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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 49 (6. Dezember)
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Nr. 49 vom 6. Dezember 1931

Beilage der WELTKUNST
DER BIBLIOPHILE

UND
DER GRAPHIKSAMMLER

Bemerkungen eines Bibliophilen
Von Dr. Alexander Bessmertny

In Deutschland hat das bücherkaufende
Publikum schon aus dem Nationalcharakter
heraus eine andere Einstellung zum Buch, als
es etwa bei dem Publikum in England und vor
allem in Frankreich üblich ist. Bei uns sind
Bücher viel mehr eine heilig gehaltene Sache

manchem unangenehm erscheinen mag: die
numerierten Exemplare sind wirklich die Mo-
delle der billigen Ausgaben und man muß sich
bei ihnen ebenso darauf verlassen können, daß
sie in nicht mehr Exemplaren, als angezeigt
wurden, vorhanden sind.

als bei anderen Völ¬

kern. Der Deutsche,
.der ein Buch kauft,
gleichgültig welcher
Art, will es meist nicht
nur gelesen haben,
sondern späterhin auch
wirklich behalten. Da-
her kommt es, daß bei
uns gebundene Bücher
auf den Markt ge-
bracht werden müssen
und die Buchläden
schon äußerlich ein
ganz anderes Aussehen
haben als in Frank-
reich, wo in einem
Sortiment fast aus-
schließlich broschierte
Bücher aufgestapelt
sind. Leider sind noch
lange nicht genug Ex-
perimente gemacht
worden, um festzustel-
len, ob es möglich ist,
auch in Deutschland
das Publikum an das
broschierte Buch zu ge-
wöhnen, das den Vor-
teil hat, erheblich billi-
ger zu sein. Wer das
broschierte Buch behal-
ten will, kann es dann
bei seinem Buchbinder
anständig binden las-
sen. In Frankreich und
Italien ist es eben doch
so, daß von fast allen
Büchern neben der ge-
wöhnlichen billigen bro-
schierten Ausgabe wei-
tere Abzüge auf beson-
ders gutem Papier her-
gestellt werden, die
numeriert sind und den
bibliophilen Bedürfnis-
sen genügen sollen.
Diese Bücher werden
vom Buchbinder dann
nach dem Geschmack
des Sammlers gebun-


Anderson

Werk des in Deutschland höchst

American Art Association
York, Januar 1932

Es gehört sich durchaus nicht, daß
— meinethalb tausend numerierten
— auch nur ein einziger weiterer
ohne Nummer selbst als Beleg an den
gelangt, geschweige denn, daß dies mit
Dutzend von Drucken geschieht. Auch
und bedeutende Verlage haben sich um

numerierten Drucken ent-

Wenn ein
verehrten Dichters in einer numerierten Aus-
gabe erscheint, noch dazu in einer Auflage von
nur sieben gezählten Stücken, so fühlt sich
jeder Besitzer eines dieser sieben Bücher durch
ein besonderes Vertrauensverhältnis mit dem
Dichter verbunden. Jetzt tauchen plötzlich
nach Personalveränderungen in der Leitung
des Verlages neue unnumerierte Exemplare
der Dichtung auf und zwar nicht etwa ein

Miniatur aus dem Tikytt-Psalter, England, um 1300
One of the magnificent full page illuminations in the Tikytt
Psalter, done in England, about 1300
Collection Marquess of Lothian
Versteigerung — Vente — Sale:
Galleries, New

der Dichtung
Bürstenabzug oder ein Korrekturexemplar,
sondern den
sprechende Abzüge auf Japan, wenn auch nicht
wie die gezählten in Pergament, sondern in
Pappe gebunden, aber mit den bekannten In-
signien des Verlages. Wäre schon die ge-
heime Herstellung und Zurückhaltung eines
unnumerierten Exemplars für das Archiv des
Verlages eine Irreführung über die Zahl der
wirklich gedruckten Stücke, so zeigt das Er-
scheinen von drei weiteren Drucken gerade in
einem Kreise, der Anspruch auf unnachgiebige
Haltung erhebt, kälteste Unredlichkeit. Nicht
einmal die Gestalt des großen Dichters wird
ein Mißtrauen gegen die äußere Erscheinungs-
art seiner Publikationen verscheuchen können.
Wenn auch der Fall beim Vorliegen von nur
sieben Stücken besonders eklatant ist, so hat
jeder Sammler viel zu oft andere nicht nume-
rierte Exemplare bezifferter Auflagen ge-
sehen.
außer -
Drucken
Druck
Autor
einem
große
die eigene Versicherung, nur eine bestimmte
Anzahl von Drucken hergestellt zu haben, auf

den, und von einer mo¬
dernen Bibliothek redet
man eben erst dann,
Wenn man handgebun¬
dene, numerierte Werke
besitzt. Es ist sehr
schwer, hier zu raten
und zu empfehlen. Prinzipielle Erwägungen
über das, was bei uns angebracht ist, müssen

einer späteren Betrachtung vorbehalten sein.
Eines aber ist gewiß, und zwar, daß das
Ansehen des numerierten Exemplars bei
Uns durch die Luxusdruckproduktion der
Inflationsjahre ebenso gelitten hat wie durch
eine Laxheit bei der Handhabung der Numerie-
rung selbst. Die Flut der Inflationsluxus-
drucke war eine Folge der Flucht in die Sach-
Werte und wurde selbst wieder zum Anlaß,
solche Sachwerte zu schaffen. Es waren nicht
hur die sich in das Verlagsgewerbe einschieben-
den Außenseiter, die aus Mangel an Erfahrung
Und Geschmack wertloses Zeug produzierten,
Sondern auch große und angesehene Verlags-
anstalten, die unter dem heute kaum mehr
Vorstellbaren Druck der Verhältnisse Bücher
Produzierten, die sie heute gern verleugnen
blochten. Aber nicht von diesen Unglücks-
früchten soll hier die Rede sein. Viel wichtiger
ist, daß bei Verlagen, die keinerlei Ausreden
für sich geltend machen dürften, der Sinn der
Numerierung durchaus verkannt worden ist.
Auch wenn der Verleger das Nummernsystem
I’eim bevorzugten Druck als snobistische Ange-
legenheit betrachtet, so ist die Sache doch die,
haß der Käufer und Sammler immerhin darauf
Mut, daß nur so viele Drucke hergestellt wur-
den, wie der Verlag angibt, und daß sein
Exemplar Nr. 13 von insgesamt hundert ge-
druckten Exemplaren wirklich das 13. Exem-
plar von wirklich 100 Stücken ist. Als man
'-iiimal einem der größten deutschen Verleger
11 ahelegte, um die Konjunktur auszunutzen,
:-Uch numerierte Ausgaben seiner Autoren zu
Kuranstalten, sagte er indigniert, er sei doch
“ein Konfektionär, der Modelle höher aus-
zeichne. Und wenn der Vergleich vielleicht auch

diesem Wege hinweggesetzt. Die Auswirkun-
gen dieses gewiß oft nur sorglosen Gebarens
machen sich schon lange genug bei uns be-
merkbar. Das Interesse am numerierten
Exemplar erlischt beim deutschen Sammler
letzten Endes mit Wirkung gegen den Ver-
leger.

Man mag sagen: Das ist doch alles Spielerei
und es ist doch durchaus ohne Bedeutung, ob
da sieben oder zehn Exemplare mit Num-
mern oder ohne Nummern erschienen sind. —
Aber wenn das Sammeln von numerierten
Drucken ein Spiel ist, so wollen wir, daß man
die Gesetze des Spiels achtet.

5 dien wir alte Graphik verkehrt?

Eine für alle Freunde alter Graphik sehr
bedeutsame Frage erörterte Herr Dr. Hans
Cürlis in einem Vortrag der Berliner
Ku n s t g e s c h i c h 11 i ch e n Gesell-
schaft. Wie sah die Bildkomposition, die
dem Graphiker der Blütezeit vorschwebte,
eigentlich aus: so, wie wir sie aus den Ab-
drücken kennen, — oder so, wie sie in die
Kupferplatte oder den Holzblock hineingear-
beitet wurde ? Hat der Künstler früherer
Zeiten der Umkehrung seiner Kompositionen
Rechnung getragen oder nicht?
Dr. Cürlis stellte auf Grund eingehender
Beobachtungsreihen ein Gesetz fest, daß der
Blick des Bildbeschauers seinen Ausgang stets
von links unten nimmt, dann erst nach rechts
oben wandert; daß ihn also das links unter im
Bild Befindliche zunächst anspricht und das
Interesse fesselt — während die Gegenstände
rechts unten im Bild erst einem eingehenden
Studium nahekommen. Als besonders deut-
liches Vorbild demgemäß gebauter Komposition
nannte der Vortragende Raffaels Sixtinische
Madonna.
Demgegenüber fällt es auf, daß der fein-
fühlige Dürerkenner Wölfflin in seinem
Dürer-Buche mehrmals dem großen deutschen
Meister, der so sorgfältig seine Kompositionen
berechnete, den Vorwurf der Unübersichtlich¬

keit seiner graphischen Blätter machen muß.
Geht man nun an eine Probe, betrachtet die
betreffenden Blätter im Spiegelbild, so ergibt
sich, daß das obengeschilderte — bewußte oder
unbewußte — Gesetz der Blickbahn zu seinem
Recht kommt. Nun wird die „gezwungene“
Komposition ungezwungen! Im Spiegelbild
erst haben wir den vollen Genuß des in des
Künstlers Kopf entstandenen Kunstwerks.
Ein Beweis dafür ist auch, daß die handge-
zeichneten Vorstudien oder Teilstudien stets
im umgekehrten Sinn existieren wie die Drucke.
Nach den überzeugenden Demonstrationen
Dr. Cürlis’ ist es gar keine Frage mehr, daß
wir bisher die graphischen Werke früherer
Zeiten verkehrt gesehen haben. Und daß wir
erst die Blätter derjenigen Künstler richtig
sehen, die in späteren Zeiten einen Spiegel
bei der graphischen Arbeit gebrauchten. Eine
Frage ist nur, ob den Künstlern der Blüte-
zeit die Akzent-Verschiebung ihrer graphi-
schen Kompositionen durch Seiten-Verkehrt-
heit einfach nicht auffiel — oder ob für sie
die künstlerische Leistung auf der Kupfer-
platte oder dem Holzblock beendet war. Wo-
durch das Publikum, das nur die Abzüge in die
Hand bekam, mit dem schwächeren Abglanz
ihrer Leistung abgespeist wurde.
Dr. A. H.

Zwei Weihnachts-Holzschnitte Dürers

Die beiden Weihnachtsbilder, die wir aus
dem Besitz des Bibiographikon
Wertheim, Berlin veröffentlichen (Ab-
bildungen unten), sind zwei ziemlich
unbekannte Arbeiten Dürers, die erst seit kur-
zem als solche festgestellt werden konnten.
Da sie bisher nur in
nicht leicht zugäng¬
lichen Werken (zuletzt
von Kögler im Guten-
berg-Jahrbuch 1926)
publiziert wurden,
dürfte eine Abbildung
dieser seltenen Holz-
schnitte von Interesse
sein.
Sie gehören zu einer
Serie von 18 Illustra-
tionen in gleichem For¬
mat, die um 1493 in
Basel entstanden. Diese
stammen offensichtlich
von dem gleichen
Künstler, der auch die
Illustrationen zum „Rit-
ter vom Thurn“ (1493)
und zum „Narrenschiff“
(1494) geschaffen hat
und dem Weisbach den
Namen des „Meisters
der Bergmannschen
Offizin“ gab. Alle diese
Holzschnitte sind in
einem Stil gehalten, der
sich schroff abhebt von der bis dahin in Basel
üblichen Gewohnheit und der nachher in Nürn-
berg deutlich weiterlebt.
In jene Zeit nun fallen die Wanderjahre
des jungen Dürer, der, nachdem er 1490 in
Wohlgemuts Werkstatt ausgelernt hatte, „vier
Jahre draußen blieb und danach 1494 (nach
Nürnberg) wiederkam“. Über die Schicksale
Dürers zu dieser Zeit sind wir nicht unter-
richtet. Früher nahm, man an, daß er eine
Reise nach Italien unternommen hätte. Als
man jedoch in der Kunstsammlung zu Basel
einen Holzstock mit der Darstellung des
Hl. Hieronymus entdeckte, der auf der Rück-
seite die eigenhändige Handschrift Dürers
trägt, hatte man einen untrüglichen Beweis
für den Aufenthalt Dürers in Basel, und zwar
für die Zeit um 1492; in diesem Jahr wurde
der Holzschnitt als Titelbild einer Ausgabe
der Epistolae des Hieronymus abgedruckt, die
bei dem Baseler Drucker Kesler erschien.

Die Übereinstimmung im Stil dieser un-
zweifelhaften Dürerarbeit mit den Werken des
sog. Bergmann-Meisters sind so überzeugend,
daß diese Holzschnitte, zu denen auch unsere
Weihnachtsbilder gehören, immer einstimmiger
als Jugendarbeiten Dürers anerkannt werden,

so von Friedländer (Albrecht Dürer, der
Kupferstecher und Holzschnittzeichner) und
von Winkler, der in dem Oeuvre-Katalog
Dürers (Klassiker der Kunst Bd. IV, S. 183)
vier andere Holzschnitte dieser Illustrations-
folge abbildet.
Ursprünglich war diese Folge für ein
Gebetbuch bestimmt, das jedoch nie erschien.
Abdrucke der Holzschnitte finden sich verein-
zelt in einigen Werken Bergmann Olpe’s,
später bei dem Baseler Drucker Michael
Furter. Aus dieser Offizin stammt auch der
Druck aus dem Besitz des Bibiographikon
Wertheim, der unserer Reproduktion zugrunde
liegt: Ein um 1500 erschienener Sammelband
von Traktaten des Hl. Augustinus, Bernhard,
Bonaventura und Thomas’ von Aquin, „uss
latin in tütsch gezogen durch den andechtigen
wirdigen vatter Ludovicum Moser, Carthuser
ordens zu Basel in sant Margreten thal“.

Zwei Weihnachts-Holzschnite Dürers
Biblographikon Wertheim, Berlin
 
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