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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 31 (2. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44978#0344
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2

DIE WELTKUNST

. Jahrg. V, Nr. 31 vom 2. August 19^

sog. „Affenbecher“, der bereits 1464 im
Schatzinventar der Medici erwähnt ist und der
nach Falke eine burgundische Arbeit der
Mitte des 15. Jahrhunderts darstellt. Diesen
Prachtstücken reihen sich eine größere Zahl
nicht minder interessanter Werke an, vor
allem eine Anzahl Religuienkasten, wie das
schweizerische Exemplar des 15. Jahrhunderts
mit Hochrelieffiguren von Heiligen oder zwei
als Gegenstücke zu bezeichnende elsässische
Kasten in vergoldetem Kupfer mit gravierten
Manen-Darstellungen, deren Stil nicht unbe-
einflußt erscheint von graphischen Arbeiten
Schongauers. Dazu eine größere Anzahl Vor-
trage- und Prozessions-Kreuze, Armreliguiare,
Meßkelche, Monstranzen und andere kirch-
liche Gebrauchsgegenstände, deren Einzel-
beschreibung zu weit führen dürfte.
Ein gleich hohes Qualitätsniveau beob-
achten wir bei den Werken der Renaissance,
die den ersten Teil der Versteigerung be¬

schließen. Hier sind es vor allem spanische
Arbeiten, auf denen das Schwergewicht ruht,
voran der kostbare silberne Hausaltar, der in
seiner Tempelform eine schöne Pietä-Gruppe
bewahrt, mehrere Monstranzen und Prozes-
sionskreuze, die sich, Arbeiten des 16. Jahr-
hunderts, durch ein zähes Festhalten an goti-
schen Einzelformen auszeichnen. Aber auch
einige deutsche Arbeiten sind zu nennen, so
z. B. eine silbervergoldete Hostienmonsfranz
von 1595 aus einer ostpreußischen Kirche, ein
treffliches Beispiel jener Blütezeit preußischer
Goldschmiedekunst, aus der sich nur so
wenige Meisterwerke erhalten haben. Einige
prächtige deutsche Schmuckstücke der Wende
des 16. Jahrhunderts stehen am Schlüsse. Die
Sammlung der Finger-Ringe aus dem Besitze
Alfred Rütschis ist bekanntlich bereits im
letzten Jahre zusammen mit den Gemälden
ausgeboten worden.
Dr. Werner R. D e u s c h


die aufgepeitschte Maßlosigkeit macht diese
Unternehmungen sinnlos; die Ausstellung
italienischer Kunst in London, zu der nie von
ihrem Plaß entfernt gewesene Schäße in einem
eigenen Kriegsschiff gebracht worden waren,
ist im Laufe von sechs Wochen von 500 000
Menschen besucht worden. Frage: wieviel
Rücken, Hüte und Hinterköpfe muß jeder Be-
sucher auf einen Quadratdezimeter Meister-
werk in sich aufgenommen haben? und wer
kann von einem solchen Auftrieb von tau-
senden von Meisterwerken (schreckliche Vor-
stellung!) einen Nüßen gehabt haben, als die

-1
Spezialisten und Versicherungsgesellschaften
Was für einen Sinn hatte aber auch ei’1,
Darbietung deutscher Romantiker im
huwabohu einer Glaspalastausstellung, el_
Strauß blauer Blumen in Kraut und
ben eines Aufgebots von 2000 Bilder^
Die unerseßbaren Kostbarkeiten aus N'k'
derländisch-Indien, die das ethnographis01'
Museum von Leiden nun in Paris verloren ha'
bedurften doch wirklich nicht der Rekla1”,
durch eine solche Ausstellung, um der Wisse11,
schaff bekannt und zugänglich zu werden. 0e
nug von diesem Unfug!

Krise der modernen Kunst
Von
Dr. Walter Passarge
Direktor des Thaulow-Museums, Kiel

Der Unfug der Ausstellungen
Von Hofrat Dr. H. Tietze, Wien

Nun hat das Geseß der Serie dröhnend auf
den Tisch geschlagen, um sich Gehör zu er-
zwingen; nach dem Glaspalast in München hat
der holländische Pavillon der Kolonialaus-
stellung in Paris dran glauben müssen, um der
Öffentlichkeit beizubringen, mit welchem
Leichtsinn unerseßliche Güter gehütet werden.
Welches die speziellen Ursachen der Kata-
strophe in beiden Fällen waren, bleibt sich
gleich; technische Redewendungen werden
darüber nicht hinwegtäuschen, daß schwere
Versäumnisse zumindest mit im Spiele ge-
wesen sein müssen; die lokalen Behörden
werden sich so schwer von dem Vorwurf un-
genügender Vorsorge reinigen können wie die
an Ort1 und Stelle befindlichen Fachleute, durch
ihre stillschweigende Bürgschaft für die
Sicherheit der Veranstaltung fremde Museen
zur Darleihung ihrer Schäße veranlaßt zu
haben. Jeßt ist der Schaden geschehen, der
weder ideell noch materiell gut zu machen ist;
denn selbst die scheinbare finanzielle Schad-
loshaltung durch eine Versicherung wird sich
für die betroffenen Museen als illusorisch er-
weisen; die Rauchschwaden hatten sich noch
nicht über dem Glaspalast erhoben, als die
Preise für Romantikerbilder heftig anzogen.
Hoffentlich wird die einmalige Wieder-
holung genügen, um einen Ausstellungsbetrieb
abzutun, der sich in den leßten Jahren zu
einem ungeheuren Unfug entwickelt hat. Un-
aufhörlich finden retrospektive und repräsen-
tative Ausstellungen alter Kunst statt, die die
größte in ihrer Art, die vollständigste, die
kostbarste zu sein begehren; alle großen
Museen klagen darüber, daß ihre Objekte fort-
während auf einer Wanderschaft sind, von der
noch niemals eines besser und schöner zurück-
gekommen ist. Gewiß haben manche dieser
Ausstellungen auch ihre unzweifelhaften Ver-
dienste; sie lösen sogenannte Probleme und

Inhalt Nr. 3i
Dr. W. R. D e u s c h :
Kunstgewerbe des Mittelalters. Slg. A. Rütschi
(m. 4 Abb.) .1/2
Hofrat Dr. H. Tietze (Wien):
Der Unfug der Ausstellungen.2
Dr. W. Passarge (Kiel):
Krise der modernen Kunst.2/3
Altportugiesisehe Kunst (m. 2 Abb.) .... 3, 7
Auktionsvorberichte.4
Auktionsnachberiehte (m. Abb.).4
Ausstellungen der Woche . . . . 4
Auktionskalender .5
Dr. L. Baldass (Wien):
„Persönliche Meinung und sachliche Verant-
wortung“ .6
Preisberichte — Kunst im Rundfunk .... 6
Dr. F. Neugass (Paris):
Edgar Degas (m. Abb.).7
Leinberger-Gedächtnisausstellung in München . 7
Ulmer Ausstellungen.7
L. F. F u c h S‘ (München):
Feste-Oberhaus-Museum in Passau .... 7
Zusammenschluß der Heimatmuseen.7
Nachrichten von überall . . . . 8
Unter Kollegen.8

helfen anderen fachlichen Sorgen; wer könnte
Hans Burgkmairs malerisches Werk mit einem
Blick überschauen, wenn es nicht anläßlich des
400. Todestages des Meisters in Augsburg ver-
einigt worden wäre — übrigens in einer wirk-
lich jede Art von Schädigung ausschließenden
Weise. Aber solche lokale und berufliche
Nüßlichkeiten in allen Ehren, bei den großen
Veranstaltungen dieser Art wird das sachliche
Interesse durch Eitelkeit, Schaulust, Sensa-
tionsgier, Rekordwerf völlig erstickt. Gerade

In Verfolg unserer Diskussion über Wert und
Berechtigung der modernen Kunst, die wir in Nr. 17
mit dem Aufsatz von Dr. A. Gold aufnahmen
und zu der bisher Walter Bondy, Dr. H. W.
Leisegang. Dr. K. Kusenberg, Dr. E. v.
Sydow und Prof. Dr. J. Baum das Wort er-
griffen, bringen wir heute die interessanten Aus-
führungen von Dir. Dr. Walter Passarge, Kiel.
Die Frage, ob die Malerei heute noch eine
kulturelle Bedeutung hat, geht von der Vor-
ausseßung aus, daß die Malerei — und damit
alle darstellende Kunst überhaupt — ein Glied
des kulturellen Lebens sei, das gegebenen-
falls absterben könne und das also für den
Gesamtorganismus der Kultur keine lebens-
wichtige Funktion besiße. Diese Voraus-
seßung ist falsch. Die Malerei ist so alt wie
die Kunst, die Kunst so alt wie die Kultur, die


Reliquien-Kästchen. Limoges, 2. Viertel 13. Jahrhundert
Chasse. Limoges, vers 1225—50
H. 15, L. 14 cm — Collection A. Rütschi, Zürich — Kat. Nr. 23
Versteigerung — Vente — Sale: Galerie Fischer, Luzern, 5. September 1931

Kultur so alt wie das menschliche Leben iibe'j
haupt. Mit dem Begiiff menschliches Leben >’
der Begriff Kultur, das heißt gestaltetes Leba
(und sei es in noch so primitiver Form) l*”.
geseßt — und damit auch Kunst. Das Strebe,
nach künstlerischer Formung und im besoT
deren nach malerischer Gestaltung ist ein
trieb des Menschen. Die Kunst entwickelt sK1
nicht, wie u. a. Vierkan.dt vorzüglich dargek^
hat, aus einem Stadium vorkünstlerischer
tur: sie ist immer da, als leßfhin autonoh1
menschliche Äußerung und Leistung. Sie kaf!
also auch nicht aufhören oder ihre kulturC’1
Bedeutung verlieren, solange menschlich^
Leben besteht. Mag in den einzelnen Kultu^
Perioden und in den verschiedenen Kultur|
räumen bald die eine, bald die andere Kut\5
stärker in den Vordergrund treten — mö9e.
äußere Umstände religiöser, sozialer, "'1.r,f
schafflicher, politischer Art die Entfaltung
geistigen Formen gelegentlich hemmen ul1,,
einengen: an sich sind alle Grundarten künU
lerischer Gestaltung für das Leben und
Kultur gleich wichtig.
Der Gedanke, daß es heute mit der bilde11
den Kunst und besonders mit der Malerei
Ende sei, ist in den leßten Jahrzehnten niehL
fach ausgesprochen worden. Es werden da’1
zunächst rein äußere, vornehmlich wirtscha’.
liehe und soziologische Gründe angefüh
Man betont etwa, daß die darstellenden c>d
„freien Künste“ heute kein soziologisch
Fundament mehr besäßen, daß es keine fe y
Aufträge mehr gäbe, daß der Künstler 5 f
zusagen ins Blaue hineinschaffe. Und 111 f
vergleicht gern die gegenwärtige Situation ‘’j,
Malerei mit der der Architektur, die, wirk'!1
gegenwärtigen Aufgaben dienend, heute ’J,r
Stil gefunden habe und unserer Zeit ihr kün5 :
lerisches Gepräge gäbe, während die
sich in subjektivistischen Experimenten erflC
die schließlich nur noch den Künstler se je
interessierten. Man sagt weiterhin, daß gera
die Malerei als eine ausgesprochen individ’’
listische Kunst im Zeitalter eines siegreich ,
dringenden Kollektivismus keine Dase|1!j||
Berechtigung mehr habe. Und man erkk ,
schließlich, daß die Aufgabe, die sich die da
stellenden Künste vor allem der Neuzeit S.£|
stellt haben: die Natur abzubilden, heute
besser von der schneller, exakter und biH’9
arbeitenden Photographie erfüllt werde.
Nun ist es zweifellos richtig, daß jje
Malerei heute keine feste s o z i o 1 o g i s c
Verwurzelung mehr aufweist und daher mit.z
stärksten unter der allgemeinen Wirtscha* ef
kiise zu leiden hat. Das ist aber bei e
ganzen Reihe anderer Geistesgebiete ebcJJv
der Fall. Dieses Manko ist das notwendU
Korrelat einer steigenden Verselbständig
der Künste, die in einer zunehmenden
renzierung unseres gesamten kulturellen He
bens begründet liegt und deren positive
man doch nicht Unterschüßen sollte. fc
weitgehende Bindung der darstellenden KüJ1 jji
wie etwa im Mittelalter und noch zum Tel .,1’
Zeitalter des Feudalismus erscheint uns he c5
weder möglich noch wünschenswert. Und ,,
ist nicht zu verkennen, daß heute in versC'1^
densten Kreisen — nicht nur des gebild^p
Bürgertums, sondern auch der kulturell aej|i
^teigender^^A^eiterachaf^^-^^ielfacl^^

DemoTTe

ACHETEUR
SCULPTUPES-VITRAUX
TAPISSERIES- IVOIRES
EMAUX-MEUBLES

G0THIQU6S

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PAUL CASSIRER
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