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Savonarola, Girolamo; Schnitzer, Joseph [Transl.]
Hieronymus Savonarola: Auswahl aus seinen Schriften und Predigten — Das Zeitalter der Renaissance, 2. Serie ; 10: Jena: Eugend Diederichs, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.56458#0200
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unseren Tagen ein großer Wahn in der Welt einriß. Alle Augen-
blicke kommt eine neue Andacht zur Jungfrau auf, bald hier und
bald dort, aus Habsucht hat man einen Kramladen aus ihr gemacht.
Die Jungfrau bedarf dessen nicht, man muß sich daher auch wohl
in acht nehmen, denn diese Dinge gereichen dem katholischen
Glauben zuweilen zu großem Schaden, da es sich bei ihnen viel mehr
um das Geld als um die Andacht handelt. Gott und die Jungfrau
wollen das nicht und haben unsere Lügen nicht nötig, um die ge-
bührende Verehrung und Andacht zu erlangen, wie die Schrift sagt:
,,Bedarf denn Gott eurer Lüge?“ (Job 13, 7). Die Leute ziehen heut-
zutage an solche Orte sehr häufig auch viel mehr ihres Vorteils oder
körperlichen Nutzens halber und aus Eigenliebe als aus Andacht.
Wie schon bemerkt, habe ich nicht viel von der Jungfrau gepredigt,
da ich in den Schriften, deren Auslegung ich mir in der Predigt vor-
nahm, keinen Anlaß dazu vorfand. Mir war es hauptsächlich darum
zu tun, den Glauben zu predigen, das tut dir am dringendsten not,
und ich bewies ihn mit vielen Gründen . . .
Dank ihrer vollkommenen Reinheit hegte die Jungfrau die heftigste
und feurigste Liebe zu Gott, wozu dann noch die mütterliche Liebe
zu ihrem Sohne trat, welche ihre Liebe zu Gott nur noch mehr
steigerte. Überdies lebte sie mit ihrem Sohne, der wahrer Gott und
wahrer Mensch war, in innigster Traulichkeit, welche ihre Gottes-
liebe nur wiederum mehrte. Wendest du ein, die Traulichkeit ziehe
Sättigung und Überdruß nach sich, so ist die Traulichkeit mit Gott
nicht wie die irdische; denn die irdischen Dinge tragen alle etwas
Unvollkommenes an sich, das zum Überdrusse führt, bei Gott aber,
dem allervollkommensten, über allen Mangel erhabenen Wesen, ist
es nicht so. Wenn nun die Jungfrau schon äus dieser Welt eine
solche Liebe und Zärtlichkeit zu Gott hatte, so wird sie im Himmel
eine noch viel größere haben. Wenn wir uns also an sie wenden, so
wird sie unsere gütige Fürsprecherin sein, um von Gott alles zu er-
langen, was wir begehren. Denn da sie den Herrn unsäglich liebt,
so liebt heiß auch er sie, da geschrieben steht: „Die mich lieben, liebe
auch ich “ (Spr. 8, 17) . . .

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