicht bestehen, mit sich
selbst ins Gericht und fand manche Schuld. Er erschrak beim Gedanken an
die Größe und Kühnheit der Entwürfe, mit welchen er sich noch vor kurzem
getragen hatte, und verhehlte sich nicht, daß er den Versuchungen der Eitel-
keit, der Ruhmsucht und des Stolzes inmitten der außerordentlichen Erfolge
seiner Predigt nur zu oft unterlegen sei. Zerknirscht gedachte er all der See-
len, welchen er vielleicht zum Ärgernisse gereicht hatte; er klagte sich an,
in?der harten Arbeit am florentinischen Gemeinwesen die unablässige Sorge
1 Näheres b. Schnitzer I, 56 8 ff.

285
 
Annotationen