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DIE WELTKUNST
Jahrg. VII, Nr. 7 vom 12. Februar 1933
Ordnung herhalten; wenn auch dieser ent-
täuscht, wird am Ende die Expertise gleich-
falls selbst fabriziert, wobei mit Vorliebe die
Namen der großen Toten, Bode und Hofstede
de Groot, mißbraucht werden. Ist das Objekt,
schön hergerichtet, signiert, expertisiert, zur
Stelle, beginnt die Hauptarbeit, der unmittel-
bare Angriff auf den Kunden. Es gibt, ein-
fach gefaßt, zwei Haupttypen des Unterwelt-
verkäufers: den vornehmen und den demütigen.
Der Vornehme weiß sich mit — bald echt, bald
falsch — wappengeschmückter Visitenkarte
Eintritt auch in solche Häuser zu schaffen, die
dem korrekten „Ladenhändler“ verschlossen
bleiben; indem er sich schweren Herzens von
einem Stück seines alten Familienbesitzes
trennt, ehrt er gleichsam seinen Käufer, der,
wie gesagt, trotz der Ehrung die bedrängte
Lage seines Kontrahenten nicht ungern wahr-
nimmt. Der Demütige schafft es vor allem mit
der Beharrlichkeit: er kommt auf der Hinter-
treppe zurück, wenn er die Vordertreppe hinab-
gewiesen, er wartet tagelang geduldig in den
Vorzimmern von Sitzungsräumen, beweglich
auf der Mitleidssaite spielend. Er kann ge-
gebenenfalls weiblichen Geschlechts sein. Wenn
obendrein Vornehmer und Demütiger einander
in die Hand arbeiten — was geschehen soll —
ist auch der hartgesottenste Wirtschaftsführer
verloren.
Die geschilderten Verhältnisse, so aktuell
sie leider sind, bedeuten keineswegs ein No-
vum in der Geschichte des Kunsthandels, viel
eher einen Rückfall in Übung und Bräuche des
alten Trödelgewerbes, aus dem sich in den
letzten Jahrzehnten gerade auch der deutsche
Handel mit betontem Abstand emporgehoben.
Das klassische Land des „romantischen“ Han-
dels, Italien, hatte die internationale Moderni-
sierung nie recht mitgemacht; hier trieb die
bunte und trübe Welt der „mediatori“ gewisser-
maßen seit Jahrhunderten unverändert und un-
beanstandet ihr Wesen: der Nobile, der den
Palazzo seiner Ahnen mit Gesamtinhalt wohl
ein dutzenmal durchreisenden Enthusiasten
verkauft, wurde zur unentbehrlichen Institu-
tion. Die aufschlußreiche Biographie des Fäl-
schers von Siena, loni (vor einigen Monaten
erschienen), gibt lebendige Kunde von dieser
Welt, gerade die verschlungenen Beziehungen
zwischen Betrüger und Betrogenem, Schlag und
Gegenschlag aufdeckend. „Vedi come sono
imbecilli questi Italiani“, ruft der überkluge
Fremde beim „billigen“ Einkauf eines loni-
bildes aus; und später, als er merkt, daß er
hereingelegt, mit gleicher Offenheit: „credeva
aver fatto il furbo, invece il furbo e stato
l’Italiano!“
Inhalt Nr. 7
Dr. Grete Ring:
Kunsthandel und Gangsterwelt .1, 2
Günther Roennefahrt:
Carl Spitzweg (m. Abbildung) .. 2
A u 1 e o r h e r i h r.o /mit- Ahb.) . . 2.3
Ein jüdisches Museum in Berlin (m. 2 Abb.) 3
Auktionskalender . 3
Nachrichten von Überall (m. 2 Abb.) 4
Di e kleine Geschichte:
Calisse und das Schicksal. 4
Abbildungen:
J. A s s e 1 i j n, Ruinenlandschaft.1
31. Oppenheimer, Börne-Porträt."
C. S p i t zw e g, Landschaft.2
Beschneidungsstuh1 . 3
Zwei Kupferstiche: Der Tanz .4
Wie, so fragen wir, konnte es kommen, daß
sich, nach Jahrzehnten gehobenen Bemühens,
der hochqualifizierte, kennerisch gebildete
deutsche Händler, der lächelnd auf die rück-
ständige Romantik des italienischen Antiquars
herabzublicken pflegte, nun beinahe vor die
Alternative gestellt sieht, ähnliche Praktiken
anzunehmen, oder seinen Betrieb über kurz
oder lang gänzlich zuzusperren? Wenn frag-
los den Privatinteressenten und seine Ein-
stellung die Haupt-
schuld an der er-
schreckenden Ausbrei-
tung des Unterwelthan-
dels in Deutschland
trifft, geht es, wie mir
scheint, nicht an, alle
anderen Mitspieler mit
einem einfachen „Nicht
der Betrüger, der Be-
trogene ist schuldig“ zu
entlasten. Ich spreche
nicht von der selbstver-
ständlichen Schuld der
Unterweltler selbst.
Doch könnte es nicht
sein, daß sich der deut-
sche Handel, zum
Schluß allzu sachlich,
allzu bankmäßig gewor-
den, von den natürlichen
Quellen des alten Anti-
quargewerbes in der
Tat gefährlich weit ent-
fernt hat? Machten
sich vielleicht die Pri-
vatleute nicht ganz mit
Unrecht Gedanken über
die immer üppiger her-
gerichteten Verkaufs-
räume, den immer sicht-
licher wachsenden Spe-
senapparat des größe-
ren Händlers ? Fest
steht weiter der Schuld-
anteil des Expertisen -
wesens in seiner heuti-
gen Übung: hier wird
die eigentliche Vor-
bedingung des Vermitt-
lerhandels geschaffen,
indem die Verantwor-
tung für eine wirt-
schaftliche Transaktion
— den Verkauf eines
Kunstwerks — aus-
die Möglichkeit der Trouvaille ist auch für
den Kenntnisreichen erstaunlich gering, sie ist
zudem wahrscheinlicher im Lager des normalen
Händlers als an poetischer Ruinenstätte.
Weiter: die wirtschaftlich erfolgreichen
Händler und Sammler sind keineswegs die,
deren Einkaufsprinzip die Trouvaille ist, viel-
mehr gerade die als „teure“, d. h. normale Ein-
käufer bekannten. Der Trouvaillenjäger ent-
geht erfahrungsgemäß nahezu nie der Gefahr,
Moritz Oppenheimer, Börne-Porträt. 1827
Berlin, Jüdisches Museum
schließlich einer Stelle zugeschoben wird,
die — und zwar gerade im günstigen
Fall des objektiven, außenstehenden Experten
— an der ganzen Angelegenheit weder be-
teiligt, noch überhaupt interessiert ist, die Ver-
antwortungsfreiheit des Vermittlers damit
glücklich stützend. Ein gerüttelt Teil der
Schuld trägt sicher die Tagespresse, weniger
in ihrer offiziellen Kunstberichterstattungs-
rubrik, als in vielfachen — nie geprüften, fast
nie zutreffenden, nie richtiggestellten — Re-
portagen aus aller Welt, aufsehenerregendste
Trouvaillen betreffend. Wie einst die Mär von
der Seeschlange geistern jetzt in regelmäßigen
Abständen die pittoresken Berichte von den in
Bodenkammern und Schuppen unter Staub
und Unrat „entdeckten“ Dürers, Rafaels,
Lionardos durch die Blätter, die Phantasie des
Lesers mit lockenden Vorstellungen erfüllend.
Es kann nicht oft genug wiederholt werden:
sich mit „beinahe echten“ Objekten zufrieden
zu geben, wenn die ganz echten sich ihm nicht
in genügender' Anzahl stellen wollen, er behält
so am Ende oft eher ein Raritätenkabinett als
eine Kollektion zurück.
Mich interessiert es aber nicht — wird der
spekulativ eingestellte Sammler einwenden —
klassierte Dinge zu feststehenden Preisen zu
erwerben und damit im besten Fall mein
investiertes Vermögen zu bewahren. Mich
lockt am Kunsterwerb, gerade geschäftlich ge-
sehen, das schwer meßbare, der Phantasie
Spielraum Gebende. Dieser Sammler-Species
— und es ist nicht die schlechteste, denn ge-
rade aus ihr können sich in der Folge die
echtesten Enthusiasten entwickeln — sei ver-
sichert: die Möglichkeit, in Kunstwerken er-
folgreich zu spekulieren, besteht zu jeder Zeit,
freilich, wenn ich es richtig sehe, nicht auf der
Basis des gegenseitigen „Dolus“, vielmehr
einzig auf der des Vertrauens, des Glaubens
an eine Sache. Es gibt immer Epochen und
Zweige des Kunstschaffens, die gerade nicht
im Zentrum des Interesses stehen. In der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren es
beispielsweise die primitiven Niederländer, die
Künstler der deutschen Romantik, zur Zeit sind
es etwa die Maler des italienischen Barock
(noch immer), die Meister von Barbizon, Teil-
gebiete der römischen und griechischen Antike,
endlich in gewissem Sinne der Gesamtkomplex
deutscher Holzplastik. Der Kunstinteressent,
der sein Vertrauen auf eines dieser vernach-
lässigten Sammelgebiete setzt, — oder auf
einen einzelnen Künstler, ich erinnere an den
Fall Greco — hat die wirkliche Chance der
Wertsteigerung seines Besitzes. Vor allem
jedoch — und dies kann nicht oft und eindring-
lich genug ausgesprochen werden — hat sie
der Sammler, der an die Kunst seiner eigenen
Zeit glaubt. Der Schulfall glücklicher Kunst-
„spekulation“ des alten Durand-Ruel und seines
Kreises von Amateuren sollte nicht zu schnell
vergessen werden.
Wenn, wird am Ende der Privatinteressent
fragen, nach alledem das günstige Kunst-
kaufen mit derlei Schwierigkeiten verbunden,
wenn soviele Fußangeln den Sammler um-
stellen, sollte man es nicht lieber ganz bleiben
lassen und das eventuell dafür freie Geld
anderweit zu verwenden suchen ? Darauf sei
erwidert: wenn alle wirtschaftlichen Kompli-
kationen von heute so leicht zu beheben wären,
wie das Problem des „Kunstgangstertums“,
stünde es in der Tat besser um die Welt. Das
Rezept ist erstaunlich einfach: Der Händler
schränkt seinen Betrieb sinnfällig ein, er setzt
die Preise seines Lagers weiter herab. Die
Presse bemüht sich, nicht zu arge „Trou-
vaillen“sensationen ungeprüft in die Welt zu
senden. Der Sammler beginnt wieder, Kunst-
werke aufzusuchen, nicht zu warten, bis die
„Gelegenheit“ sie ihm offeriert, er geht in die
Häuser der Händler, die ein sichtbares Waren-
schild haben, das rein zu halten sie sich mühen
müssen; er betrachtet und vergleicht selbst,
ehe er wählt. Vor allem: er verläßt sich nicht
auf die karge Aussage der Expertise, sondern
setzt sich unmittelbar mit dem Gutachter in
Verbindung, oder, wenn Zeit und Neigung ihm
diese komplizierteren Vorgänge nicht als
zweckmäßig erscheinen lassen, wählt er gene-
rell einen Vertrauensmann, am besten den
Museumsspezialisten seines engeren Sammel-
gebietes, dessen Rat er nicht nur' einholt, son-
dern prüft und gegebenenfalls befolgt. Auf
diese Weise sind die Sammlungen des Bode-
Kreises entstanden: nicht aus Unterwelts-
trouvaillen zusammengeheimnist, vielmehr aus
dem großen offenen Handel sorgsam gewählt,
haben sie in der kritisch-tragischen Zeit ihrer
Zerstreuung die Wertprobe tapfer bestanden.
Auktionsvorberichte
Gemälde, Textilien,
Fayencen
Berlin, Vorb. 18. Febr.
Am 18. Februar findet bei Dr. Günther
Deneke, Bellevuestr. 13, eine Versteige-
rung von Gemälden alter und neuerer Meister
statt. Aus der Fülle der Namen wären von
Meistern des 17. Jahrhunderts zu erwähnen:
Gennari, Brisighella, Vereist, van der Heyden,
Carl Spitzweg
Zu seinem 125. Geburtstage am
Damals, zu Spitzwegs Zeiten, muß es nett
gewesen sein! Da konnte der bekannte Herr
aus dem Fenster seiner Dachstube stundenlang
nach dem benachbarten Giebelfenster oder viel-
mehr nach der von diesem eingerahmten
Mädchenknospe schauen und ebensolange seine
Pflanzenlieblinge begießen, ohne daß von
unten herauf geflucht wurde; damals standen
die Astronomen vor winzigen Röhrchen auf
überlebensgroßen Stativen, die Chemiker er-
warteten umwälzende Ergebnisse aus einer
einzigen, riesigen Retorte, die Gratulanten
brachten gleich mehrere Blumentöpfe für eine
Angebetete mit und die lieben Dichter bauten
in festgelegte Maße nur noch die Worte ein und
schenkten uns dann ein schwebendes Auf und
Ab in klassischer Ordnung an Lang und Kurz.
Heute ist das alles gerade umgekehrt. Aber
war’s denn damals wirklich so ? Ist es richtig,
ob uns Spitzweg mit diesen Bildern seine oder
irgendeine andere Zeit schildern wollte ? Ob
es solche Sonderlinge wirklich gab oder ob
nur ein Künstler die einfältigen Kinder seiner
Phantasie in der süddeutschen Landschaft
spazieren führte ? Gehen wir sie alle der
Reihe nach durch: die Antiquare, Kakteenlieb-
haber, Angler, Bürgerwehrsoldaten, Jäger und
Liebespärchen, — diese neckischen Einfälle
und komischen Figuren, die Mondschein-
begebenheiten und sonnigen Almen, die lyri-
schen Ständchen und gruseligen Scharwachen
haben dem Typ Spitzweg in weiten Kreisen
Beliebtheit verschafft, weil aus ihnen der
Mensch Spitzweg zu uns spricht. Eine in
ihrer Mannigfaltigkeit überwältigende Fülle
von gütiger Heiterkeit strahlt aus seinen ge-
malten Gedichten; etwa 190 verschiedene haben
als Einzelblätter oder in Mappen Verbreitung
gefunden, und darunter sind außer den guten
Wiedergaben nach den Originalen leider auch
schlechte Drucke nach guten Vorlagen und so-
gar Reproduktionen nach schlechten Kopien.
Dieser eine Teil aus Spitzwegs Schaffen,
vorwiegend in öffentlichen Sammlungen, ist
weithin bekannt und für den Kunsthandel nicht
mehr erreichbar; nur ganz selten wechselt
eines dieser Werke aus einer großen Privat-
sammlung den Besitzer und wird zum Mittel-
punkte im Kampf mit Zahlen.
5. Februar
Der andere Spitzweg ist deshalb nicht
weniger begehrt. Er stellt dem Kunsthandel
noch mehrere hundert Werke zur Verfügung,
die — zu einer Gesamtschau vereinigt — eine
großartige Monographie ergeben und Spitz-
wegs Weg und Werden offenbaren könnten.
Darin verliert der anfangs steife Zeichner sehr
bald seine Ulkigkeit, und die Mitarbeit an den
„Fliegenden Blättern“ hinterläßt uns fast die
letzten Spuren eines wohl geschickten, aber
ungereiften Malers. Von seinen Reisen kommt
ein neuer Spitzweg zurück, einer, der von den
Farben der Franzosen berauscht wurde und
der beim Kopieren alter Meister das Sehen ge-
lernt hat. Aber was er in seinem Herzen
war, blieb er und wurde nun so recht der
deutsche Meister, der nur die Farbe und Form
als neue, kühnere Ausdrucksmittel seiner Seele
gewonnen hatte. Seine Art konnte nicht mit
schweren, breiten Strichen prunken, sie mußte
behutsam und liebevoll mit spitzem Pinsel er-
zählen von der deutschen Landschaft und
ihren Menschen, vom Alltag im Städtchen und
von der Andacht in der Einsiedelei, vom
Kinderspiel und Treiben der Großen, — am
liebsten aber von der Einsamkeit. Mit den
großen Einsamen, die sich vom Lärmen und
Hasten bewußt abwenden, mit den Philosophen
und Klausnern und Hagestolzen, verbanden ihn
sein Leid und mancherlei Enttäuschungen, und
so finden wir in seinem ganzen Schaffen immer
den Wechsel zwischen Schalkhaftigkeit und
ernstem Sinnen1, zwischen dem Mitlachen-
dürfen und Mitleiden-müssen. Niemals aber
wurde der Scherz zum spöttischen Übermut,
der Ernst zur klagenden Traurigkeit; immer
fand er wieder zum Leben zurück. Wundervoll
war seine Vertrautheit mit der Natur: Ge-
witter, Sonnenschein, Dämmerung und Nacht-
dunkel, Felswand und Gebirgsbach, Wald-
inneres und Schluchten1, Höhen mit weiter
Fernsicht, Almen und Gassen, — die Enge und
Carl Spitz weg, Landschaft
der weite Raum bis hoch hinauf ins Reich der
Vögel und Wolken, das war seine Welt.
Unter allen Meisterwerken des 19. Jahr-
hunderts kommt seinen besten Bildern ein
Ehrenplatz zu. Nicht äußere Ehrungen und
ein hochklingender Name, nicht Ausstellungs-
erfolge und die Aktualität dargestellter Per-
sonen oder Ereignisse sichern ihm die Stellung
in einer Rangliste der Kunst, sondern die Tiefe
seines Mitempfindens mit allen Vorzügen und
Schwächen des Modells Mensch, den uns sein
fröhlicher Sinn und sein gütiges Verstehen
tausendfach variiert nahebringen. Dazu der
Zauber, der sich über seine Landschaften
schlicht und naturwahr breitet und den Be-
schauer so besinnlich werden läßt, daß er zu-
rückkehren möchte in diese kleine Welt der
Stille rundum und des Friedens im Herzen.
Natürlich hat es auch in der Geschichte der
Spitzweg-Bilder von Zeit zu Zeit einen kleinen
Aufruhr gegeben, wenn Fach- und Tagespresse
von Fälschungen berichteten. In der Stille
führt ja der Kunsthändler beständig einen
Kampf gegen das Falsche und Wertlose, das
der Zahl nach die echten und edlen Werke
vielfach übertrifft und daher häufiger an-
geboten wird. Selbst wenn es ewig Leute
geben würde, die mit geschlossenen Augen
Ölfarbe auf Leinwand oder Holz kaufen, so ist
doch wiederum bei den übrigen die Angst, eine
Fälschung zu erstehen, heilbar; die Arznei
heißt weder Lupe noch Gutachten, sondern
Wissen um das Werk eines Künstlers und Ver-
tiefen in das, was außer der Signatur aus
seinen Bildern spricht. Das kann man nicht
vom Metallschild des Prunkrahmens, von der
Rückseite oder von einem beigegebenen Blatt
Papier ablesen, sondern das muß man fühlen.
So hätten auch die, besonders aus einer nord-
deutschen, einer süddeutschen und einer süd-
östlichen Kunststadt stammenden Fälschungen
an Gefährlichkeit verloren, wenn die ersten
Käufer vorher mit dem oben genannten Heil-
stoff schutzgeimpft worden wären; dann
hätten nämlich der Fälscher und der Händler
(nicht: Kunsthändler!) ihre Kunden auf einem
anderen Planeten suchen müssen. Da aber
Raketen noch nicht regelmäßig verkehren,
empfiehlt es sich vorläufig, sich an den irdi-
schen erfahrenen Kunsthändler zu wenden.
Der läßt die Finger von solchen Bildern, die
er nicht erkennt und die Spitzweg nicht ge-
malt haben — kann!
Günther Roennefahrt
DIE WELTKUNST
Jahrg. VII, Nr. 7 vom 12. Februar 1933
Ordnung herhalten; wenn auch dieser ent-
täuscht, wird am Ende die Expertise gleich-
falls selbst fabriziert, wobei mit Vorliebe die
Namen der großen Toten, Bode und Hofstede
de Groot, mißbraucht werden. Ist das Objekt,
schön hergerichtet, signiert, expertisiert, zur
Stelle, beginnt die Hauptarbeit, der unmittel-
bare Angriff auf den Kunden. Es gibt, ein-
fach gefaßt, zwei Haupttypen des Unterwelt-
verkäufers: den vornehmen und den demütigen.
Der Vornehme weiß sich mit — bald echt, bald
falsch — wappengeschmückter Visitenkarte
Eintritt auch in solche Häuser zu schaffen, die
dem korrekten „Ladenhändler“ verschlossen
bleiben; indem er sich schweren Herzens von
einem Stück seines alten Familienbesitzes
trennt, ehrt er gleichsam seinen Käufer, der,
wie gesagt, trotz der Ehrung die bedrängte
Lage seines Kontrahenten nicht ungern wahr-
nimmt. Der Demütige schafft es vor allem mit
der Beharrlichkeit: er kommt auf der Hinter-
treppe zurück, wenn er die Vordertreppe hinab-
gewiesen, er wartet tagelang geduldig in den
Vorzimmern von Sitzungsräumen, beweglich
auf der Mitleidssaite spielend. Er kann ge-
gebenenfalls weiblichen Geschlechts sein. Wenn
obendrein Vornehmer und Demütiger einander
in die Hand arbeiten — was geschehen soll —
ist auch der hartgesottenste Wirtschaftsführer
verloren.
Die geschilderten Verhältnisse, so aktuell
sie leider sind, bedeuten keineswegs ein No-
vum in der Geschichte des Kunsthandels, viel
eher einen Rückfall in Übung und Bräuche des
alten Trödelgewerbes, aus dem sich in den
letzten Jahrzehnten gerade auch der deutsche
Handel mit betontem Abstand emporgehoben.
Das klassische Land des „romantischen“ Han-
dels, Italien, hatte die internationale Moderni-
sierung nie recht mitgemacht; hier trieb die
bunte und trübe Welt der „mediatori“ gewisser-
maßen seit Jahrhunderten unverändert und un-
beanstandet ihr Wesen: der Nobile, der den
Palazzo seiner Ahnen mit Gesamtinhalt wohl
ein dutzenmal durchreisenden Enthusiasten
verkauft, wurde zur unentbehrlichen Institu-
tion. Die aufschlußreiche Biographie des Fäl-
schers von Siena, loni (vor einigen Monaten
erschienen), gibt lebendige Kunde von dieser
Welt, gerade die verschlungenen Beziehungen
zwischen Betrüger und Betrogenem, Schlag und
Gegenschlag aufdeckend. „Vedi come sono
imbecilli questi Italiani“, ruft der überkluge
Fremde beim „billigen“ Einkauf eines loni-
bildes aus; und später, als er merkt, daß er
hereingelegt, mit gleicher Offenheit: „credeva
aver fatto il furbo, invece il furbo e stato
l’Italiano!“
Inhalt Nr. 7
Dr. Grete Ring:
Kunsthandel und Gangsterwelt .1, 2
Günther Roennefahrt:
Carl Spitzweg (m. Abbildung) .. 2
A u 1 e o r h e r i h r.o /mit- Ahb.) . . 2.3
Ein jüdisches Museum in Berlin (m. 2 Abb.) 3
Auktionskalender . 3
Nachrichten von Überall (m. 2 Abb.) 4
Di e kleine Geschichte:
Calisse und das Schicksal. 4
Abbildungen:
J. A s s e 1 i j n, Ruinenlandschaft.1
31. Oppenheimer, Börne-Porträt."
C. S p i t zw e g, Landschaft.2
Beschneidungsstuh1 . 3
Zwei Kupferstiche: Der Tanz .4
Wie, so fragen wir, konnte es kommen, daß
sich, nach Jahrzehnten gehobenen Bemühens,
der hochqualifizierte, kennerisch gebildete
deutsche Händler, der lächelnd auf die rück-
ständige Romantik des italienischen Antiquars
herabzublicken pflegte, nun beinahe vor die
Alternative gestellt sieht, ähnliche Praktiken
anzunehmen, oder seinen Betrieb über kurz
oder lang gänzlich zuzusperren? Wenn frag-
los den Privatinteressenten und seine Ein-
stellung die Haupt-
schuld an der er-
schreckenden Ausbrei-
tung des Unterwelthan-
dels in Deutschland
trifft, geht es, wie mir
scheint, nicht an, alle
anderen Mitspieler mit
einem einfachen „Nicht
der Betrüger, der Be-
trogene ist schuldig“ zu
entlasten. Ich spreche
nicht von der selbstver-
ständlichen Schuld der
Unterweltler selbst.
Doch könnte es nicht
sein, daß sich der deut-
sche Handel, zum
Schluß allzu sachlich,
allzu bankmäßig gewor-
den, von den natürlichen
Quellen des alten Anti-
quargewerbes in der
Tat gefährlich weit ent-
fernt hat? Machten
sich vielleicht die Pri-
vatleute nicht ganz mit
Unrecht Gedanken über
die immer üppiger her-
gerichteten Verkaufs-
räume, den immer sicht-
licher wachsenden Spe-
senapparat des größe-
ren Händlers ? Fest
steht weiter der Schuld-
anteil des Expertisen -
wesens in seiner heuti-
gen Übung: hier wird
die eigentliche Vor-
bedingung des Vermitt-
lerhandels geschaffen,
indem die Verantwor-
tung für eine wirt-
schaftliche Transaktion
— den Verkauf eines
Kunstwerks — aus-
die Möglichkeit der Trouvaille ist auch für
den Kenntnisreichen erstaunlich gering, sie ist
zudem wahrscheinlicher im Lager des normalen
Händlers als an poetischer Ruinenstätte.
Weiter: die wirtschaftlich erfolgreichen
Händler und Sammler sind keineswegs die,
deren Einkaufsprinzip die Trouvaille ist, viel-
mehr gerade die als „teure“, d. h. normale Ein-
käufer bekannten. Der Trouvaillenjäger ent-
geht erfahrungsgemäß nahezu nie der Gefahr,
Moritz Oppenheimer, Börne-Porträt. 1827
Berlin, Jüdisches Museum
schließlich einer Stelle zugeschoben wird,
die — und zwar gerade im günstigen
Fall des objektiven, außenstehenden Experten
— an der ganzen Angelegenheit weder be-
teiligt, noch überhaupt interessiert ist, die Ver-
antwortungsfreiheit des Vermittlers damit
glücklich stützend. Ein gerüttelt Teil der
Schuld trägt sicher die Tagespresse, weniger
in ihrer offiziellen Kunstberichterstattungs-
rubrik, als in vielfachen — nie geprüften, fast
nie zutreffenden, nie richtiggestellten — Re-
portagen aus aller Welt, aufsehenerregendste
Trouvaillen betreffend. Wie einst die Mär von
der Seeschlange geistern jetzt in regelmäßigen
Abständen die pittoresken Berichte von den in
Bodenkammern und Schuppen unter Staub
und Unrat „entdeckten“ Dürers, Rafaels,
Lionardos durch die Blätter, die Phantasie des
Lesers mit lockenden Vorstellungen erfüllend.
Es kann nicht oft genug wiederholt werden:
sich mit „beinahe echten“ Objekten zufrieden
zu geben, wenn die ganz echten sich ihm nicht
in genügender' Anzahl stellen wollen, er behält
so am Ende oft eher ein Raritätenkabinett als
eine Kollektion zurück.
Mich interessiert es aber nicht — wird der
spekulativ eingestellte Sammler einwenden —
klassierte Dinge zu feststehenden Preisen zu
erwerben und damit im besten Fall mein
investiertes Vermögen zu bewahren. Mich
lockt am Kunsterwerb, gerade geschäftlich ge-
sehen, das schwer meßbare, der Phantasie
Spielraum Gebende. Dieser Sammler-Species
— und es ist nicht die schlechteste, denn ge-
rade aus ihr können sich in der Folge die
echtesten Enthusiasten entwickeln — sei ver-
sichert: die Möglichkeit, in Kunstwerken er-
folgreich zu spekulieren, besteht zu jeder Zeit,
freilich, wenn ich es richtig sehe, nicht auf der
Basis des gegenseitigen „Dolus“, vielmehr
einzig auf der des Vertrauens, des Glaubens
an eine Sache. Es gibt immer Epochen und
Zweige des Kunstschaffens, die gerade nicht
im Zentrum des Interesses stehen. In der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren es
beispielsweise die primitiven Niederländer, die
Künstler der deutschen Romantik, zur Zeit sind
es etwa die Maler des italienischen Barock
(noch immer), die Meister von Barbizon, Teil-
gebiete der römischen und griechischen Antike,
endlich in gewissem Sinne der Gesamtkomplex
deutscher Holzplastik. Der Kunstinteressent,
der sein Vertrauen auf eines dieser vernach-
lässigten Sammelgebiete setzt, — oder auf
einen einzelnen Künstler, ich erinnere an den
Fall Greco — hat die wirkliche Chance der
Wertsteigerung seines Besitzes. Vor allem
jedoch — und dies kann nicht oft und eindring-
lich genug ausgesprochen werden — hat sie
der Sammler, der an die Kunst seiner eigenen
Zeit glaubt. Der Schulfall glücklicher Kunst-
„spekulation“ des alten Durand-Ruel und seines
Kreises von Amateuren sollte nicht zu schnell
vergessen werden.
Wenn, wird am Ende der Privatinteressent
fragen, nach alledem das günstige Kunst-
kaufen mit derlei Schwierigkeiten verbunden,
wenn soviele Fußangeln den Sammler um-
stellen, sollte man es nicht lieber ganz bleiben
lassen und das eventuell dafür freie Geld
anderweit zu verwenden suchen ? Darauf sei
erwidert: wenn alle wirtschaftlichen Kompli-
kationen von heute so leicht zu beheben wären,
wie das Problem des „Kunstgangstertums“,
stünde es in der Tat besser um die Welt. Das
Rezept ist erstaunlich einfach: Der Händler
schränkt seinen Betrieb sinnfällig ein, er setzt
die Preise seines Lagers weiter herab. Die
Presse bemüht sich, nicht zu arge „Trou-
vaillen“sensationen ungeprüft in die Welt zu
senden. Der Sammler beginnt wieder, Kunst-
werke aufzusuchen, nicht zu warten, bis die
„Gelegenheit“ sie ihm offeriert, er geht in die
Häuser der Händler, die ein sichtbares Waren-
schild haben, das rein zu halten sie sich mühen
müssen; er betrachtet und vergleicht selbst,
ehe er wählt. Vor allem: er verläßt sich nicht
auf die karge Aussage der Expertise, sondern
setzt sich unmittelbar mit dem Gutachter in
Verbindung, oder, wenn Zeit und Neigung ihm
diese komplizierteren Vorgänge nicht als
zweckmäßig erscheinen lassen, wählt er gene-
rell einen Vertrauensmann, am besten den
Museumsspezialisten seines engeren Sammel-
gebietes, dessen Rat er nicht nur' einholt, son-
dern prüft und gegebenenfalls befolgt. Auf
diese Weise sind die Sammlungen des Bode-
Kreises entstanden: nicht aus Unterwelts-
trouvaillen zusammengeheimnist, vielmehr aus
dem großen offenen Handel sorgsam gewählt,
haben sie in der kritisch-tragischen Zeit ihrer
Zerstreuung die Wertprobe tapfer bestanden.
Auktionsvorberichte
Gemälde, Textilien,
Fayencen
Berlin, Vorb. 18. Febr.
Am 18. Februar findet bei Dr. Günther
Deneke, Bellevuestr. 13, eine Versteige-
rung von Gemälden alter und neuerer Meister
statt. Aus der Fülle der Namen wären von
Meistern des 17. Jahrhunderts zu erwähnen:
Gennari, Brisighella, Vereist, van der Heyden,
Carl Spitzweg
Zu seinem 125. Geburtstage am
Damals, zu Spitzwegs Zeiten, muß es nett
gewesen sein! Da konnte der bekannte Herr
aus dem Fenster seiner Dachstube stundenlang
nach dem benachbarten Giebelfenster oder viel-
mehr nach der von diesem eingerahmten
Mädchenknospe schauen und ebensolange seine
Pflanzenlieblinge begießen, ohne daß von
unten herauf geflucht wurde; damals standen
die Astronomen vor winzigen Röhrchen auf
überlebensgroßen Stativen, die Chemiker er-
warteten umwälzende Ergebnisse aus einer
einzigen, riesigen Retorte, die Gratulanten
brachten gleich mehrere Blumentöpfe für eine
Angebetete mit und die lieben Dichter bauten
in festgelegte Maße nur noch die Worte ein und
schenkten uns dann ein schwebendes Auf und
Ab in klassischer Ordnung an Lang und Kurz.
Heute ist das alles gerade umgekehrt. Aber
war’s denn damals wirklich so ? Ist es richtig,
ob uns Spitzweg mit diesen Bildern seine oder
irgendeine andere Zeit schildern wollte ? Ob
es solche Sonderlinge wirklich gab oder ob
nur ein Künstler die einfältigen Kinder seiner
Phantasie in der süddeutschen Landschaft
spazieren führte ? Gehen wir sie alle der
Reihe nach durch: die Antiquare, Kakteenlieb-
haber, Angler, Bürgerwehrsoldaten, Jäger und
Liebespärchen, — diese neckischen Einfälle
und komischen Figuren, die Mondschein-
begebenheiten und sonnigen Almen, die lyri-
schen Ständchen und gruseligen Scharwachen
haben dem Typ Spitzweg in weiten Kreisen
Beliebtheit verschafft, weil aus ihnen der
Mensch Spitzweg zu uns spricht. Eine in
ihrer Mannigfaltigkeit überwältigende Fülle
von gütiger Heiterkeit strahlt aus seinen ge-
malten Gedichten; etwa 190 verschiedene haben
als Einzelblätter oder in Mappen Verbreitung
gefunden, und darunter sind außer den guten
Wiedergaben nach den Originalen leider auch
schlechte Drucke nach guten Vorlagen und so-
gar Reproduktionen nach schlechten Kopien.
Dieser eine Teil aus Spitzwegs Schaffen,
vorwiegend in öffentlichen Sammlungen, ist
weithin bekannt und für den Kunsthandel nicht
mehr erreichbar; nur ganz selten wechselt
eines dieser Werke aus einer großen Privat-
sammlung den Besitzer und wird zum Mittel-
punkte im Kampf mit Zahlen.
5. Februar
Der andere Spitzweg ist deshalb nicht
weniger begehrt. Er stellt dem Kunsthandel
noch mehrere hundert Werke zur Verfügung,
die — zu einer Gesamtschau vereinigt — eine
großartige Monographie ergeben und Spitz-
wegs Weg und Werden offenbaren könnten.
Darin verliert der anfangs steife Zeichner sehr
bald seine Ulkigkeit, und die Mitarbeit an den
„Fliegenden Blättern“ hinterläßt uns fast die
letzten Spuren eines wohl geschickten, aber
ungereiften Malers. Von seinen Reisen kommt
ein neuer Spitzweg zurück, einer, der von den
Farben der Franzosen berauscht wurde und
der beim Kopieren alter Meister das Sehen ge-
lernt hat. Aber was er in seinem Herzen
war, blieb er und wurde nun so recht der
deutsche Meister, der nur die Farbe und Form
als neue, kühnere Ausdrucksmittel seiner Seele
gewonnen hatte. Seine Art konnte nicht mit
schweren, breiten Strichen prunken, sie mußte
behutsam und liebevoll mit spitzem Pinsel er-
zählen von der deutschen Landschaft und
ihren Menschen, vom Alltag im Städtchen und
von der Andacht in der Einsiedelei, vom
Kinderspiel und Treiben der Großen, — am
liebsten aber von der Einsamkeit. Mit den
großen Einsamen, die sich vom Lärmen und
Hasten bewußt abwenden, mit den Philosophen
und Klausnern und Hagestolzen, verbanden ihn
sein Leid und mancherlei Enttäuschungen, und
so finden wir in seinem ganzen Schaffen immer
den Wechsel zwischen Schalkhaftigkeit und
ernstem Sinnen1, zwischen dem Mitlachen-
dürfen und Mitleiden-müssen. Niemals aber
wurde der Scherz zum spöttischen Übermut,
der Ernst zur klagenden Traurigkeit; immer
fand er wieder zum Leben zurück. Wundervoll
war seine Vertrautheit mit der Natur: Ge-
witter, Sonnenschein, Dämmerung und Nacht-
dunkel, Felswand und Gebirgsbach, Wald-
inneres und Schluchten1, Höhen mit weiter
Fernsicht, Almen und Gassen, — die Enge und
Carl Spitz weg, Landschaft
der weite Raum bis hoch hinauf ins Reich der
Vögel und Wolken, das war seine Welt.
Unter allen Meisterwerken des 19. Jahr-
hunderts kommt seinen besten Bildern ein
Ehrenplatz zu. Nicht äußere Ehrungen und
ein hochklingender Name, nicht Ausstellungs-
erfolge und die Aktualität dargestellter Per-
sonen oder Ereignisse sichern ihm die Stellung
in einer Rangliste der Kunst, sondern die Tiefe
seines Mitempfindens mit allen Vorzügen und
Schwächen des Modells Mensch, den uns sein
fröhlicher Sinn und sein gütiges Verstehen
tausendfach variiert nahebringen. Dazu der
Zauber, der sich über seine Landschaften
schlicht und naturwahr breitet und den Be-
schauer so besinnlich werden läßt, daß er zu-
rückkehren möchte in diese kleine Welt der
Stille rundum und des Friedens im Herzen.
Natürlich hat es auch in der Geschichte der
Spitzweg-Bilder von Zeit zu Zeit einen kleinen
Aufruhr gegeben, wenn Fach- und Tagespresse
von Fälschungen berichteten. In der Stille
führt ja der Kunsthändler beständig einen
Kampf gegen das Falsche und Wertlose, das
der Zahl nach die echten und edlen Werke
vielfach übertrifft und daher häufiger an-
geboten wird. Selbst wenn es ewig Leute
geben würde, die mit geschlossenen Augen
Ölfarbe auf Leinwand oder Holz kaufen, so ist
doch wiederum bei den übrigen die Angst, eine
Fälschung zu erstehen, heilbar; die Arznei
heißt weder Lupe noch Gutachten, sondern
Wissen um das Werk eines Künstlers und Ver-
tiefen in das, was außer der Signatur aus
seinen Bildern spricht. Das kann man nicht
vom Metallschild des Prunkrahmens, von der
Rückseite oder von einem beigegebenen Blatt
Papier ablesen, sondern das muß man fühlen.
So hätten auch die, besonders aus einer nord-
deutschen, einer süddeutschen und einer süd-
östlichen Kunststadt stammenden Fälschungen
an Gefährlichkeit verloren, wenn die ersten
Käufer vorher mit dem oben genannten Heil-
stoff schutzgeimpft worden wären; dann
hätten nämlich der Fälscher und der Händler
(nicht: Kunsthändler!) ihre Kunden auf einem
anderen Planeten suchen müssen. Da aber
Raketen noch nicht regelmäßig verkehren,
empfiehlt es sich vorläufig, sich an den irdi-
schen erfahrenen Kunsthändler zu wenden.
Der läßt die Finger von solchen Bildern, die
er nicht erkennt und die Spitzweg nicht ge-
malt haben — kann!
Günther Roennefahrt