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Savonarola, Girolamo; Schnitzer, Joseph [Übers.]
Hieronymus Savonarola: Auswahl aus seinen Schriften und Predigten — Das Zeitalter der Renaissance, 2. Serie ; 10: Jena: Eugend Diederichs, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.56458#0096
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daß Gott diese äußeren wie auch die in der Einbildungskraft vor sich
gehenden Erscheinungen mit Hilfe der Engel hervorbringt, wie der
hl. Dionysius im Buche von der himmlischen Hierarchie lehrt1,
denn alles, was von Gott stammt, hält seine Ordnung ein, nach Röm.
13, 1: „Was von Gott ist, das ist geordnet“2. Die göttliche Weisheit
hält aber die Ordnung ein, das Unterste durch das Mittlere und das
Mittlere durch das Oberste auszurichten. Da nun die Engel die Mitte
zwischen Gott und den Menschen bilden, so teilt Gott seine prophe-
tischen Erleuchtungen mittels der Engel mit, welche nicht nur in
der Einbildungskraft verschiedene Erscheinungen hervorbringen
und wecken, sondern auch innerlich mit den Propheten reden, ja
sich ihnen häufig auch äußerlich in menschlicher Gestalt zeigen,
Künftiges voraussagen und verschiedene Aufträge erteilen. In dem
schon erwähnten Lichte erkennen die Propheten deutlich, daß es
sich um die Erscheinung von Engeln handle, und alles das wahr
und Ausfluß der göttlichen Weisheit sei, was dieselben Engel ver-
künden.
Auf diese drei Arten, bald auf die eine, dann wieder auf eine andere,
empfing und erkannte nun auch ich das Zukünftige; und wie es mir
auch immer zuteil werden mochte — in Kraft des genannten Lichtes
war ich von der vollkommenen Wahrheit und Gewißheit dieser
Dinge stets überzeugt. Da nun der allmächtige Gott sah, daß die
Sünden Italiens besonders in den geistlichen wie in den weltlichen
Fürsten zunahmen, und er sie nicht mehr länger zu ertragen ver-
mochte, so beschloß er, seine Kirche mit einer ungeheuren Heim-
suchung zu büßen. Und da er nach Amos (3, 7) „nichts tut, er ofsen-
bare denn sein Geheimnis seinen Knechten, den Propheten“, so be-
schloß er, diese Züchtigung zum Heile seiner Auserwählten voraus-
verkünden zu lassen, auf daß sie, von ihm gewarnt, auf alles besser
gefaßt seien. Da nun Florenz wie das Herz im Menschen inmitten
Italiens liegt, so würdigte sich Gott, es zur Aufnahme solcher Bot-
schaft zu erwählen, auf daß sie sich von da, wie es gegenwärtig ja
auch wirklich geschah, nach den anderen Teilen Italiens verbreite.
Da er nun unter anderen seiner Knechte auch mich unwürdigen
und unnützen Menschen zu solchem Dienste berief, so kam ich
durch seine Fügung im Auftrage meiner Oberen im Jahre 1489 nach
1 B. Migne, PG. III, De coelesti Hierarchia c. 4. 2 Röm. 13, 1 beziehen sich
diese Worte jedoch auf die Obrigkeiten: „die aber bestehen, sind von Gott
verordnet“.

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