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Jahrg. XIII, Nr. 1/2 vom 8. Januar 1939

DIR WELTKUNST

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Bayern und aus Hessen, Holzgeräte vieler Art,
Minnegaben, eine schöne Auswahl fränkischer
Schellenbögen, Mangelbretter, Kleiekotzer, eine
prächtig erhaltene schwäbische Brautkrone und
vieles andere. Den stärksten Eindruck hinter-
läßt die geisterhaft unheimliche Reihe der
Perchtenmasken aus Graubünden und dem
Lötschental. Mit den Erwerbungen sieben-
bürgischen Volkskunst, vor allem Textilien, aber
auch Zinn, Pulverhörnern usw., konnte ein
ganzer Raum gefüllt werden. Den Abschluß
bildet die Graphik. Das früheste Blatt ist hier
eine Zeichnung aus dem Kreise Strigels mit der
Zubereitung eines Kinderbades (Abb. Weltkunst
20. März 1938, S. 4). Man sieht Holbeins Erasmus-
holzschnitt in einem hervorragenden Druck,
schöne Ansichten des alten Nürnberg, Ornament-
stiche, ein temperamentvolles Aquarell „Mar-
ketenderin“ von Klengel und — als glückliche
Ergänzung zu der schon vorhandenen Ansicht
Berlins von Christ, Ludwig Kaulitz — von dem-
selben Künstler eine gezeichnete Gesamtansicht
Wiens von etwa 1710. Kein Sammelgebiet blieb
unberücksichtigt, und ein Gang durch die Räume
dieser Ausstellung vermittelt im Kleinen ein
Bild der einzigartigen Vielseitigkeit, mit der das
Germanische Nationalmuseum die deutsche
Kultur wiederspiegelt. E. G. I.


A. Willaert s, Seegefecht vor Gibraltar am 25. April 1G07. Bezeichnet. 88 : 135 cm
Besitzer: Galerie K r e j a , Berlin

Sammlerbesitz

im Musen m Boy m
Es ist erstaunlich, was die befruchtende
Aktivität, Leidenschaft und Sachkenntnis eines
einzelnen Museumsmannes vermag: wenige
Wochen, nachdem die vielbewunderte und
außergewöhnlich aufschlußreiche Ausstellung
der Meisterwerke aus vier Jahrhunderten, die
im Laufe der Regierungszeit der Königin Wil-
helmina nach Holland ge-
kommen waren, geschlos-
sen wurde, kann Direktor
D. H a n n e m a im Boy-
mans Museum, bis zu
seinem Amtsantritt eines
der gewöhnlichen etwas
verschlafenen Provinz-
museen, heute ein Kraft-
zentrum holländischen
Sammlertums, eine seiner
gewohnten Weihnachts-
ausstellungen eröffnen, in
der er einige eigene Neu-
erwerbungen und, was
nicht minder wichtig, die
Ergebnisse seiner Be-
fruchtungstätigkeit beim
holländischen Sammler-
tum, zeigen kann: rund
siebzig Skulpturen, Ge-
mälde und Handzeich-
nungen von Bedeutung.
Das will auch in der heu-
tigen Zeit, da Funde und
Möglichkeiten am inter-
nationalen Markte ge-
schrumpft sind, etwas
bedeuten.
Wie reich noch der
englische Kunstbesitz an
unerschlossenen Schätzen
ist, beweisen einige importante Werke, die aus
der Sammlung des Herzogs von Norfolk neuer-
dings in holländischen Besitz übergingen: Haupt-
stück das vielteilige Triptychon eines niederlän-
dischen, vor-eyckischen Meisters um 1400 von
höchster kunstgeschichtlicher Bedeutung, das


Nordniederländisch um 1 4 0 5, Jesajas.
1(10 : 53 cm. Ausstellung: Boymans-
Museum,, Rotterdam (Museums-Kl.)
sich im Besitz von Herrn D. G. van Beuningen
befindet, aus dessen Sammlung auch das inter-
essante holländische Doppelbildnis stammt, das
Wir hier abbilden, und eine Brügger Tafel um

ans in Botte r <1 a in
1450 mit einer Darstellung aus der Katharinen-
legende, ehemals in der Slg. Auspitz in Wien.
Kaum braucht erwähnt zu werden, daß auch
die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts
wieder in erlesenen Beispielen vertreten ist,
z. B. mit dem schönen Hobbema, der aus der
Rufford Abbey Versteigerung vor wenigen

Wochen von Dr. L. D. de Hengel in Arnhem
erworben wurde. Das Boymans Museum selbst
kann eine Reihe wichtiger Skulpturen als Neu-
erwerbungen verzeichnen: so einen nordfranzö-
sischen segnenden Christus um 1300, die hol-
ländische Figur eines Antonius um 1450
(s. Abbildung) und den Mädchenakt „Assia“ in
Bronze von Charles Despiau.
Museiimsspende
der Wirtschaft
Wertvolle Bereicherung der
Düsseldorfer Gemäldegalerie
Zum Gedenken an die 650jährige Wiederkehr
der Stadterhebung hat die heimische Wirtschaft,
um ihrer Verbundenheit mit der großen kultu-
rellen Vergangenheit Düsseldorfs einen dauern-
den und weithin sichtbaren Ausdruck zu geben,
den Kunstsammlungen eine bedeutende Stiftung
gemacht. Aus dieser Stiftung sollen unter dem
Leitwort „Museumsspende der Düsseldorfer

Wirtschaft“ wichtige Kunstwerke erworben
und der Gemäldegalerie eingegliedert werden.
Unter dem Vorsitz von Generalkonsul Dr.
Friedrich fand eine Beiratssitzung des Düssel-
dorfer Museumsvereins statt, durch dessen
Vermittlung die Spende zusammengebracht
worden ist. In dieser Sitzung wurden die bisher
erworbenen Bilder vorgeführt. Es darf gesagt
werden, daß die Erwerbungen für den weiteren
Ausbau der Gemäldegalerie von größter Wich-
tigkeit sind. Bürgermeister Dr. Haidn, der in
der Sitzung als neuer stellvertretender Vor-
sitzender des Düsseldorfer Museumsvereins ein-
geführt wurde, brachte in Vertretung des Ober-
bürgermeisters zunächst den Dank der Stadt
Düsseldorf an die beteiligten Firmen zum Aus-
druck. In seinen Ausführungen wies Dr. Haidn
auf die Notwendigkeit einer engen Zusammen-
arbeit zwischen Stadtverwaltung und Wirt-
schaft in allen kulturellen Fragen hin. Er sprach
den Herren Generalkonsul Dr. Friedrich, Direk-
tor Dr. Helmut Poensgen, Dr. Steinberg und
Dr. Wilden, die sich um das Zustandekommen
der Spende besondere Verdienste erworben
hatten, den Dank der Stadtverwaltung aus, in-
dem er ihnen eine Nachbildung des Jan-Wellem-
Denkmals vor dem Rathaus überreichte.
Fra 11 kfii rter Museen
Das Museum für Kunsthandwerk,
das wegen Bauarbeiten am Haus und in der
nächsten Nachbarschaft fast ein halbes Jahr
geschlossen bleiben mußte, ist seit Ende
letzten Jahres wieder geöffnet. Die bisher
sehr gedrängt untergebrachten Sammlungen
sind unter der Leitung des neuen Direktors,
Professor Dr. Mannowsky, neu geordnet
worden. Durch Hinzunahme von drei Erd-
geschoßräumen und Aufhellung der übrigen
Säle gelang es, die Aufstellung systema-
tischer und lockerer als bisher zu gestalten.
Etwa Dreiviertel der Sammlung sind jetzt
wieder zugänglich, so die besonders reichen
Bestände an mittelalterlichem Kunsthandwerk,
ferner die Arbeiten der islamischen und ost-
asiatischen Kulturkreise, der italienischen und
deutschen Renaissance und des Barock, zeitlich
bis etwa in den Anfang des 18. Jahrh. reichend.
Für die graphische Sammlung (Ornamentstich,
Entwurf, Zeichnungen, Buchkunst, Handschriften)
und die Textilsammlung ist ein Benutzerraum
eingerichtet worden. An den gerade in der
letzten Zeit stark ausgebauten Abteilungen des
Kunsthandwerks aus der Zeit des Rokoko und
des Klassizismus wird noch gearbeitet. Ihre
Eröffnung ist im kommenden Frühjahr zu
erwarten.
Eine Leihgabe an das
Wallraf-Richartz-Mnsenin
Unter den zahlreichen Leihgaben, die Eduard
von der Heydt den deutschen Museen zur Ver-
fügung gestellt hat, ist eine der interessantesten

JULIUS BÖHLER

ALTE GEMÄLDE, ANTIQUITÄTEN
UND ALTE MÖBEL
KU NSTVERSTEIGE RUNGEN

MÜNCHEN

BRIENNER STRASSE 12

Holländische Schule um 1500, Bildnis eines Ehepaars
Sammlung 1). G. van Beuningen, Rotterdam (Kl. Museum)
Ausstellung im Muse um Boymans, Rotterdam


die bekannte Sammlung von Ordos-Bronzen,
die er seit einiger Zeit dem Museum für Kunst
und Industrie in Wien geliehen hatte und die
sich zur Zeit noch dort befindet. Der Sammler
hat diesen kostbaren Besitz an Bronzen jetzt
dem Wallraf-Richartz-Museum in Köln als
Leihgabe überwiesen, da sie eine wichtige
Ergänzung darstellt zu der sich bereits im
Wallraf-Richartz-Museum befindlichen Dier-
gardt-Sammlung. Die Stücke stammen durch-
weg aus der bekannten Sammlung Loo, Paris.
Es handelt sich in der Hauptsache um Gürtel-
schließen und Beschlagstücke mit Tierdarstel-
lungen aus dem sog. Ordos-Gebiet an der nörd-
lichen Grenze Chinas gelegen, wahrscheinlich
aus der Zeit der Han-Dynastie, etwa von 200
vor bis 200 nach Christi Geburt.
Kunstvereiii München
Die 100. Wiederkehr des Geburtstages
Wilhelm v. Diez, des hervorragenden Malers
und verdienstvollen Lehrers an der Münchener
Akademie der bildenden Künste, gibt dem Kunst-
verein München Veranlassung zu einer um-
fassenden Ehrenausstellung für den im Jahre
1907 verstorbenen Meister, die Anfang Februar
1939 eröffnet werden wird. Die Ausstellung
wird besonders die außerordentlichen Ver-
dienste betonen, die sich W. v. Diez zum Ruhm
Münchens als Lehrer erworben hat, indem sie
auch seine hauptsächlichsten Schüler zu Wort
kommen läßt.
Georg Schrimpf
Dem Gedächtnis des in diesem Jahr 49jährig
verstorbenen Malers Georg Schrimpf wird die
erste Ausstellung im Jahr 1939 bei Günther
Franke München (Brienner Straße 51, Palais
Almeida) gewidmet. Darin sind Gemälde, Aqua-
relle und Zeichnungen, teils aus dem noch
ungezeigten Nachlaß, teils aus Privat- und
Museumsbesitz zusammengestellt. Die Veran-
staltung bleibt geöffnet von Ende Dezember
bis Ende Januar 1939.
Deutsche Meister
des 19. Jahrhunderts
Durch den Verkauf einer geschlossenen
Berliner Privatsammlung bringt das Kunst-
auktionshaus Hans W. Lange in Berlin
in den Tagen des 31. Januar und 1. Februar ein
selten umfangreiches und qualitativ hoch-
wertiges Material an deutschen Meistern des
19. Jahrhunderts zum Ausgebot. Einen wesent-
lichen Teil dieses Besitzes bildet eine Menzel-
sammlung, wie sie, mit nicht weniger als 28 Ge-
mälden, Gouachen und Aquarellen, wohl seit
undenkbarer Zeit nicht mehr angeboten worden
ist: ein Hauptwerk, den „Schafgraben“, bildeten
wir hier bereits ab (Jg. XII, Nr. 52). Dazu
kommen einzelne Hauptwerke bekanntester
Künstler: so eine mythologische Szene in süd-
licher Landschaft von Arnold Böcklin, eine 1876
datierte Landschaft von Hans Thoma, eines der

Heiliger Antonius. Holland um 1450.
Neuerwerbung des Museums Boymans,
Rotterdam (Kl. Museum)


wunderbaren Kuh-Bilder von Heinrich von
Zügel aus dem Jahre 1882 und Werke der Ber-
liner Malerschule des 19. Jahrhunderts, u. a.
von Blechen, Krüger und Leistikow.
Das Kunstgewerbe, das sich neben einer
Anzahl alter Gemälde diesen Beständen an-
schließt, stammt aus der Sammlung Baurat
Bousset-Berlin, der Sammlung R.-Wien u. a. B.
Geschlossene Abteilungen bilden hier die chine-
sischen Porzellane von der Sung-Epoche bis
zur K’ien-lung-Zeit, die antiken Gläser und die
prähistorischen Bronzewaffen, wobei wirklich
erstklassiges Sammlergut überwiegt. Silber und
antikes Mobiliar sowie eine Reihe flämischer
Wandteppiche runden dieses Angebot ab.
 
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