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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 7.1933

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Nr. 23 (4. Juni)
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4. JUNI 1933

WE

AKL/theWORLD ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT

VII. JAHRGANG, Nr. 23
NST
LMONDEfcARTS

DAS INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT

Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
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WERTHEIM- BIBLOGRAPHIKON
Inh. Dr. Hans Wertheim Alte Graphik / Gotik bis Biedermeier Berlin W9, Lennestr. 7. Lützow 4512

VEIT STOSS
Festrede zur Eröffnung der Veit Stoss-Ausstellung
Nürnberg, 26. Mai 1933
Von Wilhelm Pinder

Das festliche Gefühl, das uns in diesem
von Geschichte erfüllten Saale vereinigt, gilt
einem großen deutschen Meister, der vor
400 Jahren diese Erde verließ und dessen Ruhm


Veit Stoss, Engelkopf
Detail aus dem Schrein des Bamberger Altars
Veit Stoss-Ausstellung :
Nürnberg, Germanisches Museum

heute noch und wieder lebt, ebenso stark,
—’ nun aber in einem neuen, in einem späten,
geschichtlichen Sinne erhellt — wie zur Zeit
seiner höchsten Schaffenskraft.
Es gilt einem Menschen von ergreifendem
Ausdruck unwiederholbarer Einmaligkeit,
eigenwillig glühend in der selbstgeschaffenen
Sprache geistiger Leidenschaft, voll Glanz und
Trauer, vom Ruhme gekrönt und von der
Schmach nicht verschont ■— einer Persönlich-
keit genauesten Sinnes und von schärfster
Umrissenheit. Sein Name klingt kurz und
gegensätzlich reich, wie ein Ruf und ein
Glockenhammerschlag: Veit Stoss.
Aber unser Gefühl gilt zugleich in diesem
Einzelmenschen einem Teile unseres eigenen
Wesens, einem Sohne dieser Stadt nicht nur,

sondern unseres, des alten großen tragischen
und unsäglich lebensentschlossenen Volkes, in
einer der bewegtesten Stunden seiner Ge-
schichte.
Jeder große und besondere Mensch muß
diese zwei Ansichten bieten. Wir sehen sein
Unwiederholbares und heben es für Zeiten der
Betrachtung aus aller Geschichte: dieser
Mensch, sagen wir, und wir vereinsamen ihn,
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gelernt — und wohl kaum ein Volk so wie das
unsere —, den gleichen einmaligen Menschen
zugleich in seiner Bedingtheit zu sehen, die
auch dem Größten nicht erspart bleibt und ihn
keineswegs verarmt. Seine Bedingtheit durch
Volk, Kulturkreis und geschichtlichen Zeit-
punkt rechnen wir seinem Wesen zu!


Veit Stoss, Flucht nach Aegypten
Detail aus dem Bamberger Altar
Veit Stoss-Ausstellung:
Nürnberg, Germanisches Museum
Die höheren Formen gerade unserer deut-
schen Geschichtsanschauung haben längst die-
sen Weg eingeschlagen. Keineswegs nur da,
wo unser Volk, unser Kulturkreis, unsere Ge-

schichte jene Bedingungen lieferten; keines-
wegs also in einer ausschließenden Selbst-
bespiegelung, die feindliche Menschen als er-
weiterte Eitelkeit auslegen würden, — son-
dern überall, wo wir verehrend vor dem Schau-
spiel einer großen Erscheinung stehen, in
welchem Volke und welcher Zeit sie hafte. Sie
ist uns eine Erscheinung — auch in dem Sinne,
daß mehr als ihr eigenes Ich, daß ein größeres
dahinter, ein Ur- und Untergrund in ihr er-
scheint. Die Welt auch der größten, selbst der
sogenannten universalsten Persönlichkeiten —
weit universalerer, als es Veit Stoss sein
konnte — zersplittern wir nicht mehr in eine
gesetzlose Menge anregender Einzelfälle, Zu-
fälle zuletzt. Überall suchen wir die Wurzeln
des großen Einzelnen zu finden, das gemein-
same Erdreich unter ihm, den besonderen Him-
mel über ihm, den er nicht allein hat, den er
aber auch nicht mit allen Menschen teilt, son-
dern mit seinem Volke zu seiner Zeit.
..Keiner“ so hat der verstorbene alte Mei-
ster deutscher Kunstgeschichte, Georg Dehio,
einmal gesagt, „ist groß geworden, es sei denn
durch Steigerung der Art und der Gaben seines
Stammes.“ So denkt schon lange ein entschei-
dender Teil deutscher Wissenschaft.
Dagegen, als vor einem Jahre ein anderer
großer Deutscher — gewiß von viel umfassen-
derer Bedeutung für die heutige Welt, als Veit
Stoss —, als Goethe im vorigen Jahre zu
Frankfurt von einer Gruppe internationaler
Köpfe in „Unterhaltungen“ gefeiert wurde, —•
da hob man, wohl ehrlich und auch nicht ohne
Recht, die europäische, ja die universale
Größe dieses einzigen Menschen immer neu
hervor. Aber auch nur sie! Wenigstens die
Ausländer wußten nur von einer Art der
„Volksbezogenheit“. Nämlich: die anderen Na-
tionen bezogen irgend eine Seite von Goethes
Wesen auf sich selbst. Nicht nur, daß man
es vorzog, zu sagen, Goethe gehöre keiner
Nation an, anstatt richtiger zu sagen, daß er
nicht nur Deutschland gehört, sondern außer-
dem und dadurch und von da aus erst Europa
und der ganzen Welt —
nein, keiner kam auf den Einfall, Goethe
als die Erscheinung zu sehen, die er war als
Deutscher seiner Zeit. Er war für sie ein ge-
schichtslos zufälliger Einzelmensch, zufällig
Deutscher und zufällig vor 100 Jahren ver-
storben.
Wir aber sehen ja doch, daß Goethe als
Einer, ein größter unter erstaunlich vielen
Zeugen einer allgemeinen geistigen Erhebung
des deutschen Volkes auf gestanden ist. Wir
können ihn gar nicht sehen, ohne zu wissen,
daß an dem gleichen deutschen Zeithimmel eine
ganze Reihe größter und großer Namen stehen,
die alle zu einer anderen Zeit nicht möglich
waren, die damals aber gleichzeitig auftreten
mußten.
Dies brauchen wir nicht zu begründen —
in dem frevelhaften und lächerlichen Wahne,
daß Tatsachen erst dann wirklich seien, wenn
wir sie wie die Teile einer Maschine erklären
können —, das brauchen wir nur anzuschauen.
Denn so eben geht das Leben vor!
Eine ebensolche, nicht platt begründbare,
aber anschaulich wahre, wunderhaft einheit-

liche Gesamtbewegung ist es, die Veit Stoss mit
vulkanischer Gewalt als eine großartige Feuer-
säule aus der deutschen Erde hochstieß, auch
ihn als Einen unter einer Schar von großen
Künstlern. Die gleiche ewig rätselhafte Macht,


Veit Stoss, HIg. Andreas aus St. Sebald
Veit-Stoss-Ausstellung:
Nürnberg, Germanisches Museum

die uns um 1800 ganze Scharen von Philo-
sophen, Dichtern, Musikern als Lebensvorgang
unseres Volkes schenkte, hat ihm um 1500 eine
vergleichbar große Schar von Malern, Bild-
nern und Graphikern in vergleichbar dichtem
Wüchse beschert. Wir wagen kaum das Auf-
zählen zu beginnen: Dürer und Grünewald, die
Holbeins, Altdorfer und Huber, Cranach und
Baldung, Riemenschneider und Krafft, die
Vischers, Backoffen und Hans Leinberger,
Dreyer und Claus Berg — und mitten unter
so viel mehr noch nicht Genannten Stoss. ,
So groß aber ist der rätselhafte und gleich-
wohl lebendig überzeugende Zusammenklang
solcher Geschehnisse, die wir große Menschen
nennen, daß wir in den gleichen Jahren um
1930 die 100. Todestage Goethes und Beet-
hovens feiern können und die 400. Todestage
Dürers und Veit Stossens.

J. LEGER & SON
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BRUMMER NEW-YORK
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