VII. JAHRGANG, Nr. 31
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LMONDEfoAKIS
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WERTHEIM-BIBLOGRAPHIKON
Inh. Dr. Hans Wertheim
Alte Graphik / Gotik bis Biedermeier
Berlin W9, Lennestr. 7. Liitzow 4512
Mussolini
und die Kunst
Zum 50. Geburtstag
Italien ist in zehn Jahren des Faschismus
aufgeblüht. Immer wieder ist auf den unge-
heuren Einfluß eines einzelnen Mannes, Benito
Mussolinis, hingewiesen worden, sei es in der
moralischen Erziehung des jungen Italien, in
der Landwirtschaft, in der Politik, in der In-
dustrie. Aber es gibt noch einen anderen
Mussolini, einen Mussolini der Kunst
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zu oft unbeachtet geblieben. Es existiert frei-
lich kein Bild, das Mussolini gemalt hat, keine
Statue, die er gemeißelt hätte, es gibt wohl
jenes Literaturwerk aus seiner' Feder mit
einem ganz neuen, dem einzigen modernen
Italienisch, das bislang geschrieben worden
ist: aber auch davon sei hier nicht die Rede.
Dennoch gibt es eine Kunst Mussolinis, ein
Opus Mussolini, doch es ist verstreut auf ganz
Italien und es führt vielfach die Namen
anderer. Immer aber trägt es seinen Geist,
und die Stilzusammenbindung im neuen Italien
ist die des persönlichen Gepräges von Musso-
lini. Nahezu alles, was in den letzten zehn
Jahren in Italien für Archäologie, bildende
Kunst und ganz besonders für die Architektur-
geschehen ist, muß direkt auf die Initiative
des Duce zurückgeführt werden.
Von der „Befreiung des Stammes der
großen römischen Eiche“ bis zu den archäo-
logischen Unternehmungen von Aosta und
Syrakus, von Pola und Herkulaneum, von
Pästum, Pompeji, Rhodos und Ägypten: immer
ist es derselbe Mann, der dem einen Ziel nach-
zustreben trachtet, die Vergangenheit lebendig
zu machen, nicht neue Ruinen zu schaffen,
sondern den Mythos der großen Vergangenheit
aus einer romantischen Legende in wirksame
Aktivität der Gegenwart zu wandeln. In der
Neuordnung aller Museen, der großzügigen
Finanzierung der nationalen Ausstellungen,
aber vor allem in dei’ Entwicklung der
Architektur erweist sich, wenn man Daten,
Ziffern und die Art der Unterstützung be-
trachtet, die tiefe Beeinflussung aller Unter-
nehmungen durch diesen modernen Staats-
leiter, seine künstlerische Kraft und seinen
Willen. Die ungeheure Vielseitigkeit Mussolinis
ist ja gerade das Erstaunliche an dem Re-
gierungshaupt Italiens; es genügt, sich nur
einmal die Audienzlisten eines Monats anzu-
sehen, um festzustellen, daß der Duce in jeden
Bezirk des italienischen Lebens gleich tief ein-
greift. Die eigenwilligen Abänderungen großer
Projekte, die Hand des überlegenen Gestalters
wird immer bei den entscheidenden künst-
lerischen Vorhaben sichtbar. Und wehe, wenn
einmal eine künstlerische Tat nicht so ausfiele,
wie Mussolini sie wollte; wenn beispielsweise
des Duce am 29. Juli
♦
als ein Schandfleck betrachtet wird und es
dann auch ist, dann straft der Duce nicht nur
durch Verhöhnung vor der Öffentlichkeit: er
betritt das Gebäude nicht und wenn selbst der
König hineinginge. Die Reden Mussolinis über
die Kunst sind oft genug entscheidend ge-
worden. Mit der Rede vom 1. Januar des
Jahres IV setzte der römische Befreiungsplan
ein; heute ist das Dritte Rom entstanden, der
ungeheure Stadtbauplan ist wiederholt durch
Mussolini selbst umgeformt und wieder ins
Gleis gebracht worden: Rom ist von Grund auf
verwandelt. Wie in Rom, so sind fast in allen
anderen italienischen Städten die großen Um-
formungen, die Befreiungen von den Verball-
hornungen durch Mussolini selbst kontrolliert
worden. Hier entstand römische Lapidarität
von neuem: der ewige römische Geist des
Statuarischen ist mit Mussolini wieder auf-
erstanden.
Die moderne Kunst, das „Novecento“,
ein Bau an wichtiger Stelle in einer italieni-
schen Stadt errichtet wurde, der von Mussolini
Giorgio de Chirico, „Pferde am Meeresufer“
Paris, Sammlun.g Paul Guilleaume
hat einen großen Verteidiger, der sie gegen
alle Angriffe schützt: Mussolini. Gerade jetzt
ist dieser Aspekt des Kunstfreundes Mussolini
wichtig und aktuell in Italien, da von den ver-
schiedensten Seiten, auch aus der Partei, An-
griffe auf die neue italienische Kunst, unter
falscher Auslegung des nationalsozialistischen
Kunstprogramms, unternommen werden. Schon
am 15. Februar 1925 hat Mussolini bei Eröff-
nung der ersten Ausstellung des „Novecento“
sich ganz für die Erneuerung erklärt. 1926 hat
er vor den modernen Künstlern in Mailand die
neue Kunst als die wahre Kunst des erneuerten
faschistischen Italien erklärt, als des Italien,
das aus dem Krieg hervorgewachsen ist und
eine straffe innere Disziplin über sich selbst
ausübt. Die moderne italienische Kunst, wie
Mussolini sie will, hat sich mit Entschiedenheit
von den klassischen Formen losgelöst, geht in
der Architektur über die „Neue Sachlichkeit“
hinweg zu sachlicher Monumentalität, in den
schönen Gebrauchsgegenständen über deutsche
Schlichtheit hinweg zu lateinischer Körperlich-
keit, im Bild vom wilden Futurismus zu
kubischer Körperklarheit im Raum, in der
Plastik zur „Belastbarkeit“. Nirgends hat man
sich durch eine zeitweilige Anlehnung an aus-
ländische Vorbilder einschüchtern lassen, man
war sich der eigenen Stärke genügend bewußt,
und wenn Kritiker sich fanden, die von Nach-
ahmung sprachen, so widersprach ihnen
Mussolini, als er sagte: „Fate grande, fate
grande“. Sie haben es manchmal etwas zu
„groß gemacht“, mit einer Dimensions-Manie,
die den inneren Formkräften nicht entsprach.
Aber sie sind immer den Kleinlichkeiten aus-
gewichen und zum Schluß hat Mussolini mit
seinem „fate grande“ Recht behalten: die neue
italienische Monumentalität, seit den Claudiern
der unvermeidliche römisch-italische Stil, ist
wieder auferstanden und der italienische
Künstler kann ganz in der eigenen Atmo-
sphäre arbeiten, ist befreit von der französi-
schen Kunstgeist-Invasion, die im vergangenen
demokratischen Zeitalter seine größte Gefahr
war.
Der Kampf um die moderne Architek-
tur sieht Mussolini in der vordersten Linie.
Die wilden Angriffe gegen zwei moderne Groß-
bauten, den Florentiner Bahnhof und die rö-
mische Universitätsstadt, sind vom italieni-
schen Diktator zugunsten der Moderne ent-
schieden worden. Mehr als einmal hat Musso-
lini betont, daß Altertümer nur dann ihr Recht
haben, wenn sie von der großen Vergangenheit
mit ungebrochener Stimme erzählen, aber daß
es keine Notwendigkeit gebe, deswegen die
Rechte der Gegenwart zugunsten einer ver-
gangenen Epoche zu schmälern. Neuerrichtete
„Altertümer“ dürfen unter Mussolini nicht ge-
baut werden. Dann aber ist von sehr' offiziöser
Seite und wahrscheinlich unter direktem Diktat
Mussolinis jetzt eine Äußerung erschienen,
welche die Künstler aller Richtungen in Italien
schützt, sich vor ihre Arbeiten stellt: sofern
diese Arbeiten gut sind. Ob neusach-
lich, ob k1ass i z i erend, ob neu-
barock oder futuristisch, wenn
diese Werke den Geist des neuen
Italien atmen, voll von dem Wil-
len zur inneren Größe sind, sind
sie die Kunst Mussolinis.
G IT s T .4 V C R A M K E 3
ANTIQUITÄTEN
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