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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 7.1933

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Nr. 37 (10. September)
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DIE WELTKUNST

Jahrg. VII, Nr. 37 vom 10. September 1933

• •
Nachrichten von Überall

Richard Pietzsch im Münchener
Kunstverein
In den drei Sälen des Kunstvereins ist das
Lebenswerk des Münchener Malers Richard
Pietzsch ausgestellt. Zu der Eröffnung hielt
Herr Hofrat Pixis die Ansprache. Als Ver-
treter der staatlichen und städtischen Behörden
sowie der Kunst waren erschienen: General-
direktor Dr. Buchner, Geheimrat Dr. Dörn-
höffer, Direktor Dr. Hanfstängl, Geheimrat

Angelo Jank, Stadtrat Flüggen, ferner die
ersten Vorsitzenden des Reichsverbands
D. K. A. H., Herr Adolf Weinmüller und Dr.
Sauermann.
Prof. Pietzsch gehört zu den bekanntesten
deutschen Künstlern und es würde sich er-
übrigen, über seine Kunst viele Worte zu ver-
machen, wenn nicht in dieser Zusammen-
fassung die urwüchsige Kraft seines Schaffens,
die Vielseitigkeit und der Reichtum seiner
Palette so überraschend offenbar würden.
Zwischen den Lokaltönen der Isarlandschaften
und den leuchtenden, ungebrochenen Farben
der Interieurs, der Auer Dult-Bilder und vor
allem der wundervollen Brandstätte spannt
sich eine unermeßliche koloristische Skala wie
sie nur selten ein Künstler beherrscht. F.
Haus der deutschen Kunst
Auf Antrag des Ministerpräsidenten be-
schloß der bayerische Ministerrat, für das Haus
der Deutschen Kunst (Neuer Glaspalast) einen
Betrag von 500 000 M bereitzustellen, um da-
durch einerseits den Dank gegenüber dem
Führer für die Förderung dieses für Bayern so
wichtigen Bauwerks zu bekunden, andererseits
sein Interesse für die bayerische Landeshaupt-
stadt und für die bayerische Kunst und die
Bereitstellung weiterer Arbeitsgelegenheit zu
zeigen. — Die Vorarbeiten für den Bau im
Englischen Garten wurden bereits in Angriff
genommen. Die Grundsteinlegung soll am
1. Oktober erfolgen. F.
Michelangelos Grablegung
Von all den vielen schlecht plazierten
Werken Michelangelos hat die „Deposizione“
hinter dem Hauptaltar von Santa Maria del
Fiore fraglos den weitaus schlechtesten Platz
durch den Herzog Cosimo III de’Medici er-
halten. Die Gruppe war buchstäblich tot-
gestellt und zwar bis zu einem Grade, daß
keine Michelangelo-Studie je sich mit dieser
Grablegung gesondert und eingehend be-
schäftigt hat und das obwohl es sich um eines
der Hauptwerke handelt, ein Werk, das Rodin
in den Himmel hob — obwohl auch er es in
dem Düster seines Platzes mehr ahnen als
sehen konnte und das schließlich erst Camille
Mallarme geschichtlich erforscht hat. Die
Sopraintendenza delle belle Arti von Florenz
hat nach langen Studien und Vorarbeiten die
„Ausgrabung“ dieses Werkes beschlossen; man
versetzt die Statue in die Capella Sant’Andrea,
rückt sie in ein ausgeprobt gutes Licht und
schenkt sie damit nach zweihundertzwölf
Jahren der Menschheit wieder. Dieses Todes-
werk Michelangelos, erfüllt vom Jenseits mehr
als irgend ein anderes und stärkstes Zeugnis
für die Unersättlichkeit des Ausdrückenwollens
wird in diesen Tagen seinen Platz wechseln.
G. R.
Uebertünchte Wandmalerei
aus dem 13. Jahrhundert
Bei den Restaurierungsarbeiten in der
Münsterkirche zu Bonn hat man eine wertvolle
Entdeckung gemacht. An der Ostwand des
südlichen Querschiffs wurde bei Abwasch-
arbeiten eine übertünchte Malerei freigelegt,
die nach den Vermutungen der Sachverstän-
digen aus dem 13. Jahrhundert stammen dürfte.
Die drei Figuren dieser Malerei stellen eine
Madonna dar, der ein Engel eine Krone aufs
Haupt setzt, und rechts und links neben ihr

eine Heiligenfigur. Diese sollen die beiden
Schutzpatrone der Stadt Bonn, Cassius und
Florentius, sein.
Ein unbekannter Bildhauer
aus Alt-Berlin
In Cölln an der Spree, am 9. Juni 1708,
datiert der Bildhauer Georg Gottfried Wyhen-
meyer eine Bewerbung an den König Fried-
rich I. um eine Hofbildhauerstelle. Er ver-
weist dabei auf die
18jährigen Dienste, die
er dem König beim
Schloßbau und bei an-
deren Lusthäusem ge-
leistet habe, und ebenso
auch dem Baudirektor
Schlüter, und zwar ohne
Entgelt. Man weiß, daß
dieser Wyhenmeyer aus
oder aus der Gegend
von Ulm 1690 nach
Berlin kam und 1715
hier als Rektor der
Akademie gestorben ist.
Man weiß auch, daß er
für Schloß Oranien-
burg gearbeitet hat,
ebenso für Schloß
Friedrichstal, aber die
Arbeiten sind ebenso
verschollen wie die ehe-
mals an der Langen
Brücke lagernden Fluß-
götter und Nymphen.
Aber nach einer alten
Nachricht hat Wyhen-
meyer auch einige Tro-
phäen und Helme am
Zeughaus gemacht. Dar-
aufhin unternimmt Dr.
Wilhelm Boeck in den Berichten aus den Ber-
liner Museen den Versuch, diesem vergessenen
Künstler einige Arbeiten zuzuweisen. So er-
gibt sich ein Ring von bisher namenlosen Bild-
hauerwerken, die sich gut zu dem Gesamtbilde
einer Persönlichkeit zu runden scheinen. Es
ist ein zwar anpassungsfähiger, aber sehr vir-
tuoser Meister von süddeutschem Tempera-
ment, der sich erst Schlüter unterordnete und
der dann sich mit dem zweiten aus Süddeutsch-
land in Berlin eintreffenden Meister, mit Per-
moser, zu einer Art Schicksalsgemeinschaft
verband. Die vielleicht bedeutendste Arbeit ist
der große Helm als Schlußstein am Zeughause.
Dazu gehören ein paar antike Krieger, die als
Entwürfe in Lindenholz im Berliner Schloß-
museum stehen, und die Tonstatuette eines
Christus an der Säule, noch heute im Besitze
der Akademie der Künste in Berlin. Hier er-
gibt sich ein Vergleich zu dem Moritzburger
Christus an der Säule von Permoser.
Der italienische Landeswett-
bewerb der Skulptur
Der italienische Landeswettbewerb für
Skulptur ist bekanntlich recht hoch mit Preisen
ausgestattet, aber sein Erfolg war in diesem
Jahre nicht bemerkenswert. Die Jury hat fest-
stellen müssen, daß keine Arbeit vorhanden
war, der man den ersten Preis, der 20 000 Lire
beträgt, zusprechen konnte. Es ist sogar in
Frage gestellt worden, ob überhaupt eine
Arbeit vorhanden war, der eine nationale Be-
deutung zuerkannt werden konnte. Immerhin
hat man dann aber als Nationalpreis 10 000
Lire Prof. Vi g n i - Florenz für eine Statue
„Sitzende Frau“ zugesprochen. Der Preis
Stefan Derville (10 000 Lire) ist dem Bild-
hauer Lucchetti für seine Arbeit „Sommer-
mittag“ zuerkannt worden. —th
Münchner Chronik
Der Bildhauer und Akademieprofessor
Karl Killer vollendete sein 60. Lebens-

jahr. Er ist ein Schüler Ferdinand von Millers
und leitet seit sieben Jahren die Bildhauer-
klasse für christliche Kunst an der Akademie.
Aus der großen Reihe seiner Werke seien die
Plastiken für das Mozarteum in Salzburg und
die Madonna für den Arkadenhof der Gynäko-
logischen Klinik genannt.
Der Maler Otto Kubel wurde 65 Jahre alt.
Er hat als Landschafts- und Bildnismaler Vor-
zügliches geleistet, am bekanntesten wurde er
durch seine Kinderbilder und Illustrationen
(Grimms Märchen usw.), die weite Verbreitung
fanden. F.
Personalien
Joseph Breck, der geschäftsführende Direktor
des Metropolitan-Museums in New York, ist
im Alter von 58 Jahren in der Schweiz ge-
storben. Breck übernahm 1917, als Valentinen
nach Deutschland zurückkehrte, die Leitung
der Abteilung für dekorative Plastik, stellte
dann die von J. P. Morgan gestiftete Sammlung
auf, schuf die Halle für mittelalterliche Bild-


Hans Brügge mann, Lautespielender Engel
Schleswig, um 1520. Holz.
„Das Kunstwerk des Monats“
im Deutschen Museum, Berlin


Wirkereien und war der führende Anreger in
der Organisation des größten amerikanischen
Museums.
Georg Witkowski, der Führer der deutschen
Bibliophilen, der bekannte Literarhistoriker,
begeht am 11. September die Feier seines
70. Geburtstages. Witkowskis ausgezeichnete
Arbeiten umfassen die neuere deutsche Lite-
raturgeschichte vom Barock bis ins 19. Jahr-
hundert.


Betrachtungen
Umgang mit Menschen
Wenn wir sagen: das Leben ist unsanft mit
uns umgesprungen, so meinen wir: unsere Mit-
menschen haben sich nicht von ihrer besten
Seite gezeigt. Daß sie es nicht taten, ist
weiter nicht verwunderlich, denn unsere beste
Seite ist ein unscheinbares Kleinod, das man
nur Nächststehenden gelegentlich und flüchtig
zeigt. Unsere beste Seite ist gleichzeitig
Achillesferse und Triebkraft. Wir vermeiden

DIAMANTEN-REGIE
Alte Gemälde
Juwelen
BERLIN W15, KURFURSTENDAMM 2,5


Wilhelm Trübner, Kloster Neustift
Ausstellung klassischer deutscher Kunst: Galerie Alex Vömel, Düsseldorf

es, uns ins Getriebe schauen zu lassen, indem,
wir uns von Seiten zeigen, die beileibe nicht
anmutig, aber zweckmäßig sind. Die verspon-
nenen Beziehungen menschlichen Zusammen-
lebens werden von begehrlichen Zwecken be-
herrscht und von durchtriebenen Mitteln ge-
leitet. Jeder steht jedem im Wege, jeder be-
nutzt jeden als Brücke, keiner will dem an-
dern in den Steigbügel helfen. Der Kampf
ums Dasein ist ausgesprochen unfreundlich.
Der Mensch ist ein triebhaftes Wesen. Aus
dem Umstand, daß ihm einige seiner Triebe be-
kannt sind, folgert er leichtsinnig, sie unter-
stünden allesamt seinem Willen. Tatsächlich
liegt die Sache so, daß der Wille nur nachträg-
lich Dekrete unterzeichnet, die von den Trieben
beschlossen wurden; er sanktioniert, was auch
ohne ihn seinen Gang nehmen würde. Der Um-
gang der Menschen untereinander ist deshalb
so schwierig, weil widersprechendste Triebe
aufeinanderprallen und ein verflochtenes Ge-
wirr bilden, das nicht zu lösen ist, weil niemand
auf seinen Zierat verzichten möchte. Jeder Ir-
dische ist von einem Dunstkreis umgeben, der
seinem Herzen entströmt, unmerklich die Sicht
trübt und ihn überallhin begleitet: der Illu-
sion. Ist der Dunstkreis dicht, so spricht man
von Selbstbewußtsein, ist er fadenscheinig, von
Minderwertigkeitsgefühlen. Bei besonders
lebensstarken Individuen geht die Illusion aus
dem gasförmigen in einen festen Zustand über
und wirkt wie ein Panzer, an dem jede Waffe
hilflos abgleitet.
Herr Schulze hat hundert Bekannte. Jeder
• von ihnen kennt einen anderen Herrn Schulze.
Wer kennt den richtigen Herrn Schulze ? Alle
kennen ihn, keiner kennt ihn, denn Herr
Schulze ist hundertfach. Der liebenswürdige
Herr Schulze ist ebenso wahr wie der grobe,
der angenehme ebenso echt wie der unaussteh-
liche. Herrn Schulze ist nicht beizukommen,
weil er sich selber nicht beikommt, weil er
sich täglich, stündlich neu entdeckt. Herr
Schulze ist, mathematisch gesprochen, eine
Folge von Variationen und Permutationen.
Herrn Schulzes Bild bricht sich im Spiegelsaal
seines Umganges tausendfach.
Es gibt Bücher über den Umgang mit Men-
schen, über Lebensklugheit und über Wege zum
Erfolg, den man bekanntlich nur durch lebens-
klugen Umgang mit Menschen erreicht. Diese
Bücher, die den Federn verbitterter und erfolg-
loser Autoren entstammen, sind sehr einleuch-
tend geschrieben und überaus vergnüglich zu
lesen. Man pflichtet ihnen aus vollem Herzen
bei, nimmt sich vor, von nun an ein anderer
Mensch zu werden, und bleibt der alte, sobald
man die erbauenden Schriften zugeklappt hat.
Biegen oder brechen, beschließt der Leser
eines energischen Leitfadens und fordert den
Gegner trotzig in die Schranken, um ihm kurz
darauf in allen Punkten nachzugeben. Voll-
endete Umgangsformen fallen angenehm auf,
weil sie selten sind. Wer sie hat, ist entweder
flach oder abgründig. Wer ihrer mächtig ist,
genießt den Vorteil, oft eingeladen zu werden,
und den damit verbundenen Nachteil, viele
Trinkgelder verteilen zu müssen. Vollendete
Umgangsformen sind ein Naturgewächs oder
ein Zuchtergebnis, hinter dem eine angestrengte
Einzelleistung oder die Bemühung vieler Gene-
rationen steht. Die üblichen Umgangsformen
sind Stimmungssache, also gemischter Art.
Alkohol und weltanschauliche Differenzen
bringen Umgangsformen hervor, denen nicht
jeder gewachsen ist. Man spricht in solchen
Fällen von einem rauhen, aber herzlichen Ton.
Wer zuletzt schlägt, schlägt am besten.
Es ist schwer, einen passenden Umgang zu
finden. Wer viel zu sagen hat, umgibt sich
mit Zuhörern, wer wenig zu sagen hat, mit
tönenden Rhetoren. Sehr ähnliche Menschen
verstehen sich schlecht, weil Parallelen sich
nie zusammenfinden. Man schätzt im Näch-
sten, was einem abgeht, man verachtet in ihm,
was man ausreichend besitzt. Freunde, die
sich ergänzen, bilden ein Ganzes. Das Gemein-
same in ihnen ist zu gleicher Zeit Berührungs-
punkt und Samenkorn der Feindschaft. Wer
haltlos ist, sucht einen Halt. Wer Halt gibt,
verlangt unentwegte Haltlosigkeit. Der Mensch
ist wunderlich, seine Freundschaften sind selt-
sam, seine Lieben unbegreiflich. Glaubt man,
nach langem Suchen den richtigen Umgang
gefunden zu haben, so wird einem nachgesagt,
man habe einen schlechten Umgang.
Kurt Kusenberg-

Die Ausstellung „30 Deutsche Künstler“ in der
Galerie Ferdinand Möller, Lützowufer 3, bleibt in-
folge des großen Interesses, das diese Ausstellung
gefunden hat, noch für die Dauer des September
bestehen.

KUNSTHAUS MALMEDE
Köln a. Rhein
Unter Sachsenhausen 33
Antike Kunst
in Gemälden, Plastik, Gobelins, Möbeln,
Antiquitäten
Ankauf Verkauf

Direktion: Fr i t z - E d u a r d Hartmann. Redaktion: Dr. Werner Richard Deusch. Berliner Referat für moderne Kunst: Dr. Kurt Kusenberg. —■ Red. Vertretungen für München: Ludwig F. Fuchs / Ko m• G. Reinboth
Wien: Dr. St. Poglayen-Neuwali. — Verantwortlich für Inhalt und Anzeigen : Theo Rose, Berlin. — Erscheint im Weltkunst-Verlag G. m. b. H., Berlin W 62. — Zuschriften sind an die Direktion der Weltkunst, Berlin W 62, Kur-
fürstehstraße 76—77; zu richten. Anzeigenannahme bis Donnerstag beim Weltkunst-Verlag. Inseratentarif auf Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis des Verlags, auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellenangabe
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