12. FEBRUAR 1933
VII. JAHRGANG, Nr. 7
WE
ARTo/zfeWORLD ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT LMONDE^ARIS
DAS INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
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WERTHEIM - BIBLOGRAPHIKON
Inh. Dr. Hans Wertheim Alte Graphik / Gotik bis Biedermeier Berlin W9, Lennestr. 7. Lützow 4512
Kunsthandel und Gangsterwelt
schem Subtrahieren und Dividieren, auf die
Summe von 5 bis 10 000 Mark kommen, die sein
brennender Palast-Rembrandt kosten soll. Was
Sollten in diesen Fällen am Ende doch Ge-
wissensbisse den Käufer quälen, sei ihm zu-
nächst beruhigend gesagt: der Wert eines
Von Grete Ring
denkt bei alledem der Interessent? Woraufhin
mag er vermuten, daß gerade ihm das Schick-
Kunstwerks, das diesen Namen mit irgend-
einem Recht führt, ist auch heute nicht so ima-
sal ein besonderes Geschenk reserviert ? Glaubt
ginär, wie die Berichterstattung gerade in der
Der Mann, der einen freien Rest seines
Vermögens in Schmuck „anlegen“ will, fragt
nach dem größten und zuverlässigsten Juwelier.
Man nennt ihm die traditionellen Häuser der
Bond Street, der Rue de la Paix, Unter den
Linden. Der Mann geht dort-
hin, läßt sich beraten, folgt
dem Rat, obwohl er weiß, daß
sich Schmuck, auch der vom
solidesten Händler erworbene,
in den letzten Jahren auf
einen Bruchteil seines Wertes
herabgemindert hat. Der
Mann, der Aktien'kaufen will,
konsultiert seinen Bankier,
an dem er eben zum dritten-
mal sein Vermögen verloren
hat: trotz allem hält er diesen
für sachverständiger in Fi-
nanzdingen als etwa seinen
Friseur, der ihm bei der
Morgentoilette ein „totsiche-
res“ Papier empfiehlt. Da-
gegen horcht derselbe Mann
elektrisiert auf, wenn ihm der
gleiche Friseur von einem
Rembrandt, einem Donatello,
einem Amenophiskopf spricht,
die er ihm für einen Spott-
preis beschaffen könne.
Es ist eine der seltsamsten
Erscheinungen unseres an
Seltsamem gewiß nicht ar-
men Wirtschaftslebens, daß
der trocken rechnerische Ge-
schäftsmann sich in die Zonen
der verwegensten Romantik
vorwagt, sobald es sich um
Gegenstände bildender Kunst
handelt. Das Kunstwerk, das
nicht ein Großfürst mit Le-
bensgefahr aus dem brennen-
den Palast seiner Väter ge-
rettet, das nicht ein Erz-
herzog nächtlich über sämt-
liche Grenzen der alten
Donaumonarchie geschmug-
gelt, erscheint ihm kein be-
gehrenswerter Besitz. Der
Händler, so sagt sich augen-
scheinlich der Interessent,
offeriert mir das Stück
bestenfalls zu dem augen-
blicklich gültigen Marktpreis.
Er selbst hat es vielleicht
einst durch Glückszufall an der „Quelle“ für
einen Bruchteil dieses Wertes erbeutet. Wes-
halb soll ich nicht die gleiche Chance nutzen
und auch einmal direkt beim „Erzeuger“ ein-
kaufen? Mein Friseur kennt durch glückliche
Fügung den Vetter des Großfürsten, einst Offi-
zier der kaiserlichen Garde, der zur Zeit in der
Tauentzienstraße Balalaika spielt, die Gelegen-
heit ist niewiederkehrend günstig, nehmen wir
sie wahr!
Die psychologischen Merkwürdigkeiten des
Kunstinteressenten sind damit nicht erschöpft.
Seit langem Auktions- und Kunstmarktberichte
mit Nutzen verfolgend, hat er beispielsweise
gelesen, daß in den „großen Jahren“ des Han-
dels ein bedeutendes Werk von Rembrandt mit
dreihundert, vierhunderttausend Dollars be-
zahlt wurde; er mag — mit Recht — anneh-
men, daß amerikanische Publizitätsfreude die
Meldungen übertrieben, daß vielleicht nur %
bis % der genannten Summen der Wirklich-
keit entsprach. Er kann weiter schließen, daß
in der heutigen Zeit des insonderheit tiefen
Standes aller Werte diese Summen wiederum
zu halbieren, ja zu vierteln wären. Er kann
endlich die maßgebende Differenz zwischen
einem zentralen und einem Nebenwerk des
Meisters gebührend in Rechnung setzen —
niemals aber wird er, bei noch so pessimisti-
er, daß seine Gewährsleute — Friseur, Groß-
fürst und Balalaikaspieler — gleicherweise
mitten in der Großstadt unter einer luftdichten
Glocke hausen, die sie von jeglicher Kenntnis
über den wahren Wert ihres Schatzes herme-
tisch abschließt ? Oder glaubt er gar, daß sie
diesen Wert wohl ahnen, daß aber die Not sie
zwingt, ihre letzte Habe für ein Nichts zu
verschleudern? Weitere und größte psycholo-
gische Seltsamkeit des Kunstamateurs: er, der
sonst peinlich korrekte Geschäftsmann, der es
auf allen Gebieten entrüstet von sich weisen
würde, die blanke Notlage eines Kontrahenten
auszunutzen, seinen Geschäftsabschlüssen auch
nur den Schatten eines „Dolus“ beizumengen,
hält dies alles für sein gutes Recht — wiederum
sobald es um Dinge der bildenden Kunst geht.
letzten Zeit gern glauben machen möchte. Noch
gibt es — wie der Regulatui’ der Auktion immer
wieder lehrt — Mindestpreise für Kunstgegen-
stände, die der internationale Handel gleich-
sam automatisch auch jetzt anzulegen bereit
ist, und diese Mindestpreise
liegen zumeist erheblich über
den „Notierungen“ des Unter-
welt-Handels. — Wenn aber
diese Kreise, wird wieder der
Interessent fragen, zugegebe-
nermaßen ihre Ware häufig
billiger liefern können, wes-
halb soll ich sie nicht weiter
heranziehen ? Spricht hier
nicht wieder einmal der Kon-
kurrenzneid des „großen Han-
dels“, der den kleinen Leuten
ihren bescheidenen Verdienst
mißgönnt ?
Zur Antwort sei im fol-
genden kurz geschildert, wie
sich der Gang eines Geschäfts
dieser Art etwa abspielt. Ein
neuer Kunde wird der Gang-
sterwelt des Handels avisiert.
Vielfache Kräfte setzen sich
sogleich emsig in Bewegung,
die erforderliche Ware herbei-
zuschaffen. Im günstigeren
Fall werden die Bestände der
großen Kunsthandlungen
durchgesehen, ob sich nicht
unter den Ladenhütern des
Kellergeschosses etwas fin-
det, das sich mit ein wenig
Mühe und Phantasie neu her-
ausbringen und verwerten
ließe. Eine weitere nicht un-
günstige Möglichkeit: die
Kunstwerke sind in der Tat
„Russenware“, aber nicht aus
dem brennenden Schloß ge-
rettet, vielmehr höchst prosa-
isch von der russischen Han-
delsvertretung zum Verkauf
gegeben. Es ist einleuchtend,
daß der größere Händler wie
die wohlorientierte Sowjet-
vertretung nur vergleichs-
weise bescheidene Objekte für
diese immerhin nicht risiko-
freien Versuche zur Ver-
fügung stellen werden, zu-
meist Lose, die schon einmal
als Niete gezogen. Muß nun der Unterweltler
seinem Kunden „große Ware“ bieten, geht es
schnell hinab in die Quartiere der Verfälscher,
der Falschsignierer, endlich der reinen Fälscher.
Sobald die Ware beschafft, erwächst dem
Gangster die zweite Sorge: eine zweckdienliche
Expertise zu erobern, die das letzte etwa noch
vorhandene Mißtrauen des Käufers zum
Schweigen bringt. Wenn der Expert erster
Ordnung versagt — was zum Glück häufig
der Fall, vor allem bei großen und größten
Künstlernamen —, muß der Expert zweiter
Jan Asselijn,
Ruinenlandschaft
Sign. dat. 1649 — Kat. Nr. 523
Versteigerung — Vente — Sale: Internationales Kunst- und Auktionshaus, Berlin, 25. Februar 1932
J| E/1ED Ä COKI LONDON BRUSSELS
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