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Jahrg. XIII, Nr. 26/27 vom 9. Juli 1939

DIE WELTKUNST

3




kein

gibt

zu Brügge

sich das freundschaftliche Entgegen-

ALTE GEMÄLDE, ANTIQUITÄTEN

UND ALTE MÖBEL

KUNSTVERSTEIGERUNGEN

MÜNCHEN

BRIEN NER STRASSE 12

über die Ausstellung Über-
Ende September geöffnet
sehr viele Besucher an-
Rahmen der alten flämi-

Die Stadt Brügge, in der Hans Memling von
1465 bis 1494 lebte und wirkte, hat die Tat-
sache, daß der Maler vor ungefähr 500 Jahren
geboren wurde, zum Anlaß genommen, ihm eine
Ehrenausstellung bedeutsamer Art einzurichten:
Im Städtischen Museum von Brügge wurden
drei Säle bereit gestellt und hier zum ersten
Male Werke Memlings zusammengebracht, die
nicht in der Gesellschaft von Werken anderer
früher Meister der flämischen Schule an den

ganz besonders dankbar gewürdigt
ist. Der Lübecker Altar bildet das

Künstlerschaft an der Wiederbelebung und Aus-
bildung dieser heute so planmäßig geförderten
„neuen“ alten Kunstgattung ist. Die Plastik
tritt gegenüber den Gemälden und Graphiken
diesmal zahlenmäßig etwas in den Hintergrund:
zu nennen wären hier vielleicht die Arbeiter-
und Bergmann-Gestalten Fritz Koelles neben
Bildnisskulpturen und Reliefs von Röhrig, Rauch,
Qg. Müller, Aschauer und Heinlein.

und kleineren oder
findet man dann im
Reihe monumentaler
für Glasfenster und
Hinweis darauf geben,

seiner-
hatte,
Angelo
leihen,
und
bci-
kön-
Ab-
der

freizusprechen ist, daß er den Kanon
Formen nicht eigentlich abwandelt,
recht heraus immer wiederholt, daß er
also hinsichtlich des Aufbaus seiner

aus dem
zu Lübeck, das
Standort bisher
verlassen

und höhere
hineindringt. Mem-
zeigt uns also
Temperamente,
charakterologische

St.
der
der
sen
des
donna. Diese Gemälde sind einige Zeit vor ihrer
Überführung in das Städtische Museum ge-
reinigt worden, was auf eine sehr pflegliche
Art und Weise geschehen und der Wirkung der
Bilder zweifellos zu Gute gekommen ist. Im
übrigen sind diese Werke durch den Ort, wo
man sie nun sehen kann, stark beeinträchtigt.
Die Stimmungsgewalt, die von ihnen ausgeht,

Dieses Interesse ist
rein kunstwissen-
schaftliches den
biblischen Inhalts
über; es ist ein
mäßiges vor den

herauszugreifen, ohne andere durch Nichtnen-
nung zurückzusetzen. Beinahe drei Generationen
stehen in lebendigem Wettstreit gegenüber.
Neben vielen Stilleben
größeren Figurenbildern
Treppenhaus auch eine
Entwürfe wie Kartons
Wandteppiche, die einen
wie stark gerade der Anteil der Münchener

Hans Memling, Kreuzabnahme. New York, D. Sickles. Das Bild,
ehern, in der Slg. Podevaklecsdzy in Leningrad, erzielte auf der Verstei-
gerung in New York am 20. April 1939 $ 80000
Memling-Ausstellung im Museum

Malers. Die eine Gat-
tung wird von den Ge-
mälden biblischen und
christlich legendären In-
halts gebildet, die andere
von den Personenbild-
nissen. Freilich ist diese
Zweiteilung nicht so zu
verstehen, als ob sie für
den Maler selber bestan-
den und dieser auf dem
einen Gebiet anders als
auf dem anderen gemalt
hätte. Im Gegenteil: Das
Werk Hans Memlings ist
sowohl nach seiner ge-
schichtlichen Reihenfolge
wie nach seiner Themen-
wahl überaus einheitlich.
Man kann innerhalb
des Entwicklungsablaufs
Memlings keine Perioden,
keine Umschwünge, kein
Preisgeben des Bisheri-
gen und Schon-Erlernten
zu Gunsten eines experi-
mental Neuen unterschei-
den, so sehr sich natür-
lich auch im Anfänge die
Einflüsse eines Stefan
Lochner und eines Ro-
giers van der Velden,
der beiden mutmaßlichen
Lehrmeisters des Künst-
lers auswirken. Die
Zweiteilung wird von uns,
den Beschauern, vorge-
nommen und zwar auf
Grund des unterschied-
lichen Interesses, das wir
vom Standpunkt heutiger
Denk- und Empfindungs-
weise dem Oeuvre des
Meisters entgegenbrin-

war in dem etwas dämmrigen Gemach im
St. Jans-Spital, wo sie die Jahrhunderte hin-
durch aufbewahrt worden waren, zweifellos
stärker. Das Leben in diesem uralten Kranken-
hause, dem die Bilder von frommen Stiftern
geschenkt worden waren, die Nähe der in den
Krankensälen Leidenden, das Ab- und Zugehen
der pflegenden Nonnen in ihren geschichtlichen
Trachten, dies alles sprach mit und erhöhte den
eigentlichen Lebensgehalt der Bilder, wogegen
nun, in dieser Ausstel-
lung, die Gefahr entsteht,
daß sie nur mit ihrem
Kunstgehalt wirken kön-
nen und nur auf diesen
hin betrachtet und ge-
nossen werden.
Die Museen in Spa-
nien, Portugal und Italien
beteiligten sich nicht an
der Ausstellung. Was
die Tatsache betrifft, daß
die Werke aus Vicenza
und Turin fehlen, so geht
in Brügge das Gerücht,
Italien habe die leihweise
Abtretung verweigert,
weil Brügge es
zeit verweigert
seinen Michel -
nach Italien zu
Auch aus Amerika
England hätte mehr
gebracht werden
nen; die mancherlei
lehnungen, welche
vorbereitende Ausschuß
erfuhr, sind auf Bedenken
zurückzuführen, welche
die Besitzer der betref-
fenden Werke hinsicht-
lich der politischen Lage
hegten. Deutschland hin-
gegen hat in großzügiger
Weise an dieser Ehren-
ausstellung teilgenommen,
und zwar durch Einsen-
dungen aus den öffent-
lichen Sammlungen Ber-
lins, Wiens und Kölns
und vor allem durch die
zeitweilige Abtretung des
Altargemäldes
Dom
seinen
noch niemals
hat. Das kostbare Gemälde
wurde in zweitägiger, behutsamer Fahrt mit
dem Lastauto von Lübeck nach Brügge ge-
schafft und zwar unter persönlicher Betreuung
von Professor Dr. Hans Schröder, Direktor der
Lübecker Städtischen Museen. Die Überlegung
war hierbei, daß Lübeck und Brügge dereinst
im Bunde der Hansa Freunde gewesen waren,
weshalb
kommen von selbst verstehe: Eine Tat, die in
Belgien
worden
Prunkstück der Ausstellung und ist im Vorwort
des Katalogs von Paul Lambotte, General-
direktor der Schönen Künste in Belgien, noch
besonders gewürdigt worden.
Es ergibt sich auf dieser Ausstellung ganz
von selbst eine Zweiteilung der Werke des

Bildern
gegen-
lebens-
Bildern
nach wirklichen Personen
aus der Zeit Memlings,
die uns hier mit der Ge-
walt einer Gültigkeit an-
blicken, die an
Dogma und an keine
gebunden ist.
Hans Memling
seine Modelle in einem
Augenblick wieder, der
für sie der Höhepunkt
ihrer seelischen Existenz
bedeutet, also nicht in
einem zufälligen Augen-
blicke ihres So - Seins,
sondern auf eine letzte
und reinste charakter-
liche Formel gebracht. Es
ist der Augenblick, wo
der Mensch über seine
bürgerliche und lebhafte
Prägung hinaus in seine
jenseitige
Natur
üng
nicht
nicht
Typen, sondern den tota-
len, auch mit seinem
Über-Ich einigen Men-
schen. Aus dem Porträt
der alten Frau (Louvre,
Paris), dem Porträt der
Sybilla- Sambetha (St.
Jans-Spital), dem Porträt
eines Unbekannten (Mau-
ritshuis, den Haag), dem
Porträt des Jan de Candida (Antwerpen) blicken
uns Personen an, die für den Augenblick, da
sie dem Maler Modell standen bez. da er sich
ihr inneres Wesen vergegenwärtigte, über
Beruf, Alter, gesellschaftlichen Stand und alle
Lebenssorgen hinausgedrungen sind und ver-
sonnen und andächtig ihre rein seelische Figur
wiederspiegeln. Hans Memling ist der Maler
des reinen Seelentums, der aber dabei nie ins
bloß Abstrakte verfällt. Form und Körper viel-
mehr mitergreift und mitspiritualisiert. Die
Farben bleiben dabei stets auf Töne beschränkt,
die nicht aufrührend, nicht dynamisch, im
Gegenteil, die sänftigend wirken und das Auge
des Beschauers gewissermaßen hauchhaft, als
eine zarteste seelische Emanation streifen. So
wird die Erregung, die uns auch vor den
Porträtbildnissen Memlings ergreift, nicht
anders wie vor den Bildern biblischen Inhalts
zu einer religiösen Erregung.
Was die kunstwissenschaftliche Ergiebigkeit
der Ausstellung betrifft, so besteht sie darin,
daß sich Vielerlei bestätigt, was man bereits
wußte: Nämlich daß Memling in der Arrangie-
rung seiner Bilder nicht von einer gewissen
Routine
seiner
sondern
es sich

Das Meniliiig-hibiläum in Brügge
Von Dr. F. M. Huebner, den Haag

Wänden hängen. Denn dies war bisher die
Gepflogenheit gewesen: Memling trat auf den
vordem für die flämischen Primitiven veran-
stalteten Ausstellungen stets in der Gesellschaft
seiner Alters-, Zeit- und Stilgenossen auf, wo-
gegen man es nun hier mit der ersten, einzig
und allein ihm gewidmeten Ausstellung zu
tun hat.
Die Eröffnung der Ausstellung fand im Bei-
sein von König Leopold von Belgien statt, der
die Schirmherrschaft
nahm. Sie wird bis
sein und zweifellos
ziehen, die hier, im
sehen Stadt, wo der Meister lebte, seine künst-
lerische Hinterlassenschaft genießen. Man
kann sie darum ein Gegenstück zu der in
Mailand stattfindenden Leonardo-Ausstellung
nennen, mit der sie sich als ein Beispiel ganz
anders gearteten, noch nicht von den Strahlen
der Renaissance berührten geistigen Europäer-
tums durchaus messen darf. Was Hans Mem-
ling, dieser Fra Angelico des europäischen
Nordens, hervorbrachte, gehört zum reifsten
und Gediegensten innerhalb der europäischen
Malkunst überhaupt.
Die Zahl der Bilder, die in Brügge zu sehen
sind, stellt sich auf rund 50 Werke, eine er-
kleckliche Menge, wenn man das gesamte, auf
die Gegenwart gekommene Oeuvre des Mei-
sters auf 97 Gemälde beziffert. Natürlich ist
alles zur Stelle, was die belgischen Samm-
lungen Antwerpens und Brüssels selber an
Memlings besitzen, dazu der Kunstbesitz des
Jans-Spitals in Brügge, also der Schrein
Heiligen Ursula, die Mystische Vermählung
Heiligen Catharina, die Anbetung der Wei-
aus dem Morgenlande, das Stifterbildnis
Maarten van Nieuwenhove mit der Ma-
 
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