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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 7.1933

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Nr. 49 (3. Dezember)
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2

DIE WELT KUNST

Jahrg. VII, Nr. 49 vom 3. Dezember 1933

liehe Geschäft in Möbeln dürfte heute — so-
wohl im Umsatz mit dem amerikanischen wie
dem europäischen Kunden — in Möbeln des
Seicento bis Ottocento liegen. Wenn das große
römische Barock des Seicento zeitweise ver-
nachlässigt gewesen ist und diese umfang-
reichen Stücke, namentlich wenn sie aus fürst-
lichen Haushaltungen stammen, in der Um-
gebung sehr anspruchsvoll sind, so sind sie
doch niemals mit wirklicher Interesselosigkeit
behandelt und namentlich kleinere Zusatzmöbel,
wie „mensole“, auch ganz reich verzierte, sind
stets umgesetzt worden. Die eigentliche Nach-
frage aber geht nach dem Settecentomöbel, und
zwar wiederum vor allem nach venezianischen
und neapolitanischen Stücken. An weniger be-
deutungsvoller, aber in ziemlichem Umfange
umgesetzter und auch gefragter Ware sind die
handwerklichen Landstile namentlich Süd- und
Mittelitaliens zu beachten. Aufsatzmöbel,
Standleuchter und ähnliches gehen wenig. Da-
gegen hat im Ottocento eine ausgesprochene
Hausse in Empire und II. Empire eingesetzt.
Namentlich französische Stücke sind gut im
Preis gehalten. Der süditalienische Möbelbau
ist hier am leistungsfähigsten gewesen und
verfügt über sehr schöne Arbeiten, die auch
reichlich im Handel sind. Das Angebot ist

London
Die Frage, welche Kunstgegenstände an den
einzelnen Märkten dem stärksten Interesse be-
gegnen, wird im großen und ganzen heutzutage
wohl sehr einstimmig beantwortet werden kön-
nen. In der „boom“periode der Nachkriegszeit
hat der amerikanische Markt einen so über-
ragenden Einfluß gewonnen, daß der drüben
herrschende Geschmack mehr und mehr ton-
angebend auch in den europäischen Händler-
und Sammlerkreisen wurde. Die Folge ist, daß
in wesentlichen Punkten das Händlerinteresse
in London, Paris, New York, Berlin usw. sich
auf die gleichen Dinge erstreckt. Frühe Bil-
der der niederländischen und italienischen
Schule, ein Tiepolo oder Guardi, ein guter
van Goijen oder ein Pater haben heute schließ-
lich in der ganzen Welt jeweils den' gleichen
Kurs. Der Unterschied liegt eher in der
Häufigkeit des Vorkommens dieser und jener
Objekte auf den einzelnen Märkten. London
ist reicher an Niederländern als an Italienern
und Franzosen, aber es ist auch heute noch
für den Kreis seiner Händler bezeichnend, daß
sie — weniger als dies an den anderen Orten
der Fall — auf diese oder jene Schule
„spezialisiert“ sind.


Daß die englische Malerei des
18. Jahrhunderts stark gepflegt
wird, versteht sich eigentlich
von selbst; es ist auf dem Ge-
biete des Bilderhandels die ein-
zige Besonderheit des englischen
Marktes gegenüber dem von
Paris, Amsterdam und Berlin.
Der Preisrückgang für englische
Bilder mittlerer Qualität ist
stärker als für entsprechende
Qualitäten der anderen Schulen.
In jedem Lande wird der be-
treffenden nationalen Schule ein
besonderes Interesse entgegen-
gebracht, Gainsborough und
Reynolds sind aber nicht nur die
Heroen Großbritanniens, ihr
Vaterland erstreckt sich heute
über die neue Welt. Diese Tat-
sache, daß die englische Maler-
schule des 18. Jahrhunderts auch
die sozusagen klassische Schule
des anglikanischen Amerika ist,
erklärt ihre unverhältnismäßig
hohe Bewertung und gleicher-
weise auch den starken Preis-
rückgang, nachdem in Amerika
der „slump“ einsetzte, da für
diesen Ausfall kein Ausgleich
auf den anderen europäischen
Märkten zu finden war. Denn
der Kontinent hat in der Tat
immer eine erstaunliche Des-
interessiertheit an der englischen
Malerei gezeigt, was von dorther
angeboten wird, ist in der ganz
überwiegenden Zahl der Fälle

Versteigerung:
8.—9. Dezember 1933

aber wesentlich größer als die Nachfrage und
vor allem, da viele Waren vom Althändler an-
geboten werden, und zwar zu unglaublichen
Preisen, hat der Kunsthandel verhältnismäßig
wenig Aussicht auf Umsatz. Zweites Empire
dagegen ist seltener und infolgedessen besser
im Preis gehalten; Keramiken sind, wenn es
sich nicht um ganz seltene und schöne Werke
handelt, ohne lebendigen Markt und Nachfrage.
Es muß in diesem Zusammenhang auf
moderne Kunst ein kurzer Blick geworfen
werden. Ganz ohne Frage ist der Markt trotz
aller Klagen der italienischen Künstler ganz

zumeist den Qualitäten der eng-
lischen Malerei völlig urteilslos
gegenüber, und wiegt sich dem-
entsprechend in übertriebenen
Preiserwartungen.
Das 19. Jahrhundert hat
außer Constable, Turner und
Bonington keine großen Meister in England
hervorgebracht, Bilder von ihnen sind
selten, und zumal von den ersteren beiden
hochbewertet. Dagegen gibt es einen recht be-
lebten Markt für jene Sorte spießbürgerlicher
Bilder, die den breiten Hintergrund des
19. Jahrhunderts ausmachen, und unseren
Defregger, Gebhardt, Achenbach und Kon-
sorten entsprechen. Französische Impressio-
nisten kommen wenig vor und der Abnehmer-
kreis ist auch nur ein verhältnismäßig kleiner.
Für die Kunst unserer Zeit ist das Interesse

Miereveldt, Herrenbildnis. Sign.
Holz, 105:77 cm — Slg. Dr. Jansen — Kat. Nr. 100
Internationales Kunst- und Auktionshaus, Berlin

Die deutschen Holz-
schnitte der Pariser
Nationalbibliothek
In der Graphik, im einfachen Schwarz-
Weiß-Kontrast hat deutscher Formwille fast
zu allen Zeiten seinen reinsten und vollendet-
sten Ausdruck gefunden. Vor allem der Holz-
schnitt, der in sich die Verpflichtung unbe-
dingter Klarheit und Ehrlichkeit trägt, ent-
spricht in besonderem Maße deutscher Ge-
staltungsabsicht. Es ist bedeutsam, daß auch
das Ausland gerade in den Werken der Gra-
phik die Höchstleistungen deutschen bild-
künstlerischen Schaffens gesehen und ihnen
seine Aufmerksamkeit zugewandt hat. Wäh-
rend Malerei und Plastik des deutschen Spät-


Christus am Öl berg. Deutsch, 15. Jahrli.
Holzschnitt
Paris, Nationalbibliothek

mittelalters in fremden Museen nur spärlich
vertreten sind, existieren im Ausland wich-
tige Sammlungen altdeutscher Graphik.
Auf ein beträchtliches Alter kann vor allem
die Sammlung der Pariser Nationalbibliothek zu-
rückblicken, deren bedeutender Bestand an frühen
Holzschnitten nunmehr in der zweibändigen
Publikation von Lemoisne in ausgezeichneten
originalgetreuen Wiedergaben vorliegt1). Zum
weitaus überwiegenden Teil geht er auf die
Sammlung eines höheren französischen Verwal-
vurig’Sl»ca.ll; ton, .nrihau ire«.
nach dem Sturze Napoleons von 1815 bis 1824 am
bayerischen Hofe in München aufhielt. In jene
Jahre fällt sein Erwerb der deutschen Holz-
schnitte, für die Hennin ein damals selten anzu-
treffendes Verständnis gehabt zu haben scheint.
In den dreißiger Jahren ging diese Sammlung in
den Besitz der Pariser Nationalbibliothek über,

4) P.-A. Lemoisne, Les Xylographies du XlVe
et du XVe siede du Cabinet des Estampes de la
Bibliotheque Nationale, Paris, Van Oest.


Hlg. Helena. Deutsch, um 1460
Holzschnitt
Paris, Nationalbibliothek

die sie in den folgenden Jahrzehnten durch wei-
tere Erwerbungen vervollständigte. So sind heute
alle Phasen des deutschen Holzschnitts vom Aus-
gang des 14. bis ins 16. Jahrhundert hinein in
Paris in bedeutsamen Beispielen vertreten: Die
Frühstufe, in deren Werken die Vielgestalt des
Gegenständlichen reduziert Wird auf einige
wenige großgesehene Linienzüge, die in ihrer ab-
strakten Ornamentik den kompositionellen Auf-
bau bestimmen; die Zeit des zweiten Jahrhun-
dertdrittels, die sich die Errungenschaften eines
K. Witz zunutze macht und Gestalten und Dinge
in ihrem raumverdrängenden Volumen mit den
Mitteln der Graphik wiederzugeben sucht;
schließlich die letzten Jahrzehnte des Jahrhun-
derts, in denen die Maler sich des Holzschnitts
bemächtigen und ihm ein bisher nicht geahntes
Maß an Feinheit und Geschmeidigkeit zu ver-
leihen wissen.
Ein Beispiel für die Frühphase ist die wunder-
bare Darstellung „Christus am Oelberg“ (s. Abb.);
sie offenbart die ganze Schönheit und Ausdrucks-
stärke der die Fläche rhythmisch gliedernden
Umrißlinien. Er ist alpenländischen Ursprungs,
also aus jener Kunstzone Deutschlands, deren
Bedeutung im Beginn des 15. Jahrhunderts ge-
rade die Forschung der letzten Jahre erwiesen
hat.
Die „Hl. Helena“ (s. Abb.), eine Neuerwer-
bung der Sammlung, ist in besonderer Weise ge-
eignet, die Zeit kurz nach der Jahrhundertmitte
zu repräsentieren. In eckig gebrochenen Falten
fällt das Gewand herab, den kubisch-geschlosse-
nen Aufbau der Figur unterstreichend. Sie ist
sicher in Nürnberg entstanden, in dessen Altar-
werken, z. B. im Hofer Altar, wir ähnliche
Heilige vor ausgebreitetem Vorhang antreffen.
In neuerer zeit ist von /z-«„aö«?lsclier Seite
mehrfach der Versuch unternommen worden, ge-
rade die schönsten und charakteristischsten Holz-
schnitte der Frühzeit Deutschland abzusprechen
und für Frankreich in Anspruch zu nehmen. Die
deutsche Forschung hat die Unhaltbarkeit dieser
Behauptungen, die einem übereifrigen Nationalis-
mus entsprangen, nachgewiesen. Es berührt daher
erfreulich, daß Lemoisne in seinem neuen Werk
sich von jeglicher politischer Voreingenommen-
heit freihält und um eine objektive Würdigung
des von ihm publizierten Materials bemüht ist.

zösische Firma sich mit der Absicht trägt, hier
eine Filiale zu eröffnen, und daß eine bedeu-
tende Sammlung chinesischen Porzellans von
New York herübergesandt wurde, um bei
Christie’s versteigert zu werden. Für ost-
asiatische Keramik ist London' eben' noch immer
der wesentliche Stützpunkt, vor allem werden
die späteren Perioden sehr stark gepflegt. Alle

zu beleben, und somit wieder eine größere
Spannung zwischen den einzelnen Märkten
herbeizuführen. G.D.
Paris
Durch seine Lage hat Paris in den letzten
Jahren eine besondere Bedeutung für den

Abonnieren Sie die
„WELTKUNST

unvergleichlich belebt. Es ist hier namentlich
der italienische Kunde, der kauft, und zwar
bis zu einem solchen Maße, daß italienische
Maler von einigem Rang sonderliche An-
strengungen zum Umsatz ihrer Bilder nicht zu
machen brauchen. Das Interesse für moderne
Werke hat auch dem Handel mit antiker Kunst
nicht wenig geschadet; ganz besonders aber
gilt das von dekorativer Kunst, die invasions-
artig sich innerhalb der letzten zwei Jahre
durchgesetzt hat und nun als ausgesprochen
modische Erscheinung trotz der Geldknappheit
in industrieller und in Werkkunst, noch ohne
rechten Sinn für wirkliche Qualität, im Vorder-
grund des Interesses steht. G. R.


Inhalt Nr. 49

Zwei Innenräume der Galerie Kurt Rohde, Berlin

Tendenzen am Kunstmarkt . . . .1, 3
Italien — London — Paris — München —
Wien
Die deutschen Holzschnitte in der Pariser
Nationalgalerie (mit 2 Abb.). 2
Cornelius-Ausstellung. 3
Auktionsvorberichte (mit 4 Abb.) . . 4
Literatur (mit 3 Abb.). 4
Preisberichte . 4
Auktionskalender. 5
Nachrichten von Überall. 6
V. Allgemeine Unabhängige Ausstellung 1933 6

Abbildungen:

Faksimiledruck.. .. 1
Miereveldt, Herrenbildnis • . „. 2
C h r i s t u s am ÖIb er g, Holzschnitt. 2
H e i 1 i g e H e 1 e n a. Holzschnitt. 2
Zwei Innenräume der Galerie Kurt Rohde, Berlin . 2
J. B. Bouttats, Geflügelstilleben. 3
M e n z e 1, Holländische Bäuerin. 3
Innenraum der Galerie Kurt Rohde, Berlin .... 4
„Der Tanz von Barcelona“. 4
Eigenhändiges Gedicht Go eth e s. 6

wie in fast allen Ländern auf die eigenen
Künstler beschränkt, hier und da werden Fran-
zosen gezeigt.
Neben dem Handel mit Bildern ist derjenige
mit englischem Kunstgewerbe, zumal mit
Möbeln, der stärkste Zweig des hiesigen Mark-
tes. Auf diesem Gebiet ist eine ausgesprochene
Spezialisierung vorhanden; kontinentales Mo-
biliar ist wenig gefragt, aber auch das An-
gebot ist nicht sehr groß. In gleicher Weise
wie bei den alten Gemälden läßt sich bei engli-
schen Möbeln seit dem Sommer dieses Jahres,
zum ersten Male seit Einsatz der Baissebewe-
gung, wieder ein Ansteigen der Preise konsta-
tieren. Der Glaube an die Lebensfähigkeit,
die Absatzmöglichkeit des hiesigen1 Marktes
wird vielleicht durch nichts so gut beleuchtet
wie durch die Tatsache, daß eine große fran-

archaische Kunst, primitive Ausdrucksformen
liegen dem englischen Geschmack fern, der
Kreis der für frühe Plastik, frühe orientalische
Kunst usw. Interessierten ist daher nur ein
sehr kleiner.
Das England des Kunsthandels ist London,
die Provinz, die in früheren Jahren eine Fund-
grube heute fast schon sagenhaft gewordener
Schätze war, ist ganz in den Hintergrund ge-
treten. Die „Quellen“ fließen wie in der gan-
zen Welt spärlicher und spärlicher, das Wissen
der Händler hat sich erweitert. Der Raum für
den Kunsthandel' ist eng geworden, ein wesent-
liches Heilmittel gegen diese Beklemmungs-
zustände wäre neben manchen anderen, wenn
es gelänge, die „Standardisierung“ des Welt-
marktes zu schwächen, gleichsam die Tenden-
zen des nationalen Geschmackes

Kunstmarkt gewonnen,. Wichtige Sammlungen
aus Deutschland, England und Amerika wer-
den in Paris verkauft, und es ist interessant,
über die Entwicklung der Pariser Kunstmarkt-
verhältnisse die größten Commissaire-Priseurs
zu hören, die sich unserem Pariser Redakteur
gegenüber dazu geäußert haben.
M« Ader: „Ich finde in diesem Jahre ein
steigendes Interesse für Möbel und Innen-
einrichtungs-Gegenstände. Gutes antikes Mo-
biliar hatte hier immer gute Preise, und für
Marken wie Boule usw. besteht seit langem
ein fester Käuferkreis. Von den objets1 d’art
sind in erster Linie die leicht zu verkaufen,
die dekorativem Geschmack entsprechen, von
Sammlungs-Stücken nur ganz erstklassige,
während hier für mittlere Objekte kaum Nach-
frage besteht. Bei den modernen Bildern
 
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