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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 7.1933

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Nr. 41 (8. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44613#0173
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8. OKTOBER 1933

ART^WORLD

D 1 E

ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT

VII. JAHRGANG, Nr. 41


LMONDEfcAKß

DAS INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT

Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G.m.b.H.,
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WERTHEIM-BIBLOGRAPHIKON
Inh. Dr. Hans Wertheim Alte Graphik / Gotik bis Biedermeier Berlin W9, Lennestr. 7. Lützow 4512

Das Deutsche
Tapetenmuseum in Kassel
Museen am Rande der Kunst III*
Von Dr. Hermann R. Leber


Handgedru ckte Papier tapete. Elsaß, Ende XVIII. Jahrhundert
Kassel, Tapeten -Museum

Handretouchen erhielten,
wurden die Wände in freie
lichte Ausblicke in die
Natur aufgelöst, Schein-
dekorationen von Balustra-
den usw. unterstützten
diese Absicht (s. Abb.).
Und ist nicht jene herr-
liche englische Wachstuch-
tapete (s. Abb.) ganz der
Ausdruck der Wunsch-
träume dieses Landes um
die 80er Jahre des 18. Jahr-
hunderts ? Ist das nicht
verkörpertes romantisier-
tes Kolonialleben mit Re-
miniscenzen an chinesische
Tuschzeichnungen und die
herriicnen Tieruiiderbücher
dieser Zeit, mit allem Ge-
ruch von Pfefferinseln,
Muskatblüten, Heliotrop
und Nardenduft?
Alle diese Beispiele
aber sind wiederum Zeug-
nisse der ins Volk gewach-
senen und aus dem Volk
kommenden namenlosen
Kunst, die darauf verzich-
tet, sich in esoterischen
Spielereien auf einem in-
tellektuell unterbauten
Parnaß zu ergehen (am
„Rande der Kunst“).
Vor der auf Papier
bedruckten Tapete gab
es bereits gewebte, ge-
preßte und gemalte Ta-
peten, die jeweils die
verschiedenen Stile ihrer


Wachstuch- Tapete, handgedruckt. Um 1780
Kassel, Tapeten-Museum

Ein eigenartiges und einzig dastehendes
Museum ist das Deutsche Tapetenmuseum, das
sich als Gründung der Tapetenindustrie in 18
Räumen des ehemaligen Residenzschlosses zu
Kassel findet. Weil das Material, aus dem die
Tapeten zumeist bestehen, das Papier an sich
kaum Wert hatte, sind von älteren Tapeten
sehr wenige erhalten.
Wie kaum ein anderes Gebiet zeigt sich bei
der Tapetenherstellung der Einfluß von Zeit-
geist und Mode im Zusammenhang mit Kunst-
handwerk und Kunst. Wie ein feiner Regi-
strierapparat zeigen sich die Ausschläge des
Zeitdenkens und der Zeiteinfühlung bis in
kleine Schattierungen hinein, das geht soweit,
daß man aus Tapetenmustern ■ sogar das Auf-
kommen literarischer Themen und ganz be-
stimmter Literaturwerke ersieht. Viel stärker
als im Baustil kann man z. B. aus den Tapeten
des späten deutschen 19. Jahrhunderts die Sucht
nach Aufmachung und Repräsentation ersehen,
die zum Ziel hat, auch der Wand einer Bürger-
wohnung den Anschein einer reichgeschnitz-
ten Holztäfelung oder einer von Marmorsäulen
getragenen Halle zu geben. Genau so zeigen
etwa die französischen Tapeten des späten,
müden 18. Jahrhunderts die Sehnsucht der
damaligen Zeit nach dem Idyll auf dem Land,
*) I. Das Oberammergauer Schnitzmuseum, in
Nr. 33; II. Das Kölner Tabakmuseum, in Nr. 34
der „Weltkunst“.

dem „Zurück zur Natur“. Mit diesen letzteren,
aus vielen einzelnen Bahnen zusammengesetz-
ten Wandbepannungen, die an den Klebestellen
und an besonders wichtigen Punkten oft noch

Zeit in allen Phasen deutlichst mitmachen..
Tapete im weiteren Sinne ist ja überhaupt jede
Art von Wandbekleidung und auch der Gobelin
ist ein Ahne unserer heutigen Tapete. Am
Gobelin kann man noch den Ursprung der Ta-


Handgedruckte Papiertapete (unter Benutzung von 1400 Holzmodeln)
Erstes Drittel XIX. Jahrhundert — Kassel, Tapeten-Museum

pete aus dem Orient feststellen, da dort die
Umkleidung des Wohnraumes mit Teppichen ja
schon in vorchristlicher Zeit üblich war. Die
Gobelinwirkerei, die sich in den Niederlanden
zu besonderer Blüte erhob, entfremdete sich je-
doch dadurch, daß man im Gobelinmuster mit
dem gemalten Tafelbild in Wettkampf trat,
völlig vom Wesen der Wandbespannung, und
so muß man die Raffaelschen Gobelintapeten-
entwürfe, die Papst Leo X. in Arras arbeiten
ließ, als ebensolchen Abweg betrachten wie
etwa den Ehrgeiz der Tapetenindustrie der
Gründerzeit, Stein, Holz oder Metallreliefs mit-
tels der Papiertapete vorzuspiegeln. Dieses
Spielen mit dem Materialunechten zeigt sich
auch durchaus als ein Irrweg, von dem die
Wandbekleidung immer wieder auf ihre Funk-
tion als linear dekorierte Fläche sich besinnt.
Neben diesen gewirkten Tapeten findet sich
schon in der Renaissance die gepreßte Leder-
tapete, die, zumal in den spanischen, versilber-
ten und mit Holzmodeln gepreßten Stücken,
ganz hervorragende Leistungen zeigen. Die
Ledertapete war natürlich ebenso wie die Per-
gamenttapete — wie sich solche aus dem
XV. Jahrh. im Kloster Melk, später zu Buch-
einbänden benutzt, finden — natürlich nur für
die Wandbespannung in den Häusern des Adels
oder des Patriziers möglich. Die unmittelbaren
Vorläufer der heutigen Papiertapete sind die
bunten leichtgemusterten Baumwollstoffe, die
die Holländer aus Ostindien brachten und fer-

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ANTIQUITÄTEN Berlin W9, Lennestr. 8

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