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DIE WELTKUNST

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(Fortsetzung von Seite 3)
Der Mensch, den die zeitgenössische Kunst
?'höhnt hat: er, der zum Automaten degra-
c‘lert, in. ein magisches Attribut verwandelt
P'A-r zum Reptil erniedrigt worden war, dieser
pansch, verachtet und gehabt und in seiner
Lebenskraft beeinträchtigt, — er wird siegreich
dieser tragischen Feuerprobe hervor-
9chen. Die Bildnisse von Degas., Befragungen
Utl(I Spiegelungen der Seelen, werden populär
Werden. Van Goghs Gestalten, Marionetten
I er Halluzination, werden, fürchte ich, eine
1Qnge zeit eine Verdunkelung ihres Ruhmes
^leiden. Auf die Inflation, auf die Spekula-
'°n und das wechselseitige Überbieten, auf
Kult der primitiven Kunst, die manchen
^or-übergehenden Ausflug in den Bereich des
'j'aumes' begünstigte, — auf sie wird die
pUnst, wenn auch nicht der Klassik, so doch
klassizistisch gefärbter Richtung folgen. In
9en wesentlichen Lebensfragen verändert sich
9er Mensch nicht. Die europäische Kunst,
Quintessenz und Rückenmark von Europa,
ty'rd sich wieder ihren Quellen zuwenden:
Griechenland, Rom, der Renaissance, dem an-
j*ken Ideal von Winckelmanp, das heute
Ludwig Curfius hochhält. Sie wird für das
G'stgeburtsrecht des Menschen, des denken-
den und handelnden Individuums ein-
lreten, und nicht für den Mass e nm e n -
?.chen, diese Produktions- und Konsum-
bonsi-Maschine. Die Kunst wird humanistisch
sein oder sie wird verschwinden.
Waldemar George

Ausstellungen

Eine
N apoleon-Bibliothek
in Berlin

> Die Bibliotheken Napoleons, der ein
I erinender und interessierter Bibliophile von
J°chstem Format war, sind nach seinem Sturz
■ l|in größten Teil verstreut worden und ver-
ölen gegangen. Es ist daher von größtem
Ueresse, daß plößlich eine Bibliothek Napo-
>9°ns und seiner zweiten Gattin, der Kaiserin
Ji'arie Luise, zum Vorschein gekommen ist.
J'ese Bibliothek, über deren Herkunft nichts
'blautet, steht zur Zeit unter der Verfügung
P['d Obhut des bekannten Berliner Antiquars
Martin Breslauer, der der Bibliophilie
j''d der Wissenschaft einen wirklich großen
Jenst erwiesen hat, als er diese einzigartige
p.'!mmlung dem Verein der Freunde der Preu-
Tschen Staatsbibliothek zu einer Ausstellung
; ’ den Räumen der Staatsbibliothek überließ,
I üf die wir bereits in Nr. 24 der „Weltkunst“
<Urz hingewiesen haben.
t Bei der Eröffnung sprach Hans Fürsten-
i Dg über die Bibliotheken Napoleons und
^besondere über die ausgestellte Sammlung.
I er Generaldirektor der Staatsbibliothek, Ge-
l'öirnrat K r ü ß, wies darauf hin, daß es sich
l'ler nicht um. eine Napoleon-Ausstellung
'ändelte, sondern vielmehr um das in einer
j^schlossenen Einheit erhaltene Gut der
i'öchsfenfwickelfen Buchkultur einer schon
I mssisch gewordenen Epoche Europas. Es
p tatsächlich auch viel weniger die spezi-
’Sche Bedeutung einer Napoleon-Bibliothek,
\äs hier den Beschauer so reizt, als die Ver-
.'higung der schönsten Bücher aus der Hand
I 'T hervorragendsten Drucker und Illustra-
>n in den kostbarsten Einbänden unter dem
'Qhlendsfen Exponenten der Zeit.
Die Sammlung enthält Bücher, die vor
\,'em häufig das sogenannte Alliance-Wappen
öpoleons und der Kaiserin Marie Luise
liegen. Sie hat sich ungefährdet aus dem
^esiß Napoleons und seiner zweiten Frau bis
unsere Zeit erhalten. Nach der Trennung
l^fToleons von Marie Luise hat diese die
^'bliothek mit großen Mitteln erweitert und
LUsgebaut. Für die Geschichte der Druck-
est, der Buch-Illustration und der Einband-
vUst bedeutet diese Sammlung ein durchaus
JUigartiges Material. Eine nähere Unter-
öl Hiung ihrer Bestände wird neues Licht auf
der großartigsten Kulturepochen des
■oien Jahrhunderts werfen.
Die Ausstellung zeigte zunächst Werke, die
s Kaisers Wappen oder seinen Bibliotheks-
Cj|ehipel tragen, teilweise auch Werke ohne
U ese äußeren Kennzeichen. Wir finden hier
V. a- einzelne Karten aus Napoleons Besiß,
3 denen man annehmen muß, daß er sie
(j^sönlich benußf hat, seine Reise-Bibliothek
9 Bücher, die in intimstem Zusammenhang
dem Feldherrn .Napoleon stehen, so die
Wen Bände der „Description de I’Egypte“
(jjd die „Relation de la bataille de Marengo“,
bu dem Kaiser von Berthier auf dem Schau-
typ der Schlacht überreicht wurde. Auf die
6g Ke, deren besondere Zustände, wie
fiir^er, Art, Widmung, Einband, Illustration
den Bibliophilen und1 Bibliographen wichtig,
ty9 die in größerer Menge vorhanden sind,
bjhier nicht näher eingegangen werden. —
tyL Zweite Abteilung umfaßt die Bücher mit
Kp1 Alliance-Wappen des Kaisers und der
^'irter'n' ~ Dine dritte Sparte ist Fest- und
pUnmgswerken zugeteilt und wird in dem
9 glücklich bezeichnet: „Wie Napoleon,
\r'Ie Luise und der König von Rom gefeiert
l?cn.“ — Paris zur Zeit des Kaiserreichs
fiitlj leint in der nächsten Abteilung,, und die
zeigt Marie Luise als Büchersammlerin
Vo 1 dem Sturz Napoleons und als Regentin
hq|( Darma, wo sie naheliegende Gelegenheit
Si^Jc, sich die schönsten Bodoni-Drucke zu
V^e|Ti. Ein Druck der „Oratio dominica“, des
erunsers, das Bodoni in 155 Sprachen ge- |


Aufgaben auch des zeitlichen Hellsehens reden.
Der schlüssigste Beweis für das unbewußte
Entstehen gelang jedoch mit den sog. „psy-
chischen Porträts“ (Abbildung unten).
Bei Experimenten, die ich im Laufe der Jahre
mit Nüsslein machte, zur Vorlesung von Ge-
dichten u. a. oder durch Einstellung auf den
Namen von Dichtern, Philosophen und anderen
großen Persönlichkeiten der Vergangenheit
deren Bilder zu malen, entstanden Köpfe, die
beim Vergleich mit den Originalporträts eine
verblüffende Ähnlichkeit aufweisen. Bedingung
für einen Beweis ist hier natürlich, daß das
Originalporträf weder Nüsslein noch einem der

Heinrich Nüsslein, Nietzsche: Zarathustra

Heinrich Nüsslein
Das Problem des intuitiven Malens
H. W. Ehrngruber, Nürnberg

Anwesenden bekannt ist. Bei der Erforschung
dieses eigenartigen Phänomens konnten wir
feststellen, daß sich dabei stets eine außerhalb
unseres Bewußtseins stehende persönliche
Kraft offenbarte. Diese psychischen Porträts
stellen in erster Linie den geistigen Ausdruck
einer Persönlichkeit dar, wobei oft seelische
Stimmungen in Farbe und Ausdruck wieder-
gegeben sind.
Seit einiger Zeit malt Nüsslein auf Wunsch
für Personen „Seelenporträt s“, die nach
seiner Auslegung oft frühere Inkarnationen
bzw. frühere Existenzen des transzendentalen
Ichs oder auch Schußgeister darstellen.
Eine andere Art seines Schaffens ist das
Umsehen von Musik oder vorgetragener
Dichtung in Farbe und Komposition, die
Umseßung eines Themas aus dem Reich des
Klanges in das der Farben. Die herrlichste
Musikübertragung, die Nüsslein geschaffen
hat, dürfte wohl die zu Beethovens Neunter
Symphonie sein. Eine Übertragung von Par-
sifal befindet sich in dem okkulten Museum
des erst kürzlich verstorbenen Sir Arthur
Conan Doyle-London, der außerdem noch eine
Reihe interessanter Bilder erworben hat. Unter
den Literaturkontakten sind erwähnenswert
solche zu E. A. Poe, Baudelaire, Novalis,
Hölderlin, Nießsche (Abbildung oben), Heine,
Lenau, Verheeren, Villon, Li-tai-pe, Homer,
Empedokles und vielen anderen.
Noch ein paar Säße über die große Schnel-
ligkeit, in der die Bilder entstehen: 3—10 Mi-
nuten für kleinere, 10—30 Minuten für große
Bilder. Jede Intuition ist blißartig und wird ihr
Leben in einem Bild nur dann behalten, wenn
sie auch blißartig erfaßt ist. Ein Bild, an dem
Nüsslein über Gewohnheit lang malt, ist mei-
stens schwach im Ausdruck und besißt wenig
künstlerische Qualitäten.
Die Malerei Nüssleins ist eine Grenzkunst
im Sinne des Expressionismus, jedoch fehlt ihr
das künstlich Gewollte. In ihren verschiedenen
okkulten Phänomenen eröffnet sie unabseh-
bare Perspektiven. Ein derartiges inspiriertes
Schaffen wird aber immer nur ein Dienen sein
können und ist unbedingt mit dem Ethos des
Schöpfendenverbunden und von ihm abhängig.

Das Werk des Nürnbergers Heinrich Nüss-
lein ist ein Baustein zu der Erforschung des
inspirierten Kunstschaffens, das in die ver-
borgenen Tiefen unserer Seele leuchtet. Wenn
ich hierbei das Malen Heinrich Nüssleins im
Hinblick auf einen Teil seiner Bilder als Kuyist
bezeichne — Nüsslein selbst nennt sich nie
Künstler, sondern nur „Bilderschrei-
b e r“ —, so tue ich es, weil dieser Teil seiner
Bilder sich über allen okkultistischen Experi-
mentalismus hinaushebt. In der Erkenntnis der
Unmöglichkeit, eine rationale Erklärung mysti-
scher Phänomen geben zu können, möchte ich

lernte, sich an die Leitung des unbewußten Es
zu gewöhnen. Ihm selbst gelang es mehr und
mehr, eine bewußte, gedankliche Einwirkung
auf das entstehende Bild auszuschalten. Um
einen immer wieder auftauchenden Irrtum
richtigzustellen, ist zu
betonen, daß Nüsslein
nicht in Trance,
Halbtrance oder einem
das Oberbewußtsein
aus’schaltenden Seelen¬
zustand arbeitet. Er läßt
lediglich die Inspiration

durch seine Hand malen
und führt so einen psy-
chischen Spaltungs-
zustand herbei, bei
dem er selbst sich
bei völligem Bewußt-
sein ohne irgendeine
Bewußtseinstrübung be-
findet.

Nach dem automati-
schen Zeichnen begann
Nüsslein in Pastell
und O 1 zu malen,. Seine
Darstellungswelt ist un-
begrenzt, bringt Land-
schaften aus allen
Ländern, Blumenstill-
leben, Porträts, Figuren-
kompositionen und Bil-
der rein abstrakten In-
halts. Sein Wollen
richtet sich darauf, die
Seele, das Geistige der
Dinge zu malen, das
Unsichtbare sichtbar zu
machen.

Heinrich Nüsslein
auf Grund meiner langen Verbundenheit mit der
Malerei Nüssleins die Aufgabe des Ordners
übernehmen, um dadurch das Verständnis zu
erleichtern.
Nüsslein war im Leben schon immer eine
schöpferische Persönlichkeit, auch zur Kunst
hatte er in jungen Jahren einen starken Drang,
der jedoch infolge der Ungunst der Verhält-
nisse oder der Unreife nicht zum Durchbruch
kam. Erst Ende der vierziger Jahre wurden
bei ihm durch mediale Versuche die Schleusen
zu dieser großen Begabung des inspirativen
Gestaltens geöffnet. Seine Entwicklung als in-
spirierter Maler begann wie bei anderen me-
dialen Künstlern zuerst mit dem automati-
schen Schreiben und Zeichnen von Fi-
guren und Köpfen, allmählich wurden die Dar-
stellungen klarer, die Linien weniger steif;
seine Hand war geschmeidiger geworden und

Für die Untersuchung
der Entstehung dieser
Bilder aus dem „U n -
bewußten“ wird ein
Teil der Landschaften und anderen Darstellun-
gen nicht in Frage kommen, weil hier die Ent-
stehung durch das sog. „Unterbewußtsein“,
durch Erinnerung an früher Gesehenes nicht
widerlegt werden kann. Malt jedoch Nüsslein
eine Landschaft in seelischem Kontakt zu einer
Person oder einem Gegenstand, und dieses
Bild entspricht einer gegebenen Aufgabe, ohne
daß eine Gedankenübertragung möglich war,
so wird man hier nur von einem Schöpfen aus
dem Unbewußten sprechen können. Wenn er
zum Beispiel die Gegend eines fernen Landes
darstellf, das weder er noch die bei dem Ver-
such anwesenden Personen kennen, und bei
der nachträglich stattfindenden Kontrolle er-
gibt sich, daß die dargestellte Landschaft in
ihren wesentlichen Zügen mit dem Kontakt-
objekt übereinstimmt, so kann man nur von
einem Phänomen des räumlichen, bei anderen

Fran<;ois Villon

druckt hat, zeigt eine Widmung des Grafen
Neipperg, der Marie Luisens zweiter Gatte
wurde. Die sechste und lcßte Abteilung ent-
hält Bücher, die Marie Luise nach dem Tode
Napoleons erworben hat. Wir finden hier
frühe Balzac-Ausgaben, die sämtlichen Schrif-
ten Boernes, den ganzen Alexander Dumas
in Erstausgaben, Gaudy, den von Delacroix
illustrierten „Faust“, eine französische E.T. A.
Hoffmann-Ausgabe; — überhaupt ist hier alles
vorhanden, was man damals eben gelesen hat.
Die Bibliothek verliert hier der Qualität der
gesammelten Literatur nach durchaus ihren
anfänglich auch inhaltlich betonten repräsen-
tativen Charakter, der nach außen hin durch
Beibehaltung der meist roten Maroguinbände
streng gewahrt bleibt. Vielleicht das Schönste
in der ganzen Bibliothek sind die Blumen-
und Tierbücher in Folio oder in größtem For-
mat mit herrlichen Farbstichen, deren deko-
rative Wirkung man heute wieder entdeckt hat.
Wie schon in der Tagespresse vermutet
wurde, dürfte diese Bibliothek troß allen
Schweigens über die Herkunft nur aus dem
direkten Nachlaß der Kaiserin Marie Luise
kommen können, d. h. also aus der Familie
der Fürsten Montenuovo, wie die
Neippergs ifalienisiert später hießen. By.

Sammlung H.
Die Berliner Privatsammlung H., die u. a.
Werke von Greco, Rogier van der Weyden,
Rubens, Daumier, Renoir, Cezanne, Munch,
sowie hervorragende moderne Plastik ent-
hält, und die durch Paul Cassirer und Theo-
dore Fischer am 1. September in Luzern zur
Versteigerung gelangt, wird, bevor sie nach
Luzern geht, zur Vorbesichfigung vom 20. bis
25. Juli bei Paul Cassirer, Berlin W10,
Viktoriastr. 35, ausgestellt.

Eine brasilianische
Künstlerin in Moskau
Sowjetrußland scheint auf Südamerikaner
eine starke Anziehungskraft auszuiiben, was
zahlreiche Reisende immerfort bestätigen.
Außer dem Interesse für die neue politisch-
soziale Gestaltung der Räte-Union liegt der
Grund wohl auch in jener Mischung von Pri-
mitivität und Kultur,
welche beiden Staaten¬
gebilden gemein ist.
Als neuester Gast jen¬
seits des Ozeans weilte
vor kurzem in Moskau
die brasilianische Ma¬
lerin Mme Tarsila,
welche eine Reihe ihrer
Gemälde im hiesigen
„Museum Westlicher
Kunst“ zu einer Son¬
derschau vereinigt hat.
Madame Tarsila
siammt aus der Schute
Fernand Legers, hat
sich deren solides male¬
risches Metier ange¬
eignet und verfolgt die
gleichen flächig-deko¬
rativen Tendenzen, wel¬
chen ein ausgesproche¬
nes Gefühl für sonore
Farbenklänge als Sfüße
dient. Leßfere fesseln
in allen Werken der
Künstlerin, die Städte¬
bilder oder exotischen
Landschaften mit riesen¬
haften Kakteen und
saftigem Baumwuchs
(Abbildung nebenst.)

darstellen. Halb phantastische Wesen, die auf
Typen der Ureinwohner Brasiliens zurückgehen
sollen, dienen solchen Kompositionen oft als
Staffage, erscheinen aber auch in mehr rea-
listisch behandelten Einzelsfudien. Das deko-
rativ-koloristische Element bleibt überall vor-
herrschend, und in ihrer leßten Phase lehnt
sich Mme Tarsila an einheimische Volkskunst
an, wie denn überhaupt ihre Begabung in
erster Reihe auf dem Gebiete angewandter
Kunst zu liegen scheint. P. Ett.


Madame Tarsila, Exotische Landschaft
Paysage exotique — Exotic landscape
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Moskau, Museum westlicher Kunst
 
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