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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 7.1933

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Nr. 16 (16. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44613#0067
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VII. JAHRGANG, Nr. 16

16. APRIL 1933

WELTKUNST
-

ART^feWORLD ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFI LMONDErfsAKß
DAS INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT


Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
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WERTHEIM-BIBLOGRAPHIKON
Inh. Dr. Hans Wertheim Alte Graphik / Gotik blS Biedermeier Berlin W9, Lennestr. 7. Lützow 4512

NATIONALE ERHEBUNG
UND KUNST

Wir erachten es als notwendig, an
dieser Stelle unseren Lesern das seit
Antritt der neuen deutschen Re-
gierung wichtigste Dokument auf dem
Gebiete des Neuaufbaus des künstle-
rischen Lebens, den soeben veröffent-
lichten Briefwechsel zwischen General-
musikdirektor Wilhelm Furtwäng-
ler und dem Reichsminister für Pro-
paganda und Volksaufklärung, Dr.
Joseph Goebbels, im Abdruck
wiederzugeben, da die darin ange-
schnittenen prinzipiellen Erörterungen
über das Gebiet der Musik hinaus
analoge Fragestellungen der bildenden
Kunst anschneiden.
Generalmusikdirektor
Wilhelm Furtwängler an Reichsminister
Dr. Goebbels:
Sehr geehrter Herr Reichsminister!
Angesichts meines langjährigen Wirkens in
der deutschen Oeffentlichkeit und meiner in-
neren Verbundenheit mit der deutschen Musik
erlaube ich mir, Ihre Aufmerksamkeit auf Vor-
kommnisse innerhalb des Musiklebens zu len-
ken, die meiner Meinung nach nicht unbedingt
mit der Wiederherstellung unserer nationalen
Würde, die wir alle so dankbar und freudig be-
grüßen, verbunden sein müssen.
Ich fühle mich hierbei durchaus als Künst-
ler. Kunst und Künstler sind dazu da, zu ver-
binden, nicht zu trennen. Nur einen Tren-
nungsstrich erkenne ich letzten Endes an: den
zwischen guter und schlechter Kunst. Wäh-
rend nun aber der Trennungsstrich zwischen
Juden und Nichtjuden, auch wo die staats-
politische Haltung der Betreffenden keinen
Grund zu klagen gibt, mit geradezu thoeretisch
unerbittlicher Schärfe gezogen wird, wird jener
andere, für unser Musikleben auf die Dauer so
wichtige, ja entscheidende Trennungsstrich, der
zwischen gut und schlecht, allzu sehr vernach-
lässigt.
Das heutige Musikleben, durch die Welt-
krise, das Radio usw. ohnehin geschwächt, ver-
trägt keine Experimente mehr. Man kann
Musik nicht kontingentieren wie andere lebens-
notwendige Dinge, wie Kartoffeln und Brot.
Wenn in Konzerten nichts geboten wird, gehen
die Leute eben nicht hinein. Darum ist die
Frage der Qualität für die Musik nicht nur eine
ideale, sondern schlechthin eine Lebensfrage.
Wenn sich der Kampf gegen das Judentum in
der Hauptsache gegen jene Künstler richtet, die
— selber wurzellos und destruktiv — durch
Kitsch, trockenes Virtuosentum und dergleichen
zu wirken suchen, so ist das nur in Ordnung.
Der Kampf gegen sie und den sie verkörpern-
den Geist, der übrigens auch germanische Ver-
treter besitzt, kann nicht nachdrücklich und
konsequent genug geführt werden. Wenn die-
ser Kampf sich aber auch gegen wirkliche
Künstler richtet, ist das nicht im Interesse des
Kulturlebens. Schon weil Künstler, wo es auch
sei, viel zu rar sind, als daß irgendein Land
sich leisten könnte, ohne kulturelle Einbuße auf
ihr Wirken zu verzichten.
Es muß deshalb klar ausgesprochen werden,
daß Männer wie Walter, Klemperer, Reinhardt
usw. auch in Zukunft in Deutschland mit ihrer
Kunst zu Worte kommen können müssen.

Deshalb noch einmal: Unser Kampf gelte
dem wurzellosen, zersetzenden, verflachend de-
struktiven Geiste, nicht aber dem wirklichen
Künstler, der in seiner Art immer, wie man
seine Kunst auch einsehätzen möge, ein Gestal-
tender ist und als solcher aufbauend wirkt.
In diesem Sinne appelliere ich an Sie im
Namen der deutschen Kunst, damit nicht Dinge

geschehen, die vielleicht nicht mehr gut zu
machen sind.
In vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebener
Wilhelm Furtwängler
Reichsminister Dr. Goebbels
an Generalmusikdirektor Wilhelm
Furtwängler:
„Sehr geehrter Herr Generalmusikdirektor!
Ich begrüße es dankbar, daß ich auf Grund
Ihres Briefes Gelegenheit habe, Ihnen Auf-
schluß über die Haltung der nationalbedingten
deutschen Lebenskräfte zur Kunst im allge-
meinen und zur Musik im besonderen geben zu
zu können. Dabei freut es mich außerordent-

lich, daß Sie im Namen der deutschen Künstler-
schaft gleich zu Beginn Ihres Schreibens be-
tonen, daß Sie die Wiederherstellung unserer
nationalen Würde dankbar und freudig be-
grüßen.
Ich habe niemals angenommen, daß das
anders sein könnte; denn ich glaube, der Kampf,
den wir um Deutschlands Wiedergestaltung
führen, geht den deutschen Künstler nicht nur
passiv, sondern auch aktiv an. Ich berufe mich
hier auf ein Wort, das der Reichskanzler
drei Jahre vor unserer Machtübernahme in der
Oeffentlichkeit gesprochen hat: „Wenn die
deutschen Künstler wüßten, was wir einmal für
sie tun werden, dann würden sie uns nicht be-
kämpfen, sondern mit uns fechten.“
Es ist Ihr gutes Recht, sich als Künstler zu
fühlen und die Dinge auch lediglich vom künst-

lerischen Standpunkt zu sehen. Das aber be-
dingt nicht, daß Sie der ganzen Entwicklung,
die in Deutschland Platz gegriffen hat, unpoli-
tisch gegenüberstehen. Auch die Politik ist
eine Kunst, vielleicht die höchste und umfas-
sendste, die es gibt. Und wir, die wir die mo-
derne deutsche Politik gestalten, fühlen uns
dabei als künstlerische Menschen, denen die
verantwortungsvolle Aufgabe anvertraut ist,
aus dem rohen Stoff der Masse das feste und
gestalthafte Gebilde des Volkes zu formen. Es
ist nicht nur die Aufgabe der Kunst und des
Künstlers, zu verbinden; es ist weit darüber
hinaus ihre Aufgabe, zu formen, Gestalt zu
geben, Krankes zu beseitigen und Gesundem
freie Bahn zu schaffen. Ich vermag deshalb
als deutscher Politiker nicht lediglich den einen
Trennungsstrich anzuerkennen, den Sie wahr-


Raffael, Christus am Ölberg
Holz, 24:28 cm — Bisher Harbor Hill, Slg. Clarence H. Mackay
Neuerwerbung des Metropolitan -Museums, New York

haben wollen: Den zwischen guter und schlech-
ter Kunst. Die Kunst soll nicht nur gut sein,
sie muß auch volksmäßig bedingt erscheinen,
oder besser gesagt lediglich eine Kunst, die
aus dem vollen Volkstum selbst schöpft, kann
am Ende gut sein und dem Volke, für das sie
geschaffen wird, etwas bedeuten. Kunst im
absoluten Sinne, so wie der liberale Demokra-
tismus sie kennt, darf es nicht geben. Der Ver-
such, ihr zu dienen, würde am Ende dazu
führen, daß das Volk kein inneres Verhältnis
mehr zur Kunst hat, und der Künstler selbst
sich im luftleeren Raum des l’art pour l’art-
Standpunktes von den treibenden Kräften der
Zeit isoliert und abschließt. Gut muß die
Kunst sein; darüber hinaus aber auch verant-
wortungsbewußt, gekonnt, volksnahe und
kämpferisch.
Daß sie keine Experimente mehr verträgt,
gestehe ich gerne zu. Es wäre aber angebracht
gewesen, gegen künstlerische Experimente zu
protestieren in einer Zeit, in der das deutsche
Kunstieben fast ausschließlich von der Experi-
mentiersucht Volks- und rassefremder Elemente
bestimmt und dadurch das deutsche künstleri-
sche Ansehen vor der ganzen Welt belastet und
kompromittiert wurde.
Gewiß haben Sie recht, wenn Sie sagen, daß
die Qualität für die Musik nicht nur eine ideale,
sondern schlechthin eine Lebensfrage sei.
Mehr noch haben Sie recht, wenn Sie den
Kampf gegen die wurzellos destruktive, durch
Kitsch und trockenes Virtuosentum verdorbene
künstlerische Gestaltung mit uns kämpfen. Ich
gebe gern zu, daß auch germanische Vertreter
sich an jenem üblen Treiben beteiligt haben;
das ist aber nur ein Beweis dafür, wie tief die
Wurzeln dieser Gefahren schon in den deut-
schen Volksboden hineingedrungen waren, und
wie notwendig es auf der anderen Seite er-
schien, dagegen Front zu machen. Wirkliche
Künstler sind rar. Man muß sie deshalb för-
dern und unterstützen. Es sollen dann aber in
der Tat wirkliche Künstler sein.
Sie werden in Deutschland auch in Zukunft
mit ihrer Kunst immer zu Wort kommen
können. Dagegen zu klagen, daß hier und da
Männer wie Walter, Klemperer, Reinhardt usw.
Konzerte absagen mußten, erscheint mir im
Augenblick um so weniger angebracht, als
wirkliche deutsche Künstler in den vergangenen
vierzehn Jahren vielfach überhaupt zum
Schweigen verurteilt waren und die auch von
uns nicht gebilligten Vorgänge in den letzten
Wochen nur eine natürliche Reaktion auf diese
Tatsache darstellen. Jedenfalls aber bin ich
der Meinung, daß jedem wirklichen Künstler
bei uns das Feld zur unbehinderten Wirksam-
keit freigegeben werden soll. Er muß dann
aber, wie Sie selbst sagen, ein aufbauender
schöpferischer Mensch sein und darf nicht auf
der Seite der von Ihnen mit Recht gegeißelten,
wurzellos zersetzenden, verflachend destruk-
tiven, meistens nur technischen Könner stehen.
Seien Sie bitte davon überzeugt, daß ein
Appell im Namen deutscher Kunst in unseren
Herzen immer einen Widerhall finden wird.
Künstler, die wirklich etwas können und deren
außerhalb der Kunst liegendes Wirken nicht
gegen die elementaren Normen von Staat,
Politik und Gesellschaft verstoßen, werden wie
immer in der Vergangenheit, so auch in der
Zukunft bei uns wärmste Förderung und Unter-
stützung finden.
Darf ich Ihnen, sehr verehrter Herr Gene-
ralmusikdirektor, bei dieser Gelegenheit meine
Dankbarkeit zum Ausdruck bringen für die
vielen Stunden wirklich erbauender, großer und
manchmal erschütternder Kunst, die Sie mir,
vielen meiner politischen Freunde und Hundert-

BRUNNER oaLL"v NEW-YORK
55, East 57th Street
 
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