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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 7.1933

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Nr. 3 (15. Januar)
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DIE WELTKUNST

Jahrg. VII, Nr. 3 vom 15. Januar 1933

Landschaft von Joachim Patinir — früher
Sammlung Josef Cremer, Dortmund — Auf-
merksamkeit. Es führt, mit einer innigen Ma-
donna von Jan Provoost, die noch keine Spur
Dürerschen oder Matsysschen Einflusses ver-
rät, fast anderthalb Jahrhunderte weiter zu-
rück in die Vergangenheit.
Von den nicht mehr unter den Lebenden
weilenden Meistern des 19. und 20. Jahr-
hunderts ist Boudin mit einer imponierenden
Flußansicht und einem geistreichen Hafen-
bildchen vertreten. Ein lichter Corot wäre mit
einer schwer leuchtenden Dupreschen Land-
schaft zu vergleichen, um den „Gegensatz im
Gleichen“ fühlbar zu machen. Pfirsiche und
Kamelien von Victoria Dubourg gemalt, als sie
noch Schülerin ihres späteren Mannes Fantin-
Latour war, verraten dessen Einfluß. Fantin-
Latour selbst ist mit einem schönen Obst-
stilleben vertreten. Einer etwas früheren Ge-
neration gehörten A. Th. Ribot (Frauen-
bildnis) und Philippe Rousseau (natur-
empfundenes Blumenstilleben) an. Pissarros
„Wintertag“ und Antoine Vollons von dem Ge-
gensatz einer schwarzen Kanne und eines
Kupferkessels lebendes Stilleben sind Werke
etwa gleichaltriger Meister, zu denen auch
Raffaelli zählt, dessen Vielseitigkeit drei qua-
litätsreiche Stücke: „Korbmacherin“, „Eiland
San Pietro“ und „Blumenstilleben“ über-
zeugend dartun. Vielleicht das schönste fran-
zösische Bild der Ausstellung ist der lichte,
sonnig durchwärmte „Gemüsegarten“ von Sis-
ley. Die Holländer dieser Zeit vertreten zwei
nicht ganz gleichwertige Werke J. H. Weissen-
bruchs; eine spätere kommt in dem unvergeß-
lichen, stimmungsvollen Aquarell eines un-
poetischen Gegenstandes: „Waterloo-Station“
von der Hand Willem Witsens zur Geltung.
Sein Altersgenosse, der noch zu Amsterdam
schaffende Eduard Karsen bringt ein fein-
gemaltes Bild des stillen Örtchens Enkhuizen.
Er ist damit wohl der Gegenpol des zu früh
verstorbenen Meisters G. H. Breitner, dessen
Kraft und Können ein typisches Amsterdamer
Straßenbild erkennen läßt. Von J. Th. Toorop
ist jenes pointillistische Bild „Broek in Water-
land“ zu sehen, das einst in Holland bahn-
brechend war und heute schon ein wenig
„historisch“, vieux jeu, anmutet. Des kürz-
lich verstorbenen W. B. Tholen ganzes Können
zeigt ein Strandbild (Wasserfarbe).
Jan Sluyters ist einer der älteren Modernen.
Besseres hat er wohl kaum je geschaffen als
den feinen, blanken Rückenakt, der, kürzlich
auch in Amsterdam ausgestellt, nun ein Heim
in Sammlerbesitz gefunden hat Zu den heute
höchstens Vierzigjährigen zählen der vor allem
als Bildhauer bekannte Hendrik Chabot


Greco, Abschied Christi von Maria
Um 1580 — Leinwand, 100:118 cm
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Rotterdam, Museum Boymans

(Knieender Mann) und Toon Kelder, der in
einem zarten Kinderbild soviel Raffinement zu
vereinigen weiß, daß man sich dessen fast
nicht bewußt wird. Aus härterem Holze ge-
schnitzt ist Pyke Koch, der dem Studium der
Rechte noch nicht so lange valet gesagt hat,
und in wenigen Jahren einen der ersten Plätze
unter den Jüngsten errang, den er mit seinem
Kinderbildnis, das für ihn weichere Klänge zu
greifen weiß, auch hier behauptet. Frau Char-
ley Toorop, des stillen Toorop männliche Toch-
ter, zeigt sich hier mit einem weniger quä-
lenden, weniger energischen, lichteren, doch
straffer denn je komponierten Bilde, „Die
Mahlzeit der Freunde“.
Von den Bildhauerarbeiten steht für uns
Rene Icles nunmehr Eigentum des Museums
Boymans gewordenes Werk, Kopf der Frau
des Künstlers, ein gleichzeitig klar scheinendes
und Geheimnisse bergendes Werk, vielleicht
am höchsten, doch dürfen auch Georg Kolbes
Bronze „Junge Frau“, ebenso wie Polets lie-

Inhalf Nr. 3

D r. W. Mautner:
Winterausstellung in Rotterdam (m. 3 Abb) 1, 2
Eine Sammlung italienischer Barock-Gemälde
(m. 3 Abb.). 2
D r. E. v. S y d o w :
Südsee-Kunst.2, 3
Italienische Kunst in München. 3
Auktionsvorberichte . 3
Auktionskalender . 3
Nachrichten von Überall (mit 4 Abb.) 4
Die kleine Geschichte: Märchen im
Kreis . 4
Abbildungen:
H. Andri essen, Vanitas.1
P. Saenredam, Marienkirche zu Utrecht . . . 1
Greco, Abschied Christi von Maria.2
N. Renieri, Porträt.2
J. Ly s, Kain und Abel ..2
D. da Volterra, Heilige Familie. 3
Bildnis Vasaris.4
Vas ar i, Selbstbildnis . . . ;_...4
W. Tischbein, Bildnis des Künstlers und seines
Bruders. ... 4

gender — für ihn ungewöhnlich graziöser —
Frauenakt ebenso Anspruch auf Erwähnung
machen, wie der sitzende, massivere Frauen-

Boymans, die sich Bürgerrecht erworben
haben, werden fortgesetzt werden, auch dann,
wenn sein Neubau vollendet sein und dieses

AUSSTELLUNGEN


Niccolö Renieri, Porträt
Leinwand, 42:31 cm
Bern, Privatbesitz

akt von Chana Orloff und der charaktervolle
Marmorkopf des Flamen Jules Vermeire.
Die Weihnachtsausstellungen des Museums

dritte der großen holländischen Museen sein
neues Heim bezogen haben wird.
Dr. Wilhelm Mautner (Amsterdam)

Eine Sammlung
italienischer Barock-Gemälde

Trotz des starken Widerhalls, den 'allent-
halben die große Florentiner Ausstellung des
italienischen Sei- e Settecento 1922 gefunden
und trotz der intensiven Beschäftigung mit
der künstlerischen Materie italienischer

Einflußsphären ausgesetzt und vielleicht am
vielfältigsten in seinen Erscheinungsmöglich-
keiten, ist repräsentiert durch einen Luca

Südsee-Kunst
Die umfangreiche Ausstellung von Kunst
und Kunstgewerbe der Südsee, die gestern im
Lichthof des Berliner Museums für
Völkerkunde II eröffnet worden ist, zeigt
das erfreuliche Weiterwirken des ersten Im-
pulses, der vor ein paar Jahren durch den groß-
gedachten Plan einer Afrika- und Südsee-Kunst-
ausstellung von der Berliner Secession gegeben
worden ist. Nachdem zunächst 1931 in der
Preußischen Akademie der Künste die Aus-
stellung Altamerikanischer Kunst, dann im
Frühjahr vorigen Jahres die Ausstellung Afri-
kanischer Plastik in der Secession stattgefun-
den hat, findet diese Reihe jetzt ihre Fort-
setzung in der Ausstellung der Südsee-Kunst.
Zieht man noch in Betracht, daß außerdem Dr.
Meinhard eine sehr instruktive und reizvolle
Schau Indonesischer Kunst im Lichthof des
Völkerkundemuseums I arrangiert hat, so wird
der Liebhaber Primitiver Kunst mit Befriedi-
gung feststellen, daß die mannigfachen Vor-
bilder, die von Paris, Brüssel, München seit
Jahren gegeben, aber in Berlin doch mit
einigem Befremden betrachtet worden waren,
nunmehr in resolutem Entschluß befolgt und,
zum mindesten in dem Streben nach systema-
tischer wissenschaftlicher Abrundung, erreicht,
wenn nicht übertroffen worden sind.
Aus den reichen Berliner und Dahlemer Be-
ständen der Südsee-Abteilung, die unter Dr.
Nevermanns vortrefflicher Leitung steht,
ist eine Reihe von ozeanischen Kunstwerken
plastischer und kunstgewerblicher Art ausge-
wählt worden, die die künstlerische Begabung
der Südseeinsulaner veranschaulichen. Losge-
löst aus der ethnographischen Verbundenheit
mit den mannigfachen Gebrauchsgegenständen
des Alltags präsentiert sich hier ein besonders
anziehender Teil des wünschenswerten Kunst-
museums der Naturvölker. Alle Gebiete der
Südsee haben ihre Berücksichtigung gefunden:
Melanesien, Polynesien, Mikronesien. Der
Reichtum an wirkungsvollen Stücken ist groß.
Wir heben nur das Wichtigste heraus.
Zunächst Melanesien: Neu-Mecklenburg mit
schönen Malaganschnitzereien und Ulifiguren,
deren inhaltliche Bedeutung im Mittelpunkt
einer interessanten Debatte steht — Neu-
Guinea mit durchbrochenen Hausbrettern, mo-
dellierten Köpfen, guten Masken —, die Neuen
Hebriden mit modellierten Figuren —, die Salo-
monen mit seltsamen Bugfiguren, die den be-
rühmten Osterinselfiguren verwandt sind, usw.
Dann Polynesien. Der prachtvolle Königs-
mantel aus Hawaii beherrscht, einer strahlen-
den Zentralsonne gleich, die Mitte des Aus-
stellungsraumes und bezeugt eine ganz anders
heroische Haltung, als die etwas düstere Art
Melanesiens. Ihm schließen sich andere Idole
Hawaiis an, besonders eindrucksvoll unter
ihnen der Kopf des Kriegsgottes. Sehr gut sind
Neu-Seeland mit reich ornamentierten Werken
(Bug eines Kriegskanoes, Türsturz, Kästchen)
und die Marquesas-Inseln (Sammlung K. v. d.
Steinen) vertreten. Bei der Osterinsel hätte
man freilich das durchaus minderwertige Stein-
idol besser fortgelassen.
Mikronesiens Kunstwelt ist nicht so reich,
und vor allem formal nicht so hochstehend,

Barockmalerei, die im letzten Jahrzehnt von
Wissenschaftlern der verschiedensten Länder
von Grund auf neu bearbeitet wurde, haben
sich die großen italienischen Barockmaler, von
Ausnahmen abgesehen, weder auf dem
Kunstmarkt noch in den Sammlungen der
Kunstliebhaber einen festen Platz erobert.
Der Gründe, denen hier nicht nachgegangen
werden kann, sind vielerlei; mannigfacher Art
die Möglichkeiten ihrer Widerlegung, deren
stärkste in der Tatsache beruht, daß, ganz im
stillen, verschiedenorts, auch in Deutschland,
Sammlungen entstanden sind, die, bei der ge-
ringen, dieser Materie entgegengebrachten
Beachtung, künstlerisch und historisch ge-
schlossene Einblicke in die Vielfalt italieni-
schen Barockschaffens gewähren.
Wir nehmen heute Gelegenheit, unsere
Leser auf eine vortreffliche, in Berner Privat-
besitz befindliche Sammlung aufmerksam zu
machen und auf diesen Seiten einige wesent-
liche Werke dieser Kollektion zu reprodu-
zieren, die auf dem besten Wege ist, ein kon-
tinuierliches Entwicklungsbild der italienischen
Malerei des Sei- e Settecento zu verwirklichen.
In der möglichsten Zurückdrängung des groß-
formatigen Altarbildes wie der aus dieser
Epoche nicht wegzudenkenden Rühr- und
Schauer-Martyriumszenen verwirklicht der
schweizerische Sammler gleichzeitig die Mög-
lichkeit, diese in erster Linie dem repräsenta-
tiv-kirchlichen Gedanken unterworfene Kunst
dem Sammlergeschmack unserer Zeit dienstbar
zu machen. Eines der frühesten Hauptwerke
der Sammlung bildet Daniele da Volterras
Tafel der heiligen Familie (Abbildung S. 3),
von späteren Toskanern ist vor allem Biliverti
mit der malerisch äußerst reizvollen „Nymphe“
zu nennen. Hervorragend vertreten ist die
venezianische Barockkunst mit Mythologien
von Carpioni, einem Hieronymus vom Pittoni,
Werken von Liberi, Sebastiano Ricci, Piazzetta,
Marieschi und Rotari, aber auch den beiden
nordischen Wahlvenezianern, dem aus
Maubeuge stammende Renieri mit einem
rubensartigen Herrenporträt (siehe Abbil-
dung) und dem Oldenburger Jan Lys (siehe
Abbildung), dessen bedeutendes Schaffen
durch einen frühen Pest-Tod bereits 1629 oder
1630 in Venedig unterbrochen wurde. Dem
nächsten Umkreis Caravaggios ist das inter-
essante Bildnis eines Kunstsammlers zuzu-
rechnen; aus der römischen Schule stößt man
auf Werke Trevisanis und Asseretos, aus der
veronesischen auf solche von Tommaso Porta
und Balestra; Neapel, den verschiedensten

Jan Lys, Kain und Abel
Leinwand, 90:72,5 cm
Bern, Privatbesitz


Giordano, durch ein Hirtenbild des Ribera-
Schülers Passante, eine Landschaft von Bart.
Torreggiani, die deutlich die Nachwirkung
Salvatore Rosas verrät, und das bedeutende
signierte Stilleben von Realfonso.

wie die der beiden anderen Riesengebiete. Die
Plastik ist hier durchweg minderwertig. Aber
es war vielleicht nicht ganz falsch, auch solche
Machinationen wie die Katzengruppe (Yap)
aufzunehmen, — so wird auf drastische Weise
 
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