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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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Everth, Erich: Der Sockel als ästhetischer Ausdruck von Schutzfunktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0050

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46 ERICH EVERTH.

so daß das Werk noch mehr »Standbild« oder »Bildsäule« wird, recht
statuiert, ein dauernd errichtetes Mal. Vollends Terrassenunterbauten
»greifen Platz«, legen sich breit auf; sie finden sich öfters, z. B. bei Götter-
bildern, die ja vor allem nicht herumstoßbar und überhaupt nicht antast-
bar scheinen dürfen, sind sie doch auch innerlich nicht vergänglich und
beweglich. Und ebenso brauchen Denkmäler, also etwas Monumen-
tales, möglichst ewig Währendes, jeden Ausdruck der Beharrung sehr;
manche Unterbauten, die besonders stark, etwa durch Rustika felsen-
ähnlich sind, können denn auch tief eingesenkt wirken, als rechte
»Fundamente« sich im Boden haftend zeigen, erdwüchsig und nicht
nur bodenständig. Desgleichen scheinen wie eingerammt Sockel mit
architektonischen Formen, etwa mit Pfeilern — gleich eingetriebenen
Pfählen. Ein tektonisches Gebilde aber ist der Sockel stets, und über
den Wert, um den es sich in Tektonik wie Plastik dreht, nämlich
»das leibhaftige Dasein (nicht die mimische Bewegung), das durch
die Beziehungen des Lebens schon beeinträchtigt und gefährdet wird«,
sagt Schmarsow allgemein: »Es gilt, diesen Wert herauszureißen aus
dem unaufhaltsamen Fluß der Zeit, ihn mitten im Wechsel alles
Werdens und Vergehens zu unwandelbarer Gegenwart hinzustellen« l).
2. Verdeutlichung des Standortes. Den Ort, wo die Figur
nun steht, gibt der Sockel zugleich deutlicher an; er macht auf das
Werk aufmerksam durch solches »Mehr« mit seinen einfachen, großen,
klar und stark wirkenden Linien und Flächen und läßt uns Anstöße
vermeiden. Auch auf den Bauten macht das Gelenk, das der Sockel da
abgibt, auf die Figuren aufmerksamer und gibt schon dadurch Sicher-
heitsgefühle, sei's auch nur gegen ein präsumtives oder fiktives
Vorüberstreifen des Beschauers. Es gibt ja aber Gebilde ohne alle
eigene Basis und alle architektonische Befestigung. Da sind zunächst
die Gestalten in Wachsfigurenkabinetten, auf gleichem Boden mit uns
ausgesetzt — freilich wohl alle zusammen um einen Absatz höher
hingestellt —, die sensationell lebendig gleichsam zwischen die Be-
sucher geraten können. Und an ähnlichen Mängeln wie solche
Panoptikumeffekte leiden häufig Panoramen: da werden eben vor
die gemalte Leinwand nicht plastische Figuren mit einem Sockel ge-
stellt, sondern oft sind gar nur einzelne Teile, Glieder oder Gewand-
fetzen plastisch herausmodelliert, — durch die Möglichkeit unversehenen
Gegenlaufens höchst »anstößig«, vexierend, irritierend, da bei der
systematischen Verwirrung durch die flächige Malerei daneben eine
quälende Unsicherheit über das Ob, Wo und Wieweit des Körper-
lichen entsteht; also ein Raumerlebnis, das nicht nur augensinnlich und



') Schmarsow, Grundbegriffe der Kunstwissenschaft S. 233.
 
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