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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 7.1933

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Nr. 36 (3. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44613#0153
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DAS INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT

Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin».
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führten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4,50

WERTHEIM-BIBLOGRAPHIKON
Inh. Dr. Hans Wertheim Alte Graphik / Gotik bis Biedermeier Berlin W9, Lennestr. 7. Lutzow 4512

Italienische Skulpturen
im Kaiser-Friedrich-Museum
Zur Eröffnung der neugeordneten Sammlung am 1. September

Bis vor wenigen Monaten führte die Abtei-
lung der italienischen Renaissance- und Barock-
skulptur innerhalb der Gemäldegalerie der Ber-
liner Museen eine mehr oder weniger unselb-
ständige, untergeordnete Rolle, dekorative
Assistenz für die Gemälde. Diesem Zu-
stand, den auch Bode nur als provisorisch
betrachtete, konnte jedoch erst jetzt, nachdem


Antonio Rosellino, Madonnen-Relief
Berlin, Kaiser Friedrich-Museum

das Kaiser-Friedrich-Museum durch den
Messelschen Neubau und die damit verbundene
anderweitige Unterbringung der deutschen
Plastik und der islamischen Kunstabteilung
entlastet wurde, abgeholfen werden, und seit
dem 1. September ist die italienische Skulp-
turen-Abteilung endgültig in den Erdgeschoß-
räumen der Kupfergrabenfront anschließend an
die „Basilika“ untergebracht, die nach dem ur-
sprünglichen Plan für sie bestimmt waren.
Zum erstenmal präsentiert sich damit diese
glänzende Sammlung, deren Zustandekommen
aufs engste mit den Namen Waagen und
Bode verknüpft ist, als abgegrenztes, einheit-
liches Ganzes.
Die Neuaufstellung dieser dem Direktor der
Skulpturen-Abteilung, Th. D e m m 1 e r , unter-
stehenden Sammlung ist im wesentlichen Dr.

E. F. Bange, dem ausgezeichneten Kenner
der Renaissance-Plastik, zu danken, der auch
in einem kleinen, gleichzeitig erschienenen
Bilderband mit 80 Abbildungen der Haupt-
werke das geschichtliche Werden dieser Abtei-
lung skizziert. Mit einem sicheren Gefühl für
die Eigenwerte des einzelnen Bildwerks, Licht-
und Raumerfordernisse, mit einer straffen
Akzentuierung der einzelnen Säle und vor
allem dem Mut zum Weglassen alles dessen,
was nur antiquarisches Interesse besitzt, ist
hier etwas geschaffen worden, was jeden Be-
sucher als neu überrascht: niemals ist die
große Qualität dieser Sammlung, niemals ihre
zahlenmäßige Größe so stark zur Geltung ge-
kommen wie jetzt, da eine klare Gliederung die
wertvollen Stücke prägnant und eindringlich
an den Beschauer heranführt. Mit großem Ge-
schick sind die „Blickpunkte“ verteilt: beim
Eintritt von der Basilika aus verweist Arnolfo
di Cambios Marientod auf die Gruppe der
Marmorbildwerke des Trecento, die außerhalb
Italiens ihresgleichen sucht, vom Mittelsaal der
Kupfergrabenfront aus tritt dem Besucher mit
den am linken und rechten Ende der Raum-
fluchten aufgestellten Skulpturen der Madonna
des Benedetto und des früher dem Michelangelo
zugeschriebenen „Giovannino“ klar die Zwei-
teilung in die Gruppe der Quattrocento- und
der Barockskulptur ins Bewußtsein. Vortreff-
lich gelungen erscheint uns der Versuch, jedem
Raume seine eigene Atmosphäre zu geben, das
Dominierende der einzelnen Künstlerpersön-
lichkeiten faßbar zu machen. Die lockere Auf-
stellung und die Isolierung der Hauptwerke
trägt diesem Bestreben Rechnung.
Der große Eingangssaal, durch Zwischen-
wände aufgeteilt, ist der monumentalen
Marmorskulptur des Trecento mit den Werken
des Arnolfo di Cambio und der Pisani ge-
widmet. Nur ungern vermißt man hier als
Auftakt die Gruppe der im Berliner Museum
so hervorragend vertretenen Duecehto-Holz-
skulpturen, die der frühchristlichen Abteilung-
verblieben. Der Mittelsaal an der Kupfer-
grabenfront bildet den Übergang zum Quattro-
cento mit den Werken, die sich um Ghiberti
und die frühen Florentiner Madonnen grup-
pieren. Von hier aus entwickelt sich zur
Linken die Kunst der Florentiner und Sienesen,
rechts Oberitalien und anschließend das
Barock.
Die linke Seite eröffnet Donatello. Daß
hier der ganze stolze Besitz an eigenhändigen
Arbeiten, einschließlich der Bronzen, zu-
sammengefaßt worden ist, erscheint als eine
selbstverständliche Pflicht gegenüber dieser
Persönlichkeit. Im übrigen hat man mit Recht
darauf verzichtet, die große Sammlung der
Bronzestatuetten in diese Säle zu bringen, son-
dern dieselben in dem neu hergestellten „Um-
gang“ über dem Portikus geschlossen vereint.
An den Donatello-Raum schließt sich ein


Sperandio, Muttergottes
Gebrannter Ton, bemalt
Berlin, Kaiser Friedrich-Museum
breiter Hauptsaal an, dem die Serie der be-
rühmten Bildnisbüsten das Gepräge geben. Der
Schlußabschnitt des Saales ist Verrocchio ge-
widmet, den Mittelpunkt bildet der „Schlafende
nackte Jüngling“ (siehe Abbildung), jenes

Meisterwerk eines geistvollen Naturalismus,
das bisher im „Saal der Stucchi“ einen wenig
beachteten Platz hatte. Der letzte Saal dieser
Front wird durch Benedetto da Majanos Ma-
donnenstatue mit dem vorhergehenden ver-
bunden, umfaßt im übrigen die Kunst Sienas,
die mit Quercia und seinen Nachfolgern ein-
setzt und bis zur zarten spätgotischen Lyrik
Francesco di Giorgios führt.
Entsprechend gliedert sich der Trakt rechts
vom Ghiberti-Saal in die Abschnitte, die durch
die Gruppe der oberitalienischen Werke aus
Verona, Padua und Bologna mit der mächtigen
Renaissancebüste des Nicola Sanuti, die Hoch-
renaissancewerke mit den Arbeiten der beiden
Sansovino, der späteren Florentiner und der
Flora-Büste, die venezianische Plastik mit den
beiden Schildhaltern des Tullio Lombardi und
den interessanten Reliefs des Altichiero-
meisters, die bisher kaum sichtbar in dem mo-
dernen Unterbau des Altarwerks von Tura ein
gebaut waren, ferner den Barocksaal mit den
„Bozzetti“ und dem „Giovannino“ bezeichnet
werden.
Gleichlaufend mit der Hauptflucht liegt eine
zweite, etwas kürzere, in gedämpfterem Licht,
an den Innenhöfen. Hier sind Werke, deren
Plastik durch starke Farben unterstützt
wird, günstig untergebracht. Der eine Saal
ist der Kunst der Robbia gewidmet, die sich in
ihren leuchtenden Glasurfarben ohnehin
schlecht mit anderen Werken verträgt. Von
den gegenüberliegenden Räumen enthält der
erste noch eine Reihe früher bemalter Ma-
donnenreliefs, der zweite, der sog. Sternensaal,
die großen Florentiner Porträthalbfiguren in
Stuck und Terrakotta, die dem 16. Jahrhundert
angehören; dazu eine Reihe anderer Tonbild-
nereien, unter denen Sperandios groß-
empfundene Madonnenhalbfigur in wieder-
erstandener alter Bemalung erwähnt seien
(siehe Abbildung).

Andrea del Verrocchio, Schlafender nackter Jüngling
Berlin, Kaiser Friedrich-Museum


GUSTAV CRAMRR - BI BI I V
ANTIQUITÄTEN Berlin IV9, Lennestr. 8 GEMÄLDE
BRUMMER NEW-YORK
55, East 57,h Street
 
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