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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0133

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BESPRECHUNGEN. 129

diese beiden Seitenwerte b und fis genau so selbständig den Tönen der zentralen
Diatonik gegenüber, als es h und f als Repräsentanten der beiden seitlichen Penta-
toniken den Tönen der zentralen Pentatonik gegenüber sind, mit denen sie zu
einem diatonischen, 7stufigen Kreise verwachsen.

Suchen wir diese Tatsache durch ein paar Beispiele zu erläutern. Die Theorie
sagt heute: fis wird durch Erhöhung des f gewonnen, es entsteht so kein neuer
eigenwertiger Ton, sondern eine neue »Form« des f. Also nicht in dem trivialen
Sinne, in dem auch g, a, h und jeder höhere Ton durch Erhöhung des f zu ge-
winnen wäre, ist das gemeint, was gleichbedeutend wäre mit der Regel: höhere
Töne werden aus tieferen gewonnen, indem man die Intonation dieser hinauftreibt,
bis der gewünschte höhere Ton erreicht ist. Nein, unsere Theoretiker meinen, g
kann überhaupt nicht aus f gewonnen werden, so wie man Rot nicht aus Grün ge-
winnen kann, dagegen ist ein fis aus f zu gewinnen, so wie man Dunkelgrün zu
Hellgrün umfärben kann. In dieser Folge, welche einen 9stufigen Tonkreis mit der

i ii i =L_J i

- ta- r -1 - r

1 I

zentralen Terz c bis e belegt, wäre also fis aus f gewonnen? Und woher erhält
man das b, da doch sein sogenannter Stammton h, aus dem es geboren werden
soll, gar nicht zuvor erklingt? Ich glaube aber kaum, daß auch nur ein Theoretiker
in diesem Falle die Alterationstheorie anwenden würde. Aber nehmen wir diese
Folge, die den gleichen Tonkreis belegt:

I L^l J I

i

>=&

gE

X

£

^\*-

Da werden alle erklären, fis ist im zweiten Klange b d fis ein alterierter Ton, das
heißt durch Erhöhung des f zu fis gewonnen; es ist nur ein heller gefärbtes f, wie
denn auch der Klang b d fis ein b d f bleibt, nur etwas verfärbt; er ist ein alte-
rierter, »übermäßiger« B-Dur-Dreiklang. Aber, wenn man das fis im ersten Beispiele
als selbständigen Tonwert gelten läßt, so kann man doch nicht das gleiche fis im
zweiten Beispiele als eine »Form«, eine »Umfärbung« des f ansprechen. Was im
ersten Beispiele in der Nachfolge geschah, nämlich das Erklingen einer Terz b—d
und darauf der Terz d—fis, das wird im zweiten Beispiele gleichzeitig in der Form
b d fis zu Gehör gebracht. Das fis aber bleibt, wenn man nicht ein Wunder an-
nehmen will, ein und derselbe Tonwert, der mit dem f nicht einmal in einem
diatonischen geschweige denn pentatonischen Verwandtschaftsverhältnis steht.
Wenn fis in dem Klange b d fis eine neue tonräumliche Bedeutung gegenüber der
erhielte, die es im Klang d fis a hatte, so müßte auch, wenn die nachzeitig melo-
dische Folge h—f als Intervall gleichzeitig erscheint, f oder h einen neuen ton-
räumlichen Charakter erhalten. Etwas Derartiges will aber auch offenbar Riemann
andeuten, wenn er f in ghdf als »charakteristische Dissonanz* bezeichnet. Aber
so wie ghdf nichts ist als eine Vereinigung des Klanges hdf, welcher der zentrale,
herrschende Klang der C-Diatonik ist, mit der Terz g—h, so ist b d fis nichts als
ein Zusammenklang zweier Großterzen, deren jede das zentrale, herrschende Ge-
bilde einer Pentatonik ist, die aber erst im vierten Verwandtschaftsgrade stehen,
b d fis ist also, wie alle heute »alteriert« genannten Klangformen, ein Klang, der den

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