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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 7.1933

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Nr. 2 (8. Januar)
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4

DIE WELTKUNST

Nachrichten von Überall

Dürer-Funde
Gleichzeitig mit der erstmaligen Publikation
der neuen Dürererwerbungen der Wiener
Albertina („Weltkunst“, Jg. VI, Nr. 51/52)
kommt aus Kopenhagen die Nachricht,
daß dort in' der Bibliothek eine Buchminiatur
Albrecht Dürers von dem Graphik-Kenner
V. Thorlacius-Ussing wieder aufgefunden wor-
den ist. Die reizende Malerei ist in der Folio-
ausgabe des Aristoteles enthalten, die in
Venedig bei Kallierges erschien und Dürers
Freund Willibald Pirckheimer, dem Nürn-
berger Ratsherrn und Humanisten gehörte.
Denn sie zeigt zwei geigenspielende Engel-
putten auf Weingirlanden, die an Tierschädeln
und an einem Baumstumpf befestigt sind — an
diesem Stumpf hängen die Wappen Pirck-
heimers und seiner Gemahlin aus der Nürn-
berger Familie Rieter. Die aufs sorgfältigste
durchgearbeitete und mit Gold gehöhte
Miniatui’ gehört in die längere Reihe von


phot. bernbs, marouteau & c
Fritz Wienand, Torso, 1932
Schwarzer Kunststein
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Vignon, Paris

Dürers Buchmalereien für Pirckheimer, die vor
einigen Jahren beim Verkauf aus der Bibliothek
der Royal Society in London bekannt geworden.
Aus dem Besitz des Weimarer Schloß-
museums veröffentlicht Dr. Erich Roemer
in „Old Master Drawings“ eine bisher un-
beachtete Tierstudie Dürers. Sie zeigt in
skizzenhaften Strichen einen kleinen Puter und
entspricht in der geistreichen Bewegung des
Striches, in der Meisterschaft der Formvor-
stellung bei aller Flüchtigkeit dem Geflügel,
das Dürer von seinen frühen Stichen an, z. B.
vom „Verlorenen Sohn“ bis zu den Randzeich-
nungen für das Gebetbuch Kaiser Maximilians
so gern und mit so gutem Humor bei allen
Gelegenheiten angebracht hat.
Vorträge
Exzellenz Dr. Wilhelm S o 1 f , der frühere
deutsche Botschafter in Japan, wird am 10. Januar
in der Gesellschaft für Ostasiatische
Kunst einen von Lichtbildern begleiteten Vor-
trag über „Die Welt des japanischen Farbenholz-
schnittes“ im Roswitha-Saal des Deutschen
Lyceum-Clubs in Berlin halten.
Am 6. Januar sprach Dr. Alfred Kuhn auf
der Deutschen Gesandtschaft in Warschau
über „Die deutsche Kunst der Gegenwart“ und
führte den Film „Schaffende Hände“ des Instituts
für Kulturforschung vor. Dr. Kuhn wird über
das gleiche Thema mit Lichtbildern vor der
Kooperative der allrussischen Künstler am 14. Ja-
nuar in Leningrad sprechen.
Professor Walter Gropius hält am 30. Ja-
nuar in der Akademie für materielle Kultur in
Leningrad über das Thema „Hoch-, Mittel-
und Flachbau“ einen Vortrag. Die beiden letzt-
genannten Veranstaltungen geschehen im Rahmen
der Ausstellung deutscher zeitgenössischer Archi-
tektur, veranstaltet von der Deutschen Kunst-
gesellschaft in Verbindung mit der Leipziger Bau-
messe.
Personalien
Elfried Bock j. Mit Prof. Elfried Bock, dem
Direktor des Kupferstich-Kabinetts der Staat-
lichen Museen in Berlin, der am 4. Januar an
einem Herzschlag unerwartet gestorben ist,

W. Grote-Hasenbalg
Berlin W 9, Lennöstr. 12
B 2 Lützow 4739
Islamische Kunst
Alte Teppiche und Stoffe
Antiquitäten

haben die Berliner Kunstsammlungen einen
ihrer tüchtigsten Leiter, hat die Wissenschaft
den wohl besten Kenner der altdeutschen gra-
phischen und Zeichenkunst verloren. Bock, wie
Bode ein Sohn Braunschweigs, ist Schüler
Wölfflins in Basel gewesen, und noch unter
dem Direktorat Friedrich Lippmanns trat Bock
1903 bei der graphischen Sammlung des Ber-
liner Museums ein. Dort

drei großen Säle dieser Galerie damit füllen
konnte.
Über die Herkunft und Entwicklung von
Wienands Stil hat die „Weltkunst“ bereits vor
Jahresfrist alles Wesentliche gesagt. Das Be-
deutendste des letzten Jahres waren zwei Kom-
positionen, eine Gruppe und eine männliche
Figur in streng geschlossenen Formen, von

hat er vor allem in
der Zusammenarbeit
mit Max J. Friedländer
stilkritische Meister-
schaft erworben, und als
Friedländer 1930 die
Leitung des Kupfer-
stich-Kabinetts abgab,
konnte die Auswahl
seines Nachfolgers auf
keinen Würdigeren fal-
len als auf Bock. Die
Forscherarbeit und die
Liebe des Gelehrten
galt insbesondere den
deutschen Meistern des
15. und 16. Jahrhun-
derts: ihre Zeichnungen
in Berlin und Erlangen
hat er in großen Kata-
logwerken musterhaft
bearbeitet und damit
für jede weitere For-
schung auf diesem Ge-
biete eine bleibende
Grundlage geschaffen.
In einem kleineren
Buche über die deutsche
Graphik von ihren An-
fängen bis zur Gegen-
wart (1922) und in einer
stattlichen „Geschichte
der graphischen Künste“
aller Länder hat Bock
auch schriftstellerische
Meisterschaft in der
Darstellung bewiesen,
wie sie nur auf einem
eben so feinen wie ge-
reiften Urteil beruhen
kann.
Nikolaj Andrejewitsch
Andrejew (geb. 1873),
einer der bekannte-
sten russischen Bild-
hauer der älteren Ge-
neration und Vor-
sitzender des Moskauer
„Vereins sowjetischer


phot. berufen, marouteau & c
Fritz Wienand, Terrakotta-Kopf. 1932
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Vignon, Paris

Bildhauer“, ist am 24. Dezember durch einen
Herzschlag seinem Wirken entrissen worden.
Andrejew hat seine Ausbildung in der Mos-
kauer Kunstschule erhalten, wo er Schüler
S. M. Wolnuchins war, und in seinem Schaffen,
das mehrere öffentliche Denkmäler der Sow-
jetmetropole — die Statuen Gogols, Ostrow-
skijs, A. Herzens und Ogarovs im Universi-
tätshofe, sowie den Obelisk mit der Freiheits-
statue auf dem Sowjetplatz — nebst einer
ganzen Reihe von Porträtbüsten umfaßt, spie-
geln sich diverse Tendenzen der neueren
Skulptur vom Impressionismus bis zur monu-
mentalen Formvereinfachung wieder. P. Ett.

denen die letztere als Gartenplastik in Frank-
furter Privatbesitz überging.
Die Pariser Atmosphäre, die bei Malern ge-
wöhnlich die Palette lockert und lichtet, hat
den Bildhauer Wienand ebenfalls gezwungen,
sich mit den Lichtproblemen in der Plastik
auseinanderzusetzen. Bei den großen und oft
schweren Volumina, die der Künstler bisher
liebte, gab es häufig Reflexe und Glanzlichter,
welche die plastischen Formen willkürlich zer-
rissen und die einheitliche Wirkung einer Kom-
position bisweilen beträchtlich beeinflußten.
Jetzt weiß er die Massen so zu bändigen und
die Körper so zu runden, daß das Spiel des
Lichtes sich gleichmäßig über die Fläche ver-

Fritz Wienand
Galerie Vignon, Paris
Bereits im Dezember 1931 (Jahrg. V, Nr. 49)
hat die „Weltkunst“ auf das künstlerische
Schaffen des deutschen Bildhauers Fritz
Wienand hingewiesen, als er mit einer großen
Kollektivausstellung in der Pariser Galerie
Bonaparte zum ersten Male an die Öffentlich-
keit trat.
Die Resonanz dieser Ausstellung war so
stark und die Produktion des letzten Jahres so
reich und mannigfaltig, daß Fritz Wienand in
der Galerie Vignon bereits von neuem
seine letzten Werke zur Schau stellen und die

teilt und daß der lineare Kontur in seiner
ganzen Kraft und Zartheit — je nach dem
Motiv — zum Ausdruck kommt (siehe Ab-
bildung).
Besonders beachtlich ist die Reihe der
Terrakotten, die der Künstler im Verlaufe des
letzten Sommers in Südfrankreich geschaffen
hat. Es sind dies Köpfe (siehe Abbildung),
knieende und sitzende weibliche Akte, deren
Oberfläche schon durch die Materie und den
schönen rötlichen Ton von höchstem Leben er-
füllt wird. Die Technik der Terrakotta-
bearbeitung erfordert rasches und unmittel-
bares Arbeiten, das den Werken ein Maximum
von persönlicher Note und persönlicher Hand-
schrift verleiht.
Dr. Fritz Neugass (Paris)

Geschäftsverlegung

Ferdinand Knapp
ab 1.Januar 1933
Berlin W 35 Uagrdebnrgrer Str. S
Telephon: Lützow 6098 parterre

C WZ*-

Jahrg. VII, Nr. 2 vom 8. Januar 1933

Die kleine Geschichte

Kunstpädagogik
Herr Butzmann, Museumsdiener, sonnte sich
seit Jahren in der schrankenlosen Bewunde-
rung seines Kollegen Mirakel. Eine kleine
Rente, die ihm ein abgelebtes Familienglied
seinerzeit hinterlassen hatte, gab seiner an und
für sich schon gewichtigen Persönlichkeit einen
bemerkenswerten Hintergrund, einen Gold-
grund sozusagen, vor dem sie sich plastisch
und achtunggebietend abhob. Aber nicht nur
materielle Werte machten die von Mirakel ver-
ehrungsvoll empfundene Bedeutung Butzmanns
aus. Nein, die Sache war die, daß Butzmann
durch seinen Beruf, der ihn in dauernde Be-
rührung mit Kunstwerken von Rang brachte,
tief in das Wesen der Kunst eingedrungen war
und sich in langen Jahren überaus eigenartige
und gediegene Ansichten über dieses schwie-
rige Gebiet gebildet hatte. Beim allwöchent-
lichen Dämmerschoppen, der Butzmann und
Mirakel in einer kleinen Kneipe versammelte,
gab Butzmann, der das Bier bezahlte, bedäch-
tig und mit gewählten Worten seine Erkennt-
nisse von sich. Mirakel hing an seinen Lippen,
zollte Bewunderung und war stolz auf seinen
Umgang mit dem achtbaren und kunstverstän-
digen Manne. Er selbst bekleidete lediglich
das Amt eines Aufsehers in einem Naturkunde-
museum und wußte, da ihm der Zug zu höheren
Einsichten gänzlich abging und Naturkunde
sich mit Kunst beileibe nicht messen kann, nie
etwas von Bedeutung zu berichten. Außerdem
war er so unbegütert und wurde derart gering
entlohnt, daß er einen angeborenen, nahezu
krankhaften Heißhunger niemals völlig zu
stillen vermochte und ewig mit knurrendem
Magen umherging. Es soll hier auch nicht ver-
schwiegen werden, daß eben dies der Grund
war, weshalb sich Mirakel zeitweise an natur-
kundlichen Präparaten, die zu wissenschaft-
lichen Zwecken in Spiritus aufbewahrt wurden,
sträflich verging. Er pflegte sie, wie man das
sonst mit Ölsardinen tut, auf Brot zu essen.
Seine vorzügliche Verdauung überwand spie-
lend die exotischsten Beispiele aus der Tier-
welt.
Unbefriedigt, immer nur einen einzigen
Schüler zu haben, dehnte Butzmann seine be-
lehrende Tätigkeit nach und nach aus. Junge
Mädchen aus der Provinz und kleinbürgerliche
Ehepaare, die offensichtlich verständnislos und
bedrückt die Museumssäle durchwanderten,
wurden von Butzmann wohlwollend unter die
Fittiche genommen und behutsam in die Ge-
heimnisse der Kunst eingeführt. Nachdem die
erste, übrigens unbegründete, Trinkgeldscheu
überwunden war, stellte sich schnell ein inniger
Kontakt zwischen Butzmann und den Belehrten
ein, die unvergeßliche Eindrücke in ihre pro-
vinzielle Abgeschiedenheit mitnahmen. Butz-
manns Erklärungen zu Cranach, seine tief-
schürfenden Deutungen Dürers und Altdorfers
waren schlechthin einzigartig.
Butzmann beschloß, Mirakel seiner kunst-
pädagogischen Wirksamkeit als Augenzeuge
teilhaftig werden zu lassen, und bestellte den
Freund an einem geeigneten Tag ins Museum.
Mirakel erschien zur festgesetzten Stunde, sehr
gespannt und von vornherein verehrungsbereit.
Das zu ertüchtigende Objekt war bald ge-
funden. Ein junges Mädchen von bescheidenem
Aussehen irrte anscheinend hilflos zwischen
altdeutschen • Meistern umher. Butzmann
näherte sich ihr wohlwollend, knüpfte geschickt
an einen schwerverständlichen Baldung an und
ließ seiner erklärenden Rede freien Lauf. Jetzt
aber geschah etwas Entsetzliches. Das junge
Mädchen, eine Kunsthistorikerin, wie sich
später herausstellte, nahm Butzmanns Inter-
pretation mit sichtlich zunehmender Belusti-
gung auf, brach dann in ein äußerst respekt-
loses Gelächter aus und kanzelte schließlich den
Bedauernswerten mit einigen Bemerkungen,
die unergründliches Fachwissen verrieten,
überaus grausam und ironisch ab. Als Butz-
mann sich umwandte, war Mirakel verschwun-
den. Er erschien auch nicht zum nächsten
Dämmerschoppen. Die unleugbare Blamage
seines autoritären Freundes fiel nämlich
schicksalsvoll mit dem Ausbruch lange ge-
nährter Unabhängigkeitsbestrebungen zu-
sammen.
Butzmann vermochte den Schlag nicht zu
überwinden. Er benahm sich in der Folgezeit
unter Mißachtung der Dienstvorschriften auf-
sässig gegen Vorgesetzte und ausfällig gegen
Besucher, die sich beschwerten, und wurde
zwar nicht entlassen, jedoch in die moderne
Abteilung versetzt, wo er zwischen Kunst-
werken, für die er mit dem besten Willen keine
Erklärung wußte, ein freudloses Leben ver-
brachte. Mirakel, langjähriger Fesseln ledig,
entwickelte sich zu einem selbstbewußten Cha-
rakter, hielt auf sich und aß keine naturkund-
lichen Präparate mehr. Man wurde auf ihn
aufmerksam und beförderte ihn zum Oberauf-
seher. Sein erhöhtes Einkommen gestattete
ihm, in Ehren satt zu werden.
Simplex

KUNSTHAUS MALMEDE
Köln a. Rhein
Unter Sachsenhausen 33
Antike Kunst
in Gemälden, Plastik, Gobelins, Möbeln,
Antiquitäten
Ankauf Verkauf

Direktion: Fritz-Eduard Hartmann. Redaktion: Dr. Werner Richard Deusch, für moderne Kunst: Dr. Kurt Kusenberg. — Red. Vertretungen für München: Ludwig F. Fuchs / R o m : G. Reinboth
Wien : Dr. St. Poglay en-Neuwall — PariserBüro: 8, rue de Varenne. — Verantwortlich für Inhalt und Anzeigen: Theo Rose, Berlin. — Erscheint im Weltkunst-Verlag G. m. b. H., Berlin W 62. — Zuschriften sind
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